Batavia, 11. April 1893

Nach 6 Uhr morgens ließ ich mich wecken und ging sofort auf die Brücke, da wir in einer halben Stunde in Batavia landen sollten. Der Himmel war stark bewölkt und die Temperatur auf Deck sehr behaglich. Wie bisher, war ich auch hier insofern angenehm enttäuscht, als ich befürchtet hatte, dass wir in den Tropen, insbesondere aber in den äquatorialen Regionen, von Hitze viel zu leiden haben würden; doch fand ich es ganz leidlich, die Bleikammern, das heißt die Kabinen, ausgenommen, in welchen die Temperatur namentlich zur Nachtzeit fast unerträglich zu nennen war.

Das erste, was wir von Java erblickten, waren die beiden hohen, erloschenen Vulkane Salak (2215 m) und Gede (2962 m), die gerade oberhalb Batavia oder, besser gesagt, südlich davon oberhalb Buitenzorg liegen. Nach und nach erkannte man auch die grüne Küste und den schönen Hafen Tandjong Priok, in welchem die Masten vieler Schiffe sichtbar wurden. Der Lotse kam an Bord und führte uns in den Innenhafen, in welchem Momente die hier liegenden Handelsschiffe die große Flaggengala hissten.

Nach dem Ankern leisteten wir den Territorialsalut, der alsbald von einer Landbatterie erwidert wurde. Ganz nahe von uns lagen drei holländische Kriegsschiffe und zwar das Hafenwachtschiff »Gede«, der Kreuzer »Aceh« und die Panzerdeck-Corvette „Sumatra“, alle Offiziere und die Mannschaften standen auf Deck, um unser Einlaufen zu sehen und aus mancher Stückpforte lugten auch Damenköpfe, mit Gläsern und Guckern bewehrt, hervor.

Zunächst kam unser Konsul Dirk Fock und gleich darauf, vom Generalgouverneur gesendet, Oberstlieutenant Nepveu an Bord, um mich zu begrüßen und mir das Programm für den Aufenthalt in Java vorzulegen. Die Besprechung dieses Programmes tat mir dar, welche Fülle von Sehenswürdigkeiten die schöne Insel birgt und welche große Anzahl herrlicher Streifzüge auf derselben ausgeführt werden können. Allein da ich auf meiner Reise um die Welt noch an so vielen anderen Punkten zu verweilen vor hatte, sah ich mich genötigt, das Programm für meinen Aufenthalt in Java der kurzen Frist von 14 Tagen anzupassen. Nach langen Verhandlungen gelang es festzustellen, was innerhalb dieser Spanne Zeit ausführbar sei, wobei das Interessanteste wiederholt hinter das Sehenswürdige und zugleich leicht Erreichbare zurücktreten musste.

Doch nun hieß es in einer Stunde flott sein, die ganze Bagage einpacken, alle Anordnungen treffen, da der Extrazug zur Fahrt nach Batavia schon um 10 Uhr vormittags abgehen sollte. Merkwürdigerweise gelang alles. Um 3/4 10 Uhr dampften wir schon an die Eisenbahnstation Priok, wo sich eine große Menschenmenge angesammelt hatte, zumeist Chinesen und Malayen, sowie einige Europäer. Als Spalier stand eine Polizeiwache da, die in Batavia und in dessen Umgebung den Wachdienst versieht; eine recht komische Gesellschaft, meist ältere Malayen, die eine Art Zirkusuniform und Kopftücher trugen und mit Hackmessern und Lanzen bewaffnet waren. Als Zeichen des Grußes hielten sie die Lanzen hoch vor das Gesicht und schnitten greuliche Gelegenheitsgrimassen.

Die Bahnen auf Java besitzen erfreulicherweise offene Aussichtswaggons; in einem solchen Waggon nahmen wir Platz und langten nach halbstündiger Fahrt durch freundliches Land, an vielen Kanalen vorbei, in Batavia an, wo auf dem Bahnhof der Generalgouverneur von Niederländisch-Ostindien, Dr. C. Pynacker Hordijk, ferner der Resident der Provinz Batavia, Jonkheer van Schmidt auf Altenstadt, und die mir zugeteilten Herren Oberst der Artillerie De Moulin und Kapitän Fabius anwesend waren.

Zur Fahrt in die Stadt benützte ich die vierspännige Kutsche des Gouverneurs, in welcher ich neben diesem Platz nahm. Der Kutscher des eigentümlichen Gefährtes, ein kaffeebrauner Malaye, trug eine weiß-rote, mit Goldtressen gezierte Livree. Die Kopfbedeckung des Kutschers verlieh diesem ein äußerst drolliges Aussehen; denn er hatte einen großmächtigen, lackierten Zylinderhut, unterdessen Krempe die abstehenden Zipfel des nach Landessitte um den Kopf geschlungenen Tuches weit hervorsahen. Hinter uns standen auf dem rückwärtigen Trittbrett der Kutsche zwei Diener in ähnlicher Livree, die an einer langen Stange einen goldenen Sonnenschirm über unseren Häuptern hielten.

War schon der erste Eindruck, den Batavia in mir hervorgerufen hatte, ein freundlicher gewesen, da wir mitten durch Gärten und Palmenhaine fuhren, in welchen sich fast allenthalben reinliche, von Malayen bewohnte Ansiedlungen zeigten, so gefiel mir die Stadt selbst noch besser. Von dem Bahnhof aus liegen zur rechten und zur linken Hand der Straße von Gärten umrahmte, nette, ebenerdige Häuser, die von Europäern bewohnt werden, den Ansprüchen des Klimas gemäß luftig gebaut sind und den Charakter der Wohnlichkeit tragen.

Unserem Einzug wohnte vor den Häusern und in den Straßen eine große Menge von Chinesen, Malayen, Javanen und Europäern bei, die, bunt durcheinandergewürfelt, in lebhafter Weise ihr Interesse für uns an den Tag legten. Ich hatte hier zum ersten Mal Gelegenheit, das luftige Kostüm zu sehen, dessen sich die Europäerinnen, wie man mir sagt, auf ganz Java bedienen; als Kleid dient der Sarong, ein großes Stück Tuch, das malerisch um die Lenden festgeknüpft, rockartig herabfällt; den Oberkörper verhüllt eine mit Ausschnitt versehene Jacke aus Leinwand. Diese sehr einfache, den Temperatur- und sonstigen klimatischen Verhältnissen angepasste Toilette, welche die Trägerinnen namentlich in jüngeren Jahren reizend kleidet, ist bei allen weiblichen Mitgliedern europäischer Familien üblich und wird auch in den höheren Gesellschaftsklassen tagsüber bis zur Stunde, da für das Diner Toilette gemacht wird, getragen. Bis zu ihrem 12. oder 13. Jahre begnügen sich Mädchen mit einem Hemdchen à la baby. Da die körperliche Entwickelung der Kinder in den Tropen rascher vor sich geht, als in den Ländern der gemäßigten Zone, macht es auf den Ankömmling einen befremdenden Eindruck, Mädchen, die schon ganz erwachsen scheinen, in dieser Tracht zu begegnen.

Vor dem Haus, welches von der Regierung gemietet worden war, um mir als Absteigequartier zu dienen, erhob sich ein großer, aus Bambussen und blühenden Palmenzweigen kunstvoll gefügter, mit unseren Farben und der niederländischen Tricolore geschmückter Triumphbogen.
Das Haus — ebenerdig, wie fast alle Gebäude auf Java, da diese Insel von Erdbeben heimgesucht ist — liegt in einem kleinen Garten an einer der lebhaftesten Straßen Batavias. Geräuschvoll und schleifend saust vom Morgen bis zum Abend die Dampf-Tramway an dem Haus vorbei, auf dem nahe gelegenen Kanal schaukeln sich melancholisch kleine Bambusflöße. Auch das Innere des Hauses trägt das Gepräge der javanischen Bauten; hinter der großen, gedeckten Veranda ist ein weitläufiger Raum, der, als Speisesaal und Salon zugleich dienend, die Eingänge in die verschiedenen Wohngemächer enthält. Die Fenster und die Türen pflegen hier selbst bei Nacht fast niemals geschlossen zu werden; deren Stelle vertreten zumeist spanische Wände,. Die Räume sind durchwegs hoch und luftig, die Fußböden mit Strohmatten bedeckt, die Himmelbetten, welche das Lager bilden, zwar geräumig, lang und breit, jedoch so hart, dass sie lebhaft an die Pritschen in unseren Gebirgshütten mahnen. Offenbar legen die Erfahrungen der lokalen Hygiene den Holländern, welchen ja im allgemeinen nichts über häusliche Bequemlichkeit geht, den Zwang auf, die Nacht über nur harte Lagerstätten zu benützen.

Der Himmel war bewölkt, die Temperatur drückend schwül, ja tropisch. Eine Stunde nach unserer Ankunft brach ein Gewitter mit sintflutartigem Regen los, doch ohne Abkühlung zu bringen; er vermehrte nur die Feuchtigkeit der Luft, so dass wir die Unannehmlichkeit feuchter Wärme umso mehr empfanden.

Wir besprachen mit dem Residenten sowie mit den mir zugeteilten Herren das Programm für die nächsten Tage und nahmen dann ein Frühstück ein, das sich durch seine lange Dauer auszeichnete: denn wiewohl uns nicht weniger als 16 alte malayische Diener, welche mit den landesüblichen, langohrigen Kopftüchern geschmückt waren, umschwirrten, wollte die Tafel, bei der Langsamkeit, mit welcher serviert wurde, kein Ende nehmen.

Hierauf kam Herr E. J. Kerkhoven, der Besitzer großer Teeplantagen zu Sinagar in der Residentschaft der Preanger Landschaften, mit welchem — einem vortrefflichen Jäger, an den ich schon von der Heimat aus gewiesen worden war — wir eine mehrere Tage umfassende Jagdexpedition in das Innere Javas unternehmen sollten. Doch zu Beginn unserer Unterredung mit Herrn Kerkhoven hatte es den Anschein, als müsste dieser Plan von unserem Programm abgesetzt werden; denn gleich dem Generalgouverneur hob Herr Kerkhoven, wiewohl ein passionierter Jagdfreund, die Schwierigkeiten hervor, die auch seiner Ansicht nach mit diesem Ausflug verbunden waren und führte allerlei Gründe dawider ins Treffen: mangelhafte Kommunikation, bedeutende physische Anstrengungen, Cholera, Malaria, sowie andere in dieser Gebirgslandschaft endemische Krankheiten u. a. m. Unser Wunsch, die wildreichen Jagdgefllde der Preanger Landschaften zu besuchen, lag, wie mir schien, einigermaßen im Widerstreit mit dem Programme, welches der Generalgouverneur im vorhinein entworfen hatte. Ich konnte den verschiedenen Strömungen, welche im Laufe der Erörterung pro et contra zutage traten, nicht völlig auf den Grund sehen; doch war so viel klar, dass jeden der Herren ein anderes Motiv leitete, mir die Eventualitäten dieser Jagdexpedition in den schwärzesten Farben auszumalen.

Schließlich gelang es mir, von dem Generalsekretär Sweerts de Landas, einem sehr gewandten und expeditiven Mann, unterstützt, alle Bedenken zu überwinden, nachdem ich den Herren insbesondere dargelegt hatte, dass ich ja gern auf jeden Komfort, jede Bequemlichkeit verzichte, wo es sich um Jagd handelt. So wurde denn endlich eine Expedition in der Dauer von zehn Tagen in den südlichen Teil der Preanger Landschaften zum Beschluss erhoben. Nur erbat sich Herr Kerkhoven eine Frist von fünf Tagen, um die notwendigen Anstalten zu treffen, Jäger und Träger zu bestellen u. s. w. Diese Frist wurde gewährt und beschlossen, dieselbe zum Besuch Buitenzorgs und anderer interessanter Punkte Javas zu verwenden.

Doch konnte ich schon heute dem Jagdvergnügen huldigen, da der liebenswürdige Resident von Batavia für den Nachmittag eine Krokodiljagd anberaumt hatte, zu der wir, sobald der Regen einigermaßen nachgelassen hatte, aufbrachen. In der Vorstadt Weltevreden passierten wir eine lange Straße, welche auf beiden Seiten ausschließlich von Chinesen bewohnt ist. Auch hier in Batavia macht sich der „Gelbe Strom“ schon sehr stark bemerkbar; es zählt unter 114.864 Einwohnern 27.279 Chinesen. Auf Gelderwerb erpicht, wie kaum ein anderes Volk, mit subtilem Handelsgeist und erstaunlicher Genügsamkeit ausgestattet, haben diese echten Mongolen nicht bloß in Batavia, sondern auch in allen anderen javanischen Handelsplätzen festen Fuß gefasst, so dass auf Java überhaupt unter einer Bevölkerung von 22,754.749 Seelen — die Armee und die Bemannung der Flotte nicht inbegriffen — neben 46.631 Europäern, 13.995 Arabern, 2843 anderen Orientalen und 22,449.553 Eingeborenen 241.727 Chinesen gezählt wurden.

Der misstrauische und hinterlistige Charakter der Chinesen, ihr sich in krassem Egoismus verzerrendes Wesen und andere ihrer Eigenschaften machen mir dieses schon äußerlich unsympathische Volk widerlich, so wenig ich leugne, dass es auch Vorzüge besitzt. Ungemein rührig und erfindsam in gewerblicher Tätigkeit, voll Geschick in technischen Fertigkeiten, intelligente Acker- und Gartenbauer und, wo es der Betrieb der Urproduktion erfordert oder wo der Vorteil lockt, selbst die schwerste Arbeit nicht scheuend, streben die Chinesen vor allem dahin, im Wettbewerb des Güteraustausches und bei Geldgeschäften auf welche Art immer Gewinn zu erzielen. Die meisten treiben Handel, teils als Hausierer (Klontongs), Krämer, Ladenbesitzer, Agenten, teils als Kommissionäre, Detaillisten, Gouvernementspächter, Geldwucherer, Bankiers. Die übrigen Chinesen erwerben als Handwerker, Hausdiener, Schreiber, Kutscher, Köche ihren Unterhalt, bis auch sie, von klein auf, zunächst mit kreditierter Ware beginnend, als Händler ihre merkantile Findigkeit verwerten können.

Im Land verachtet und als Feinde angesehen, wie die blutigen Verfolgungen im vorigen Jahrhunderte beweisen, — an einem Tage, am 9. Oktober 1740, wurden unter der Regierung des Generalgouverneurs Valkenier von der empörten Bevölkerung bei 10.000 Chinesen niedergemetzelt — haben sich die Chinesen gleichwohl mit der ihnen eigentümlichen Zähigkeit auf Java zu behaupten und immer mehr auszubreiten verstanden. Die Regierung leistet ihnen keinerlei Vorschub, sondern trifft sie mit einer besonderen Auflage, der Zopfsteuer, Bea Kondeh, zwingt sie, in abgesonderten Stadtvierteln zu wohnen und kehrt andere Maßregeln vor, um das Chinesentum auf Java nicht allzu üppig emporwachsen zu lassen. Doch sind trotz alledem die Söhne des himmlischen Reiches, teils als Einwanderer, teils als Eingeborene — letztere Feranakan-Chinesen genannt — insbesondere im Norden der Insel und selbst im Innern des Landes eingewurzelt.

Durch schmale Gässchen weiter fahrend, standen wir endlich vor dem Kasteel (Fort), das heute, von der Regierung in seiner alten Form erhalten, nur mehr historischen Wert besitzt; es ist von der Ostindischen Kompanie zu Beginn des 17. Jahrhunderts errichtet und späterhin mit Bastionen, Vorwerken, Erdwällen und Fortifikationsgräben ausgestattet worden, die jetzt geschleift oder verschüttet sind.

Einen wesentlichen Schutz des Kasteels haben zu der Zeit, als es noch die Zitadelle Batavias darstellte, die Kanäle des Fortifikationsrayons gebildet. Denn, dem Vorbild des Mutterlandes getreu, haben die Holländer Batavia, welches von einem Fluss, dem Tji Liwung (Liwoeng) mitten durchschnitten wird, mit Wasseradern durchzogen, teils um die Stadt zu entsumpfen, teils um hier ein dichtes Netz von Schifffahrtswegen zu schaffen. So bietet denn Batavia mit seinen schiffbaren Grachten und Gräben, seinen Uferbauten und den Fahrzeugen, welche in den von Baumalleen eingesäumten Kanälen schwimmen, das Bild einer Stadt, in welcher die Wasserstraße die größte Bedeutung besitzt.

Auf einem der Kanäle, welcher vom Fort bis in das Meer geht, stand eine kleine Flotille von Booten bereit, welche, von einer Dampfbarkasse gezogen, uns zu der Krokodiljagd bringen sollte. Wir nahmen in den mit Blumen und Fahnen auf das schönste geschmückten Fahrzeugen Platz, die Barkasse, welche von einem hohen Regierungsbeamten persönlich gelenkt wurde, setzte sich in Bewegung und wir glitten auf dem Kanale dahin, angenehm gewiegt, erfrischt durch ein Glas eingekühlten Champagners, den livrierte Diener servierten, und angeregt durch den Blick auf die vorübereilende Uferlandschaft.

Eine bunte Menge, auf beiden Ufern dichtgedrängt, folgte neugierig unserer Fahrt. Weiterhin erschienen kleine Ansiedlungen, ab und zu eine malayische Dorfschaft, dann wurden Pflanzungen von Arrowroot (Maranta arundinacea),’welche das bekannte Nährmehl liefern, sichtbar. Zwischen diesen Pflanzungen und niedrigem Buschwerke dahinschwimmend, legten wir endlich an der Mündung eines schmalen, natürlichen Seitengrabens an, welcher, in der Art eines Dschungels verwachsen, mitten durch dichtes Tamarisken- und Myrtengebüsch führte.
Es waren hier, wie mir schien, allzu viele Anstalten in der Absicht getroffen worden, die Jagd auf die in diesem Graben zahlreich vorhandenen Krokodile zu begünstigen. Das Gebüsch war gelichtet worden, damit es uns den Ausblick nicht benehme; den Kanal entlang waren, um das Auswechseln der Krokodile zu verhindern, Verhaue gemacht und zu denselben aufwärts wie abwärts Wächter postiert.

Gleich bei der Ankunft an dem Kanal hatte ich kleine, aus dem Wasser hervorragende Punkte, die Lichter und die Nasenspitzen einiger Krokodile wahrgenommen, doch waren diese rasch untergetaucht und erst einige Zeit später kam ein sehr starkes Exemplar wieder zum Vorschein. Ich erlegte das Tier mittels eines Kopfschusses; in den letzten Zuckungen schlug es mächtig umher, Wasser und Schlamm weithin emporschleudernd, bis es endlich mehrere Minuten lang ein Rad schlug, um dann leblos hinzusinken. Nun warfen die eingeborenen Jäger dem Reptil eine Tauschlinge um den Hals und zogen es an das Land.

Hierauf schritt ich längs des Ufers auf und nieder und entdeckte bald ein zweites Krokodil, welches sich, durch den von mir abgegebenen Schuss erschreckt, in den weichen Schlamm so tief eingegraben hatte, dass ich nur wahrnehmen konnte, wie sich hier das Erdreich abwechselnd hob und senkte. Ich schoss auf gut Glück nach der Stelle hin, an welcher ich das Haupt des Tieres vermutete und alsbald bewies eine Schweißspur, sowie das Umherschlagen des aus dem Schlamm auftauchenden, gezackten Schweifes, dass ich das Krokodil getroffen hatte. Fortan blieb jedoch alles ruhig, da sich die Reptilien nicht mehr blicken ließen; sie hatten sich unter Wasser im tiefen Schlamm verkrochen und erst, als mehrere Leute mittels langer Bambusstangen auf das Wasser schlugen und das Erdreich auf dem Grunde des Kanals durchstocherten, kam wieder Leben in den Kanal. Die Krokodile nahmen diese Operationen sehr übel auf und fuhren schnappend und beißend auf die Stangen los. So oft sich ein Kopf zeigte, gab ich auf die Lichter oder auf den Halswirbel, die einzig verwundbaren Stellen der Krokodile, Feuer und vermochte auf diese Art noch sechs starke Exemplare zu erlegen, so dass meine Strecke acht Krokodile betrug, deren jedes über 2 m maß.

Die Färbung der einzelnen Exemplare war sehr verschieden; sie variierte zwischen schwarz oder grünlichgrau und hellgelb mit schwarzen Rändern. Welch dicke, undurchdringliche Haut und welch harte Schädelknochen das Krokodil besitzt, konnte ich an einem Stücke beobachten, welches, in einer Entfernung von etwa 25 Schritten auftauchend, nur das Haupt hatte sichtbar werden lassen. Ich schoss mit meinem Express, Kaliber 500, dreimal hintereinander auf die Schädeldecke des Tieres zwischen dessen Lichter; allein nach jedem Schuss tauchte das Krokodil, ohne das geringste Schusszeichen zu geben. unter, um alsbald an die Oberfläche zurückzukehren; erst der vierte Schuss traf knapp oberhalb des Lichtes, worauf das Tier sich überschlug und verendete. Nachdem das Krokodil ans Land gezogen worden war, fand ich bei genauer Untersuchung, dass die drei ersten Kugeln nicht eingedrungen, sondern an der Schädeldecke zwischen den Lichtern wie von einer Panzerplatte abgeprallt waren, ohne dort, wo sie aufgeschlagen hatten, mehr als kaum wahrnehmbare Flecke zu hinterlassen.

Die erlegten Krokodile wurden in ein Boot verladen, dieses von unserer Flotille ins Schlepptau genommen und nun kehrten wir auf demselben Wege, den wir schon vorher gesteuert, mitten durch das jetzt hell erleuchtete und sich daher äußerst malerisch präsentierende Chinesen-Viertel heim, um uns zu dem beim Generalgouverneur angesagten Diner umzukleiden.

Der Generalgouverneur Dr. C. Pynacker Hordijk, dessen Residenz sich in Buitenzorg befindet, besitzt in Batavia, dem Sitz der Regierung, ein schönes, ebenerdiges Palais, in welchem er und seine Gemahlin mich erwarteten. In dem großen Speisesaal, der mit den Wappen und Emblemen der Heimat geschmückt war, herrschte leider während des nun folgenden Diners drückende Schwüle. Ich saß zwischen der Frau vom Hause und dem Vizeadmiral Jonkheer J. A. Roell. Dieser, eine liebenswürdige Persönlichkeit, erzählte mir allerlei Interessantes über die seit dem Jahre 1873 währenden kriegerischen Expeditionen der Niederländer gegen das ihrer Macht widerstrebende, immer noch unabhängige Reich Atschin (Atjeh) auf Sumatra. An dem Diner, während dessen eine Militärkapelle ihre Weisen erklingen ließ, nahmen auch der Kommandant der niederländisch-ostindischen Armee Generallieutenant A. R.W. Gey van Pittius, der Generalsecretär Sweerts de Landas und andere Würdenträger, darunter mehrere Mitglieder des Rates von Indien (Raad van Indie) teil.

Die Tafel, welche sich durch Fehlen der Toaste und des Cercles auszeichnete, war bald aufgehoben und so konnte ich in meiner Wohnung mit unserem Schiffskommandanten noch die Fortsetzung der Reise besprechen.

Links

  • Ort: Jakarta, Indonesien
  • ANNO – am 11.04.1893 in Österreichs Presse. Die Neue Freie Presse vermeldet zum Stichtag 22. März, dass FF in Indien 15 Tiger und 7 Panther erlegt hat.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Goldfische“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Die Rantzau“ aufführt.
Franz Ferdinands Jagderfolge in Indien, Die Presse 11.4.1893

Franz Ferdinands Jagderfolge in Indien, Die Presse 11.4.1893

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