Batavia — Buitenzorg, 12. April 1893

Der Wunsch, das Museum von Batavia und andere Sehenswürdigkeiten dieser Stadt in Augenschein zu nehmen, hatte mich veranlasst, die Fahrt nach Buitenzorg, welche dem Programm gemäß schon für den gestrigen Abend anberaumt gewesen war, auf den Nachmittag des heutigen Tages zu verschieben, um vorher eine Rundfahrt durch Batavia und dessen Vorstädte antreten zu können, zu welcher wir schon früh morgens aufbrachen.

Die Gründung von Batavia ist auf das Jahr 1614 zurückzuführen. Zu jener Zeit errichtete der holländische Generalgouverneur Pieter Both auf einem kleinen, auf dem Ostufer des Tji Liwung gelegenen Grundstücke, welches er im Jahre 1611 für 3000 holländische Gulden von dem Häuptling von Dja-Karta, einem Vasallen des Reiches Bantam, erkauft hatte, eine befestigte Factorei, »Nassau« genannt. Diese Factorei der Holländisch-ostindischen Kompanie, jener merkantil wie politisch mächtigen Handelsgesellschaft, welche, 1602 gegründet, nach vielen Jahrzehnten des Glanzes mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts erlosch, bildet den Ausgangspunkt Batavias.

Von dem Kasteel beschützt, von ebenso emsigen, als klugen Bürgern besiedelt, entstand hier unter der Verwaltung fernblickender Behörden im Lauf weniger Jahrzehnte ein zukunftsreiches städtisches Gemeinwesen. Seit 1619 offiziell den Namen Batavia führend, hat sich die Hauptstadt Holländisch-Indiens so rasch entwickelt, dass sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts unbestritten der bedeutendste Hafenplatz Südostasiens war. Seit dem Aufschwung Singapurs hat Batavia in seiner kommerziellen Tätigkeit einen starken Rückschlag erlitten, doch ist es, dank der reformatorischen Fürsorge der niederländischen Regierung, auch heute noch unleugbar ein sehr bedeutendes Handelszentrum für allerlei Kolonialprodukte. Außer den schon früher erwähnten 27.279 Chinesen zählt Batavia 8613 Europäer, 2622 Araber, 104 andere Orientalen und 76.246 Eingeborene.

Der Hafen Tandjong Priok weist freilich eine weit geringere Zahl von Handelsschiffen auf, als andere Emporien des Welthandels; allein die dichte Bevölkerung Javas, die intensive Kultur des überaus fruchtbaren, kostbare Produkte liefernden Bodens, der Ausbau der Verkehrswege, vor allem aber die finanzielle Weisheit der Holländer sichern dieser blühenden Ackerbaukolonie, der schönsten aller malayischen Inseln, auch fernerhin volles Gedeihen.

Der Verkehr und das städtische Leben in Batavia sind eigenartig. In den europäischen Vierteln herrscht nach außenhin eine gewisse Somnolenz; unter der schlummernden Oberfläche jedoch betätigt sich zielbewusst, zähe und emsig der Nationalcharakter der Niederländer. Die Europäer bewohnen die südlichen Vorstädte Noordwijk und Rijswijk, sowie das von diesen südöstlich gelegene Weltevreden; die höheren, südlichen Teile der Stadt sind die gesündesten; die in der Nähe der See gelegenen Geschäftsviertel haben von dem feuchten Klima Batavias am meisten zu leiden. Die Heimstätten der Europäer tragen hier durchwegs das Gepräge der Nettigkeit, Reinlichkeit und Wohnlichkeit. Zwischen wohlgepflegten Gärten mit reichem Blumenflor erheben sich die ebenerdigen Häuser, welche vermöge ihrer sozusagen durchsichtigen Bauart der Luft freien Durchzug gewähren. Auf der Veranda, ohne welche hier ein Haus kaum denkbar ist, spielt sich fast das gesamte häusliche Leben ab; hier, zwischen den mit Bildern und blühenden Orchideen geschmückten Wänden, halten auf Ottomane oder Lehnsessel die Familienmitglieder, welche der geschäftliche Beruf nicht an die Altstadt fesselt, während der heißen Tagesstunden die durch das Klima bedingte, wohltuende Siesta. Die Männer hingegen fahren früh morgens in die Altstadt, den Mittelpunkt der Geschäftswelt, um hier bis 4 oder 5 Uhr nachmittags ihren Angelegenheiten zu obliegen. Zu dieser Zeit kehren sie nach wohlgetaner Arbeit in ihre von frischerer Luft umwehten Villen zurück und verbringen, da der Holländer viel Sinn für gemütliche Häuslichkeit hat, den Abend meist im Familienkreis. Da sieht man dann all die traulichen Veranden hell erleuchtet und freundlich spiegeln sich die vielen Lichter in den kleinen Kanälen der Stadt.

Die beiden Hauptplätze Weltevredens sind der »Waterloo-Plein« und der »Konings-Plein«. Auf dem ersten befindet sich das Regierungspalais, ein mächtiges, zweistöckiges Gebäude, das Militärcasino Concordia und die Statue des Generalgouverneurs Jan Pieterszoon Koen. welcher irrtümlich als Stifter Batavias gilt.

Der Konings-Plein ist ein ausgedehnter, 4 ha großer, viereckiger Rasenplatz, welchen Tamarindenalleen begrenzen. An den Außenseiten dieser Alleen sehen wir das neue Palais des Generalgouverneurs, dann jenes des Residenten, Kirchen, das Museum, die Bahnstation Konings-Plein und andere öffentliche Gebäude. So schön die Umrahmung des Platzes auch ist, so wenig bietet der baumlose, mit schlechtem Grase bewachsene Konings-Plein selbst. In dem angenehmen Schatten der Alleen tummelt sich gegen Abend die ganze Gesellschaft Batavias, in den verschiedenartigsten Equipagen frische Luft schöpfend; auch wimmelt es hier von Fußgängern, selbst einzelne Reiter wagen sich hervor.

Bei meiner Fahrt durch Weltevreden begegnete ich einrückenden niederländischen Truppen und zwar einem Bataillon Infanterie und einer Escadron Kavallerie, letztere durchwegs mit ganz kleinen, javanischen Ponies beritten; die Reiter haben eine wenig kleidsame blau-gelbe Uniform, sitzen mit ungemein kurz geschnallten Bügeln im Sattel und tragen den Karabiner derart, dass er, am Sattel befestigt, über dem rechten Schenkel liegt — eine Tragweise, die ich nicht praktisch finden kann.

Während die von Europäern bewohnten Stadtteile durch verhältnismäßige Ruhe ausgezeichnet sind, herrscht um so regeres Treiben in dem Chinesen-Viertel. Da wird unablässig gefeilscht und gearbeitet; kein Garten unterbricht die lange Reihe der Häuser; da hier alles nur auf das Praktische und auf Gewinn basiert ist, wäre ein Ziergarten überflüssiger Luxus. Die bezopften Leute sitzen vor ihren Werkstätten, entwickeln eine beinahe fieberhafte Tätigkeit und tragen, sobald sie etwas erworben haben, einen Teil des Gewinnes in die Opiumhöhlen oder Spielhäuser. Meine Rundfahrt brachte mich von den lebenden Chinesen auch zu den toten. Die Ruhestätten dieser liegen im Osten der Stadt, hauptsächlich in den Pagansan und Sentiong benannten Stadtteilen; daselbst schlafen unter Palmen und Bananen auch die im vorigen Jahrhunderte dem Hass der Bevölkerung zum Opfer gefallenen Söhne des himmlischen Reiches. Die Gräber springen durch ihre eigentümliche Bauart ins Auge; gar manche derselben sind schon verfallen und über ihnen wuchern üppige Schlinggewächse oder ziehen sich Felder und Palmenpflanzungen hin.

In der Nähe dieser Begräbnisstätten findet man neben der alten Kirche der Altstadt das Haus Pieter Elberfelds, des Verräters von Batavia, der im Jahre 1722 hingerichtet worden ist; eine Steinplatte, oberhalb deren sich ein aus Stein gemeißelter, von einer Lanze durchstochener Totenkopf erhebt, trägt eine Inschrift mit der Darstellung der Tat und mit dem Befehle, dass an dieser Stelle bis in die Ewigkeit nicht mehr gebaut werden dürfe.

Die Viertel, welche von den Eingeborenen Javas bewohnt werden, nehmen einen großen Raum ein und tragen den Charakter von Dörfern, die oft ganz unter Palmen und Bananen versteckt erscheinen. Auch diese Ansiedlungen, Kampongs oder Dessas genannt, tragen den Stempel der Reinlichkeit und Nettigkeit an sich; ein gar wohltuender Unterschied zwischen den Behausungen der Javanen und den schmutzigen, übelriechenden, verwahrlosten Wohnungen der Hindus in Britisch-Indien ist hier bemerkbar. Die einzelnen Hütten sind zumeist aus Bambus gefertigt; das Dach und die Seitenwände bestehen entweder aus Bambusflechtwerk, Alanggrasgeflecht oder einfach aus trockenen Palmblättern, welche durch ihre Größe und ihre ziemliche Widerstandsfähigkeit ein gutes und billiges Baumaterial bilden. Sehr häufig stehen die Hütten auch auf Pfählen. Die Dächer, meistens sowohl nach vorne wie nach rückwärts hin verlängert, beschatten kleine Galerien oder Veranden.

Die innere Einrichtung dieser Hütten ist eine sehr einfache; denn die ganze Familie wohnt in einem großen Raum. Als Bettstellen dienen Bambusbänke, die mit Strohmatten belegt werden, von anderen Möbeln finden wir einen groben Tisch und allenfalls einige Bambusschemel: doch sitzt der Eingeborene zumeist mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden. Die Küchengerätschaften sind nicht minder einfacher Natur und meistenteils aus Bambus hergestellt. Obschon die Behausungen bei dem reichen Kindersegen, welcher die Eingeborenen meist beglückt, in der Regel zahlreich bevölkert sind, herrscht daselbst doch die größte Sauberkeit und Ordnung.

Die Javanen besitzen eine besondere Vorliebe für Tiere; daher hängen an der Wand fast jedes Hauses geflochtene Käfige mit Vögeln, gewöhnlich Tauben. Die Haustiere werden gut gehalten, Rinder und Büffel sind wohlgenährt und sorgsam gepflegt; aus jeder Hütte springen dem Besucher allerliebste Zwergziegen meckernd entgegen, und vor den Türen scharren große Hühner.

Rund um die meisten Häuser sind kleine Nutzgärten angelegt, umgeben von zierlich geflochtenen Bambuszäunen, in denen Pisang. Pfeffer, Gemüse und Früchte gepflanzt werden; überall sieht man die Kokospalme, die besonders in der Nähe von Batavia einen bedeutenden Nutzen abwirft, da hier ein starker Baum wohl ein jährliches Erträgnis im Werte von etwa 10 fl. ö. W. liefert. Wie mir der Resident versicherte, benützen die Leute häufig zum Sammeln der Kokosnüsse abgerichtete Affen, welche die glatten, hohen Stämme emporklettern und die reifen Früchte herabwerfen. Will der Affe eine noch unreife Frucht pflücken, so erhält er mittels einer Schnur einen Ruck, worauf er alsbald davon ablässt und eine reife Frucht auswählt. Ein zu solchem Dienst gut abgerichteter Affe soll für seinen Eigentümer eine große Einnahmequelle bilden, da dieser das Tier vielfach an Besitzer von Kokospalmenplantagen vermietet.

Nebst der Reinlichkeit berührt den von Britisch-Indien kommenden Reisenden auf Java noch ein zweites Moment aufs angenehmste — die große Ruhe, mit welcher die Malayen alles vollbringen, so dass man wohl öfters an einem von Bäumen umhüllten Kampong vorüberschreiten würde, ohne seiner Existenz gewahr zu werden, wäre das Auge nicht, welches die Hütten zwischen dem Baumgrün hervorlugen sieht. Das Ohr, zumal wenn es von dem Land der Hindus her durch deren ohrenzerreißenden, betäubenden Lärm, ihr eigentümliches Geschrei und Geheul einigermaßen an Empfindlichkeit für Geräusche verloren hat, vermag selbst in der Nähe der Kampongs nichts Auffallendes wahrzunehmen.

Von dem malayischen Viertel, wo die Natürlichkeit noch ziemlich ungetrübt waltet, taten wir, bildlich gesprochen, einen gewaltigen Sprung, indem wir den Platz besahen, auf welchem im Herbste 1893 eine Weltausstellung en miniature ihre Schätze ausbreiten soll. So hat denn das Expositionsfieber auch die ruhigen Bewohner Javas ergriffen! Nicht ohne Stolz wies der Resident auf die allerdings noch im Anfangsstadium begriffenen Vorbereitungen hin; einige Gerüste ließen einstweilen die künftige Pracht noch nicht ahnen. Immerhin ist der gewaltige Gegensatz fühlbar: dort im Kampong Volksleben, das Jahrtausende lang in gleichförmiger Weise zum Ausdruck kommt; hier Zurüstungen für die Verwirklichung einer jener Ideen, in welchen das Kulturleben der Völker in der allermodernsten Fassung zur Darstellung gelangt!
In der Folge hatte ich auch Gelegenheit, die javanischen Ponies zu beobachten, kleine, höchstens 12 Faust hohe Tiere, welche die unschönen, landesüblichen Wagen im schärfsten Trab durch die Straßen ziehen. Diese Ponies stammen zumeist von den Sunda-Inseln Sumbawa und Sumba (Sandelhout) her. Nebst den Produkten der einheimischen Pferdezucht, unter welchen insbesondere jene der Residentschaften Kedu und der Preanger Landschaften als vorzüglich gelten, verwendet man auf Java eben auch Pferde von den SundaInseln sowie australische Carrossiers.

Das nunmehr der Besichtigung unterzogene Museum gehört einer Privatgesellschaft, — der Gesellschaft für Künste und Wissenschaften — welche von der Regierung subventioniert wird. Auch ist die Regierung unausgesetzt bestrebt, die ethnographische Kollektion dieses Museums durch Objekte zu vervollständigen, welche den Sunda-Inseln entstammen.

Ein Elephant aus Bronze, das Geschenk des Königs von Siam, der Java im Jahre 1870 besucht hat, steht vor dem großen Gebäude. In der Vorhalle liegen altertümliche Steinfiguren, sowie mehrere Kanonen und geschnitzte Wandschirme aus der Zeit der Ostindischen Kompanie, links davon ist die numismatische Sammlung angeordnet, die reiches Material aus aller Herren Ländern enthält, unter anderem auch eine Kollektion von Papiergeldzeichen und Münzen österreichischer Währung; die wertvollste Münze heimatlichen Ursprunges dürfte ein Sigismund-Dukaten aus dem Jahre 1388 sein.

Die sich anschließende archäologische Sammlung ist erst in neuerer Zeit entstanden, da man in früheren Jahren in Java wenig Interesse für Altertümer an den Tag gelegt hat. Einzelne Gelehrte haben sich in höchst verdienstvoller Weise der Erforschung der alten Denkmäler der Insel zugewandt, wobei festgestellt wurde, dass der Stil der javanischen Tempelbauten, ungeachtet einiger Abweichungen, lebhaft an jenen Vorderindiens erinnert. Diese Erscheinung findet ihre natürliche Erklärung darin, dass in früheren Zeiten der Brahmanismus im malayischen Archipel verbreitet war, bis er daselbst im 13. Jahrhunderte von dem immer weiter um sich greifenden Islam fast völlig verdrängt wurde. Von geringen Ausnahmen abgerechnet, bekennen sich alle Javanen zum mohammedanischen Glauben, während die Religion der Bergvölker noch im Ahnen- und Geisterkultus gipfelt.

Die Richtigkeit jener Konstatierung, welcher zufolge man füglich von einem Java-Hindu-Stile sprechen kann, wurde durch eine Anzahl photographischer Abbildungen von Tempeln aus Mitteljava augenscheinlich gemacht. Diese Tempelbauten stellen, was die Reichhaltigkeit der architektonischen und ornamentalen Motive und insbesondere die künstlerische Ausschmückung durch Statuen und Reliefs anbelangt, die vorderindischen Bauten in den Hintergrund. Unter den Statuen und Reliefs fanden wir allerlei uns schon von Indien her wohlbekannte Darstellungen, so solche Schiwas, der Dreieinigkeit Brahma, Wischnu und Schiwa, des heiligen Stieres Nandi, jene der Göttinnen Lakschmi und Käli sowie des Elephantengottes Ganescha in allen möglichen Stellungen; ferner waren mehrere Ungams, Urnen der verschiedensten Größen, Säulenpiedestale u. a. m. zu sehen.

Eine Sammlung aufgefundener oder ausgegrabener Metallgegenstände ist sehr bemerkenswert; auch hier begegneten wir den verschiedenen Gottheiten der brahmanischen Theogonie, in Bronze, Silber oder Gold gestaltet, — einzelne dieser Nachbildungen zeigen künstlerische Vollendung — ferner mannigfaltigen Tempelgerätschaften, besonders Glocken, Gongs, Opferkesseln, sowie Lämpchen und Schmuckgegenständen.

Den Hauptanziehungspunkt und zugleich den wertvollsten Teil des Museums bildet die in langen, großen Sälen untergebrachte ethnographische Sammlung, welche nicht allein Java, sondern auch die ganze Inselwelt des asiatischen und des australischen Archipels umfasst und sich durch ihre ungewöhnliche Reichhaltigkeit auszeichnet. Die genauere Besichtigung all der Objekte, welche die verschiedenen Kulturstufen der malayischen Völker, von den Kannibalen angefangen bis hinauf zu den schon ziemlich hoch entwickelten Javanen, darstellen, würde Tage, ja Wochen in Anspruch nehmen.

Da sieht man zunächst Modelle verschiedener Behausungen, höhlenartiger Bambushütten von Borneo und schön geflochtener Häuser von Java, ferner alle Gerätschaften, deren sich die verschiedenen Völkerstämme bei der Jagd und der Fischerei bedienen. Eine Unzahl der merkwürdigsten Waffen ist an den Wänden angebracht. Nicht bei allen Völkerstämmen, deren Erzeugnisse hier für oder gegen sie sprechen, ist die Steinzeit schon durch die Eisenzeit verdrängt; daher sind denn vielfach Speer- und Lanzenspitzen, sowie Beile noch aus sehr hartem Gestein oder aus Holz angefertigt; manche der Waffen sind mit schnellwirkenden Giften imprägniert. Aus dem Land der Dajaks auf Borneo stammen Blasrohre mit vergifteten Pfeilen.
Mit großem Fleiß sind alle Arten von Kleidungsstücken, deren sich die Inselvölker bedienen, zusammengetragen. Die Schaustellung der Garderobe mancher dieser Inselstämme hat wenig Mühe und Schwierigkeit verursacht; die Tracht ist mitunter sehr notdürftig und von unseren Stammeltern im Paradies ziemlich getreu überkommen. Hingegen finden sich aus Java Tanzkostüme, Brautkleider und Proben von Kains, gewebten Kleidern, die einen ziemlich bedeutenden Wert repräsentieren. Danehen stehen Pajungs (Distinktionsschirme) und in großer Zahl Masken zu dem Topeng-Tanze, sowie Wajang-Figuren und Musikinstrumente der abenteuerlichsten Formen für den Gamelang, das javanische Orchester, hierunter riesige Gongs, zymbalähnliche Instrumente und ein höchst eigentümlich gestaltetes Instrument, Anklont: genannt, bestehend aus gestimmten Bambusrohren, welche durch Schütteln zum Tönen gebracht werden.

Der originellste Teil der hier aufgestapelten Schätze besteht in der großen Menge von Fetischen und Götzen, sowie von Schmuckgegenständen der Kannibalen, vor allem der Papuas, der Dajaks und der Battas. Diese Fetische und Götzen stellen sich als sehr realistisch aufgefasste, scheußliche Fratzen dar; einige sind bemalt und mit Haaren geschmückt oder mit Muscheln ausgelegt.

Die Schmucksachen sind in phantastischer Weise aus Vogelfedern, Muscheln und Knochen oder Zähnen von Tieren. mitunter aber auch aus Überresten menschlicher Körper hergestellt; so sah man hier Schädel, einzelne Knochen oder Haarbüschel, ähnlich den Indianer-Skalps, und als Halszierat Colliers aus aufgefädelten Zähnen von Menschen. Das Material, wenn ich mich so ausdrücken darf, zur Herstellung all dieser Schmucksachen liefern den Kannibalen die Leichname der von ihnen erschlagenen Feinde. Herrscht ja doch auf Borneo, Sumatra u. s. w. die greuliche Sitte, dass ein Jüngling von den Ältesten des Stammes erst dann für mannbar erklärt wird, sobald er eine gewisse Anzahl Schädel erschlagener Menschen vorzuweisen vermag — eine Anforderung, welche an die Jünglinge auch bei der Wahl einer Braut, bei gewissen Festen und bei dem Tod eines Häuptlings gestellt wird. Die Rohheit, welche in dieser unser Gefühl auf das tiefste verletzenden Sitte zum Ausdruck gelangt, lässt darauf schließen, dass bei derartigen Kopfjagden Schädel wohl nicht nur im Kampf, sondern auch durch Meuchelmord erbeutet werden.

Ein besonderer Raum, die Goldkammer, welche durch Panzerplatten gegen etwaige Einbrüche gesichert ist, birgt die wertvollsten Gegenstände; so mit Gold und Silber eingelegte Waffen und Schmuckgegenstände, die Reichskleinodien aus dem Nachlass des Sultanats Bandjermasing und kostbare Objekte holländischer Provenienz, die noch aus der Zeit der Ostindischen Kompanie datieren.

Mehrere Stunden hatte ich der Besichtigung des Museums gewidmet und besorgte sodann bis zur Abfahrt nach Buitenzorg, die um 4 Uhr nachmittags erfolgte, noch einige Bestellungen und Einkäufe.

Der Weg von Batavia nach Buitenzorg, den wir in anderthalbstündiger Fahrt zurücklegten, führt zumeist durch kultiviertes Land, insbesondere durch Reisfelder. Er bietet landschaftliche Reize in Fülle, da er unausgesetzt schöne Ausblicke auf den Nordabhang des den Hintergrund dieser Stadt bildenden Gebirges und auf das tropische Vegetationsbild des Vorlandes gewährt.
In Buitenzorg, das wesentlich höher gelegen ist als Batavia, wehte uns angenehme, durch eines der täglichen Gewitter abgekühlte Luft entgegen. Das Sanssouci von Batavia — Buitenzorg bedeutet »Außer Sorge« — ist die Gesundheitsstation der javanischen Hauptstadt und die Lieblingsvilleggiatur der reicheren Stände Batavias. Der erste Eindruck, den wir hievon empfingen, war ein äußerst angenehmer, und wir begriffen sehr wohl, wie reizend ein längeres Verweilen in der lieblichen, am Fuß des Gebirges gelegenen, von immergrüner, üppiger Vegetation umgebenen Niederlassung sein müsse.

Wie in Batavia finden wir auch hier ein europäisches Villenviertel sowie malayische und chinesische Kampongs, nur mit dem Unterschied, dass die Europäer hier noch mehr als dort den Ton angeben. Auch hier dieselbe Reinlichkeit und Nettigkeit, derselbe gemütliche Ton, dieselben Sitten und Gewohnheiten. Ich kam gegen Abend an, als die Bewohner Buitenzorgs eben bei den Klängen einer Militärkapelle unter den großen Bäumen der Hauptstraße lustwandelten, und hatte hier Gelegenheit, viele auffallend hübsche Holländerinnen zu bewundern. Eurasier, das sind Mischlinge von Europäern und Eingeborenen, die sich europäisch kleiden, deren Gesichtsfarbe und Typus aber doch immer vorwiegend malayische Merkmale zeigen, waren in großer Zahl zu sehen.

Das Leben und Treiben in den Straßen Buitenzorgs ist des Morgens und am Abend ein sehr buntes, da die Stadt an der Hauptstraße nach den Preanger Landschaften liegt. Neben schweren, mit Ochsen bespannten Karren, sind es leichtere, von kleinen, schnellen Ponies gezogene Gefährte, die den Wagenverkehr vermitteln; ganze Karawanen halbnackter Kulis, welche auf ihren Schultern Produkte des Landes tragen, ziehen einher; da sieht man Kulis, die mit Reishalmen, mit Paketen von Palmenzucker, mit anderen Lebensmitteln oder mit frischem Gras für Viehfutter schwer beladen sind. Alles das ist ungemein geschickt und sauber verpackt. Die Verpackung, mag sie in der Form von Stäben, Fasern oder Körben erscheinen, ist unabänderlich aus Bambus hergestellt; denn diese Pflanze spielt auf Java geradezu die Rolle des Universalhilfsmateriales, das von den Eingeborenen einfach zu allem verwendet wird; selbst Wasser wird in ausgehöhlten Bambusstöcken getragen.

Das größte und ansehnlichste Gebäude ist die Residenz des Generalgouverneurs, welche in einem weitläufigen Parke liegt, der durch seine schönen Baumgruppen, seine Weiher und Wiesenplätze auffällt. Hier stehen ganze Rudel halbzahmen Axiswildes, das sich durch fahrende Wagen und selbst durch Fußgänger nicht im geringsten scheu machen lässt. Die im Park auf Wache stehenden Soldaten vertreiben sich während des langen einförmigen Dienstes die Zeit, indem sie jene Tiere heranlocken und mit Brot füttern.

Bei Herrn und Frau Pynacker fand abends ein geraume Zeit währendes Diner statt, welchem eine sehr interessante Produktion, ein Wajang, folgte. Der Wajang kann als das eigentliche javanische Theater bezeichnet werden. Man unterscheidet vier Arten des Wajang: den Wajang Wong, in dem maskierte Schauspieler auftreten; den Wajang Kulit (Koelit), in welchem Marionetten aus Leder verwendet werden; den Wajang Karutjil (Karoetjil), worin die Darstellung durch Marionetten erfolgt, welche Kostüme tragen, und endlich den Wajang Beber, in welchem die Rolle der Marionetten durch lange, mit verschiedenen bildlichen Darstellungen bemalte Papierstreifen vertreten wird, die man auf- und abwickelt, um auf diese Weise die dem Gang der theatralischen Handlung entsprechende Szene zur Anschauung zu bringen. Im Wajang Beber wird der musikalische Teil der Produktion durch eine Violine besorgt, während in den anderen Wajangs das javanische Orchester, der Gamelang, ertönt; all diese Aufführungen sind choreographisch-dramatischen Charakters. Die im Wajang Wong agierenden Schauspieler sprechen nicht, sondern begnügen sich mit den durch ihre Rollen vorgeschriebenen Gesten. Die meist in Verse gebrachten, die Pantomime erläuternden Worte werden selbst im Wajang Wong von einem den Zuschauern verborgenen Schauspielmeister, dem Dalang, gesprochen. Sowohl Schauspieler als Marionetten treten in kadenziertem oder tanzendem Schritt, dem Tandak, auf, da hiedurch für das javanische Publikum der feierliche Eindruck der Handlung erhöht wird. Die Stoffe der »Lelakon« genannten, etwa zweihundert an der Zahl betragenden Stücke für die Wajangs sind teils indischen Dichtungen, dem Mahabharata und dem Ramayana, wovon die javanische Literatur einige stark gekürzte Übertragungen besitzt, teils alten javanischen, romantischen Erzählungen entnommen.

Der Handlung dieser Lelakons liegt beinahe immer dasselbe, den verschiedenen Fällen angepasste Thema zugrunde: ein König will die Hand seiner Tochter einem Prinzen gewähren unter der Bedingung, dass dieser eine besonders schwierige und kühne Tat vollbringe; diese gelingt dem Prinzen nicht; nun unternimmt sie ein aus einer feindlichen Dynastie stammender kühner und glücklicher Rivale; inzwischen wird die Prinzessin von einem Riesen geraubt, aber alsogleich von dem Rivalen wieder befreit; der erste Werber fordert sodann den zweiten zum Zweikampf heraus, unterliegt jedoch, und der glückliche Held führt, von dem Segen des Vaters begleitet, die Königstochter heim. Diese romantische Handlung ist je nach den Erfordernissen des einzelnen Falles variiert und ausgeschmückt. Die Aufführungen ziehen sich oft durch die halbe Nacht hin; ja im Wajang Wong am Hof zu Surakarta (Soerakarta) dauern sie nicht selten mehrere Tage lang.

Der uns zu Ehren aufgeführte, für den Wajang Wong vor etwa fünf Jahren verfasste Lelakon ist ein offenbar modernisiertes Produkt, das nur durch indische Namen an die alten Sagen erinnert. Die Schauspieler traten in bunten, phantastischen Kostümen mit Masken auf; den Königen folgten tanzende Sklavinnen. Die Vorstellung mutete uns, besonders da uns die begleitenden Worte unverständlich waren, recht komisch, aber ihrer Fremdartigkeit halber auch fesselnd an. In den Bewegungen und namentlich in den Schritten der Schauspieler war eine gewisse Anmut nicht zu verkennen; insbesondere die Tänzerinnen ersetzten, was ihnen an körperlichen Reizen fehlte, durch Grazie.

Links

  • Ort: Buitezorg (Bogor), Indonesien
  • ANNO – am 12.04.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Gönnerschaften“, während das k.u.k. Hof-Operntheater das Ballet „Die goldene Märchenwelt“ aufführt.

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