Dobo, 26. Juni 1893

Der dicke Posthalter hatte uns den Vorschlag gemacht, den heutigen Tag zu einer Exkursion nach der nördlich von Wammar entfernten Insel Wassir zu machen, da sich, wie er angab, auf derselben Hoch- und Schwarzwild in so großer Anzahl befände, dass wir sicher eine reichliche Strecke erzielen würden.

Des Posthalters Mitteilung über die Jagdgelegenheit auf Wassir wurde uns durch den Kapitän des englischen Perlfischer-Schooners bestätigt; jener war während des Berichtes des Posthalters eben an Bord der „Elisabeth“ gekommen, um hier Salzfleisch zu kaufen, da der Schooner seit Wochen keine Konserven mehr besaß, die Holländer aber ihm solche unter keiner Bedingung ablassen wollten. Dieser „Konservenkrieg“ hatte seinen Grund in der Eifersucht, welche hinsichtlich der Rechte, in den Gewässern von Neu-Guinea und insbesondere an dessen Westküste Perlen zu fischen, zwischen den Niederländern und den Briten beständig herrscht.

Doch, alle Angaben über den Wildreichtum Wassirs in Ehren, sprach auch das Wetter — dieser Hauptregulator aller menschlichen Betätigung — sein Wörtchen drein. Die Aussichten für unsere Expedition waren gar nicht günstig; denn schwarze Wolken umhüllten das Firmament und es goss, als wir um 6 Uhr morgens von Bord abstießen, unaufhörlich in Strömen, als habe der Himmel alle seine Schleusen aufgezogen. Der Regen wurde immer heftiger, so dass wir mitunter selbst die Inseln Wokam und Udjir, an welchen wir mit nördlichem Kurs in der Entfernung von wenigen Kilometern vorbeisteuerten, kaum wahrnehmen konnten.

Meine Begleiter auf der „grauen Fahrt“ waren der Posthalter, welcher heute ein geradezu gigerlhaftes Kostüm zur Schau trug, meine Herren und vom Stab Gratzl sowie Bourguignon.
Dank der Schnelligkeit der Barkasse währte unsere Fahrt nur zwei Stunden lang, und diesmal ging das Landen leicht vonstatten, weil das tiefe Fahrwasser bis an den Strand heranreichte.
Hier lagen fünf Praus, deren Insassen, Bewohner der Insel Wassir, bestellt waren, um uns als Führer und Treiber zu dienen. Die Mehrzahl derselben trug malayisches Gepräge, die übrigen aber waren echte Arunesen, an Papuas erinnernd und doch wieder von diesen unterscheidbar; ihre Gesichtszüge sind weniger wohlgeformt und machen einen, ich möchte sagen, wilderen Eindruck als jene der Papuas. Das Haar, welches bei den eben Genannten in Büscheln steht, ist bei den Arunesen lang und nicht wie bei den Papuas kronenartig emporgebürstet; es wird schlaff herabhängend, in der Art einer Mähne getragen oder in einen Bund geknotet. Von Schmuck war an diesen Wilden wenig zu bemerken; dafür trugen sie schöne Waffen, nämlich Speere mit Eisenspitzen, welch letztere dem Tauschhandel entstammten, und krisartige Messer, deren Schäfte mit Ornamenten aus Zinn oder Silber geziert waren. Die Kleidung beschränkte sich natürlich nur auf einen Schurz.

Ich fühlte mich umso weniger bewogen, angesichts einer so kleinen und selbst da wieder untereinander im Typus abweichenden Schar ethnologische Probleme zu lösen, als selbst die Gelehrten über die arunesische Rasse nicht einig sind. Dies hat seinen hauptsächlichsten Grund in der Tatsache, dass uns die Arunesen als ein Mischvolk erscheinen, dem in früheren Zeiten selbst der Einschlag portugiesischen Blutes zuteil geworden ist, was jedoch keinen verbessernden Einfluss auf die Rasse gehabt hat.

Trotzdem der Platzregen andauerte, entschlossen wir uns, es mit einer Pürsche zu versuchen, da uns der Wildstand in so glänzenden Farben geschildert worden war. Wassir zeigte einen wesentlich anderen Charakter als Wokam; denn überall trat zwar zwischen der reichen Humusdecke korallinischer Kalkstein zutage, hingegen fehlten Moore sowie sumpfige Niederungen völlig. Die Vegetation war jener von Wokam ähnlich, doch nicht so üppig und dicht. Ich pürschte unter Leitung eines Malayen und gefolgt von dem dicken Posthalter, der heute tüchtig cantern musste, drei Stunden lang kreuz und quer über die Insel hin, ohne auch nur ein einziges Stück Wild zu Gesicht zu bekommen. Allerdings gab einmal ein kleiner Hund, der mit uns lief, in meiner Nähe Laut, doch, wie sich zeigte, ohne Ursache, wofür er von dem erbosten Malayen einen unsanften Stoß mit dem Speer erhielt; dann fand ich einige Fährten, späterhin die Waffe eines Keilers — das war aber auch alles.

Als wir, des langen Umherlaufens müde, zu Mittag an der Küste wieder mit den anderen Schützen zusammentrafen, berichteten diese, dass mit Ausnahme Clams, welcher drei Stücke Hochwild ausreißen gesehen, keiner von ihnen etwas Jagdbares erschaut habe. Bourguignon war nicht zur Stelle und stieß erst anderthalb Stunden später zu uns, weil sein Führer natürlich die Direktion verfehlt und ihn lange Zeit hindurch, nach der uns schon geläufigen Art der Eingeborenen, immer wieder im Kreis umhergeführt hatte.

Wir hatten mittlerweile unter einem überhängenden Felsen Schutz vor dem unaufhörlich strömenden Regen gesucht und an dem offenen Feuer, welches wir entzündet hatten, um unser Frühstück zu bereiten, so gut es ging, unsere Kleider getrocknet — eine Mühe, die im Grunde vergeblich gewesen; denn als wir aufbrachen, um nach dem Rat der Eingeborenen noch einen Trieb zu versuchen, wurde unser Gewand binnen weniger Minuten aufs neue vollkommen durchnässt.

Von dem nun beginnenden Trieb versprachen sich die Eingeborenen sehr viel, indem sie erklärten, die eine Hälfte der Insel durchtreiben und uns auf diese Weise Wild zu den Ständen jagen zu wollen; was wir jedoch, fügten sie bei, nicht von den Ständen aus schießen könnten, würde die See annehmen und von der Bemannung der Praus gefangen genommen werden. Ich konnte über die Ansicht, dass sich Hochwild in die See stürzen werde, während ihm doch auf der anderen Hälfte der Insel hinlänglich Raum zur Flucht blieb, nur lachen, allein die Eingeborenen versicherten uns wiederholt, dass es ihnen oft gelungen sei, Hochwild auf diese Art zu fangen. So ließ ich denn der Sache ihren Lauf.

Nach langwieriger Beratung und unter unaufhörlichem Geschrei wurden wir im Wald angestellt und begann der Trieb, der selbstverständlich so wohl ins Werk gesetzt war, dass die Treiber, welche unablässig einen wahren Höllenlärm schlugen, schließlich auf zwei bequemen Wechseln in langem Gänsemarsch aus dem Trieb wieder hervorkamen.

Ich hatte diesmal, ausgenommen zwei Buschhühner, wieder nichts gesehen, doch waren neben mir drei Schüsse gefallen, mit welchen Clam einen sehr flüchtigen Sechserhirsch erlegt hatte. So war doch immerhin etwas auf der Strecke und obendrein frisches Wildpret vorhanden, um die Schiffskost aufzubessern. Der Hirsch erwies sich als eine Varietät jener Art, welche wir in Java vorgefunden hatten (Rusa hippelaphus). Von diesem abgesehen, schien kein anderes Wild in dem letzten Triebe vorhanden gewesen zu sein, und ebenso wenig hatte, wie ich vorausgesehen, irgend ein Stück die See angenommen.

Bei der Rückfahrt hellte sich zum Glück der Himmel ein wenig auf. Wir schifften, nachdem der Regen völlig aufgehört, eine recht hübsche Sammlung von Vogelbälgen und anderen Objekten, welche mir der freundliche Posthalter zum Geschenk gemacht hatte, an Bord der „Elisabeth“ ein und dampften dann unverzüglich gegen Amboinaweiter.

Die Fieberepidemie hatte in Dobo ihren bisherigen Höhepunkt erreicht — der Rapport wies 153 Kranke auf!

Links

  • Ort: Dobo, Aru Inseln
  • ANNO – am 26.06.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Die Grille“, während das k.u.k. Hof-Operntheater vom 1. Juni bis 19. Juli geschlossen bleibt.

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