In See nach Sydney, 9. Mai 1893

Mit Benützung des eingetretenen Flutwasserstandes konnten wir heute bei Morgengrauen den Hafen von Thursday Island, nachdem wir einen Lotsen an Bord genommen hatten, endlich verlassen. Durch die Prince of Wales Passage, an Hammond und Goode Island vorbeisteuernd, wendeten wir uns nordöstlich, um bald darauf südöstlichen Kurs zu nehmen und an der Nordküste von Wednesday Island gegen Cap York und die Albany-Passage zu schiffen. Diesmal kamen wir ganz nahe an dem Wrack des deutschen Dreimasters „Olga“ vorbei, welches auf dem Northwest Reef festsaß. Bekannte Gegenden waren es, die wir bei Cap York wiedersahen.

Als wir, die Albany-Passage durchfahrend, Somerset passierten, ließen wir die Dampfpfeife ertönen und winkten lebhaft mit den Taschentüchern, um unsere Freundin, die „Nichte des Königs von Samoa“, zu begrüßen, doch leider erschien nicht sie, sondern, wie wir durch das Fernrohr wahrnehmen konnten, ein älterer Herr, vermutlich der seinerzeit verborgen gebliebene Hausvater, und hisste die englische Flagge. Auf Fly Point wurden mächtige Säulen, eine ganze Reihe kolossaler Termitenhügel von hellrostbrauner Farbe sichtbar.

Von der Torresstraße nach Sydney führen zwei Seewege. Der eine in offener See im großen Ozean, der andere im westlichen Teile des Korallenmeeres die Küste entlang zwischen dieser und dem großartigen Korallenriff, welches sich der Ostküste Australiens parallel etwa von Cap York bis zum Sandy Cap, das ist vom 10. bis zum 25. Grad südlicher Breite, hinzieht. Dieses Barrier Reef bildet eine beiläufig 1200 km lange, nach Osten hin scheitelrecht ins Meer abfallende Wand wider die Brandung des großen Ozeans und schließt die an der Küste gelegene, durchschnittlich etwa 30km breite Passage gegen den Ostwind vollkommen ab, so dass die See hier fast stets ruhig ist. Dieser von der Natur gebildete Kanal bietet seichtes, von einzelnen tiefen Strömungen durchzogenes Fahrwasser, und zahllose Korallenfelsen, Klippenreihen, Sandbänke, Inselchen engen die Passage an vielen Stellen auf das äußerste ein.

Auch ist die Lotung noch nicht überall vollkommen durchgeführt und hinlänglich verlässlich, so dass vor kurzem erst ein Dampfer an einer nach der Seekarte passierbaren Stelle auf einen Felsen auffuhr und mit Verlust zahlreicher Menschenleben sank. Einzelne Klippen und Untiefen sind zwar mit Baken und Zeichen besetzt; immerhin ist aber ununterbrochene und gespannte Aufmerksamkeit erforderlich und bei eintretender Dunkelheit der Dienst eines Lotsen unentbehrlich, weil sowohl die in den Seekarten als auch die in den Segelhandbüchern enthaltenen Daten über die Strömungsverhältnisse unzureichend sind und die Baken, sowie die Zeichen meist nur aus Stangen mit Körben oder aus hölzernen Pyramiden mit Rösterwerk bestehen, die nachts nicht wahrgenommen werden können. Der Kommandant entschloss sich zur Fahrt durch die Riffe, der Route folgend, welche von manchen Dampfern eingeschlagen wird. Ich wusste ihm viel Dank dafür; denn diese Fahrt ist landschaftlich weit schöner und interessanter als jene in offener See, wo uns außerdem der sehr frische Südost-Monsun tüchtig umhergeschaukelt hätte und wir wahrscheinlich den größten Teil der Reise bei steifem Gegenwind gegen hohe See hätten aufdampfen müssen.

Kaum hatten wir die Albany-Passage hinter uns und die Newcastle Bay erreicht, so frischte der Wind bedeutend auf, ohne sich jedoch recht entwickeln zu können, so dass die See verhältnismäßig ruhig blieb. Im Osten stiegen Gewitterwolken auf, die sich aber bald verzogen und uns ungestört ließen.

Die in Thursday eingeschiffte australische Kohle machte sich durch ihre schlechte Qualität sehr unangenehm bemerkbar, so dass das Schiff unaufhörlich in einen dichten Qualm gehüllt und am Achterdeck, unserem gewöhnlichen Aufenthaltsort, ein Verweilen unmöglich war; ja selbst in alle Kabinen drang Kohlenstaub ein. Dafür wurden wir durch das schon recht fühlbare Sinken der Temperatur sehr angenehm berührt und konnten uns nach langer Zeit endlich wieder eines angenehmen Schlafes in den Kabinen erfreuen.

Die Fahrt längs des Barrier Reefs gestaltete sich sehr interessant: denn steuerbord war in der Entfernung weniger Meilen stets die Ostküste des australischen Kontinents mit den ihr vorlagernden Eilanden, Korallenriffen und Banken sichtbar, welche zumeist nur nackte. vom Salzwasser geschwärzte Felsen oder hellfarbige Sanddünen, zuweilen aber auch die grünliche Decke niederen Buschwerks aufwiesen. Um dieses Gewirr von Bänken, Klippen und Inseln ohne Unfall passieren zu können, mussten wir den Kurs sehr häufig wechseln. Die Küste des Festlandes selbst erschien anfangs ziemlich flach und zeigte bald ödes, spärlich bewachsenes Land, bald wieder lange, nur mit weißem Sande bedeckte Strecken, die bei Sonnenglanz wie Schneefelder glitzerten. Späterhin zeigten sich Hügel mit reicherem Baumwuchs.

Gegen 1 Uhr nachmittags fuhren wir an den kleineren Inseln Hushy und Cairncross vorbei, welche in den Herbstmonaten zahlreichen Taubenschwärmen als Aufenthalt dienen sollen; später wurden die Inseln Halfway, Macarthur und Bird passiert. Hierauf kam das vorspringende Gap Grenville mit der Gruppe der Home-Inseln, links das langgestreckte Cockburn-Riff in Sicht.

Wir waren eifrig damit beschäftigt, die tagszuvor gefischten Korallen, welche in acht großen, mit Süßwasser gefüllten Bottichen aufbewahrt waren, zu reinigen und zu sortieren; jetzt erst, nachdem der Schlamm und die vielen anhaftenden Schmarotzer-Tiere und -Pflanzen entfernt waren, konnten wir genau ermessen, welch reichen Beutezug an schönen und mannigfaltig geformten Kuriositäten wir auf dem Korallenriffe gemacht hatten.

Nach 7 Uhr abends kam eines der wenigen in dieser Straße befindlichen Leuchtfeuer in Sicht, welches am Nordrand des Ai Reef gegenüber den Piper-Inseln angebracht ist. Obwohl die Nacht sternenhell war, unterschieden wir doch die kleineren Inseln und Riffe nicht mehr und mussten, nur auf Kurs und Peilung angewiesen, knapp an einem gefährlichen Riffe Kurs wechselnd, direkt auf das Leuchtfeuer zusteuern, das wir auf wenige hundert Meter passierten. Da auch die Baken und Zeichen nicht mehr sichtbar waren und wir in enge Passagen kommen sollten, war es ein Gebot der Vorsicht, um 9 Uhr zwischen der Insel Forbes und Fair Cap und den Kangaroo Shoals vor Anker zu gehen, um hier den Tagesanbruch abzuwarten.

Links

  • Ort: nächst Forbes Island
  • ANNO – am  09.05.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt “Don Carlos”, während da k.u.k. Hof-Operntheater die Oper “Der Wildschütz” aufführt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Solve : *
9 × 4 =


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.