Jaipur, 6. März 1893

Dschaipur ist durch die daselbst üblichen Tierkämpfe berühmt, welche in dem Maharadscha einen eifrigen Förderer finden. Dieser hält für jenen Sport einen ganzen Zwinger von Tieren, die zu den Kampfspielen ganz besonders trainiert werden. Früher dauerten die Kämpfe stets bis zur Kampfunfähigkeit, bis zum völligen Unterliegen des einen der Streiter, was sich jedoch dank dem Einfluss der Engländer, welche bestrebt waren, die Kämpfe ihres blutigen und grausamen Charakters zu entkleiden, insofern geändert hat, als nunmehr die Tiere knapp vor dem entscheidenden Moment getrennt werden. Uns zu Ehren wurde heute eine ganze Suite von Tierkämpfen der verschiedensten Art aufgeführt.

In dem Hof, wo tags zuvor die Pferde des Marstalles produziert worden waren, standen, zum Strauß bereit, die verschiedensten Tiere. Wie schon in Alwar mussten auch hier allerlei befiederte Recken — Wachteln, Reb-, Stein- und Haushühner — ihre Kräfte messen. Die wildesten Leidenschaften dieser, zum Teil äußerst zierlichen Kämpfer waren, ebenfalls wie in Alwar, durch den Anblick und die Lockrufe des ewig Weiblichen, Hennen in Käfigen, entflammt.

Je mehrere Paare von Black-bucks, Gazellen und Schweinshirschen — letztere besonders erbitterte Streiter, die wütend aufeinander losstürzten, so dass weithin das Aneinanderschlagen der Gehörne schallte — fochten grimmig. Auch Widder und mächtige Sambarhirsche, die nur mit Anstrengung getrennt werden konnten, sowie Büffel, Mauerbrechern gleich daherstürmend, betraten die Wahlstatt. Einen Glanzpunkt des Schauspieles bildete der Kampf zwischen Wildschweinen, wobei paarweise alle Altersstufen, von Frischlingen angefangen bis zu kapitalen, achtjährigen Keilern, ringen mussten, welch letztere mit derselben Erbitterung kämpften, die man zur Rauschzeit auch in unseren Tiergärten beobachten kann.

Zu unserer besonderen Überraschung mussten auch zwei Elephanten in einem Hof des Palastes ihre Kräfte miteinander messen. Zur Veranstaltung solcher Kämpfe hält der Maharadscha etwa zwölf ungezähmte Elephanten, deren jeder, an den vier Füßen gefesselt, in einem eigenen Stall untergebracht ist; diese wilden Gesellen dürfen nie mit zahmen Tieren in Berührung kommen. Elephantenkämpfe finden nur an ganz besonderen Festtagen statt, an welchen die Kämpen durch allerlei Mittel in besonders gereizte Stimmung versetzt und überdies mit roter Farbe bestrichen werden. Dieser Farbe schreibt man hier wohl die Fähigkeit zu, auf die Elephanten eine ähnliche Wirkung wie auf Stiere auszuüben. Für diese Kämpfe ist ein mit Sand wohlbestreuter, sicher umfriedeter Hof bestimmt, an dessen einer Seite der Maharadscha von einem erhöhten Pavillon aus das Schauspiel genießt, während innerhalb der Arena Galerien angebracht sind, unter welche, durch niedrige Türen schlüpfend, jene Leute sich bergen können, denen die Aufgabe gestellt ist, die Tiere zum Kampf zu reizen.

Auf ein Zeichen des Maharadschas öffnete sich ein Tor, aus dem ein mächtiger, mit gewaltigen Stoßzähnen bewehrter Elephant in den Kampfplatz trat, erstaunt um sich blickend und langsam den rot gekleideten Leuten folgend, die ihn durch Geschrei, Steinwürfe und Schwenken von Tüchern zu erbosen suchten und, sobald der Elephant sich näherte, sofort in die Rettungsplätze verschwanden. Endlich sah das kluge Tier das Nutzlose seiner Bemühungen ein und blieb in der Mitte des Hofes ruhig stehen. Nun wurde aus einem anderen Tore hervorschreitend ein zweiter Elephant sichtbar, und sofort gingen die Tiere hochtretend im Trabe mit erhobenen Rüsseln und aufgestellten Ohren auf einander los. Dröhnend prallten sie mit den Köpfen zusammen, suchten sich mit den Rüsseln zu fassen, attackierten sich mit den Stoßzähnen in der Flanke, so dass der eine den anderen fast in die Luft hob, und jagten sich im Hof umher.

Unserer gespannten Erwartung auf den weiteren Verlauf des Kampfes wurde jedoch ein vorschnelles Ende bereitet, da der um das Wohl seiner Elephanten sehr besorgt scheinende Maharadscha, sobald der Kampf ernster zu werden begann, die Tiere trennen ließ. Dies gelang nur mit großer Mühe und unter Zuhilfenahme von Feuerwerkskörpern, die, zwischen die Kämpfenden geworfen, in Brand gerieten. Übrigens geht es bei diesen Schauspielen nicht immer so glatt ab; mitunter ist auch der Verlust von Menschenleben zu beklagen, da es den wütend gemachten Tieren zuweilen gelingt, eines oder des anderen ihrer Wärter habhaft zu werden; erst kürzlich wurden bei einem derartigen Kampf mehrere Leute getötet.

Noch während der Produktion war die Botschaft eingelaufen, dass etwa 19 km von der Stadt ein Tiger bestätigt worden sei. Wir brachen alsbald auf, legten teils zu Wagen, teils zu Pferd denselben Weg, den wir am vorgestrigen Tage kennen gelernt hatten, bis zur alten Stadt Amber zurück und bogen dann rechts in ein Seitental, in dem wir dank dem guten Boden die restlichen 16 km fast ganz im Galopp nehmen konnten. Das Jagdterrain — eine bewachsene Ebene, die aus weiter Entfernung gegen die mit Wehren besetzten Höhenränder zu abgetrieben werden sollte — ähnelte jenem, auf welchem die erste missglückte Tigerjagd stattgefunden hatte, und auch heute bemerkte ich zu meinem Schrecken ähnliche kunstvolle Vorbereitungen, Hochsitze und Parkanlagen, wie bei jener ersten Jagd, so dass ich mich auf das gleiche Ergebnis gefasst machte. Der Trieb währte überlang, ohne dass der Tiger sich hätte blicken lassen. Ich bekam nur — das einzige Intermezzo der Jagd — eine Hyäne zu Gesicht, die erste, welche ich in Indien gesehen.

Ein rascher Ritt brachte uns gerade noch rechtzeitig in die Residenz zurück, um uns für das bei dem Maharadscha um 8 Uhr angesagte Bankett in Gala werfen zu können. Ich hatte zwar ersucht, von dieser Festlichkeit Umgang zu nehmen, doch bestand der Maharadscha auf derselben, nicht nur weil auch die Fürsten, welche ich vorher besucht, mich in dieser Weise gefeiert hatten, sondern insbesondere. weil er sich verpflichtet fühlte, des unbefriedigenden Erfolges der Jagden halber ein übriges zu tun. Die mit Lampions und kleinen Öllämpchen taghell erleuchteten Höfe des Palastes durchschreitend, betraten wir die geräumige Säulenhalle, in welcher die Tafel gedeckt war und der Maharadscha mich empfing. Leider zog er sich nach der Begrüßung zurück, da ihm als Hindu seine religiösen Satzungen die Teilnahme an dem Mahl, bei dem ich zwischen Mrs. Peacock und einer ihrer Töchter saß, verwehrten. Er erschien erst zum schwarzen Kaffee wieder in der Halle, worauf die üblichen vier Toaste — an Stelle des Maharadschas sprach dessen Minister — gehalten wurden.

Nach dem Diner produzierte sich in einem glänzend beleuchteten Hof das gesamte Balletcorps von Dschaipur mit seinen monotonen Tänzen und Gesängen. Die Bürde der Regierung scheint den Maharadscha kaum besonders zu drücken; man sollte vielmehr glauben, dass ihm seine einen abgesonderten Teil des Palastes bewohnende Armee von Frauen, wie man sagt 5000 an der Zahl, weit quälendere Sorgen bereitet. Jedenfalls sucht und findet der Maharadscha darin Zerstreuung, dass er allabendlich bis zum Morgengrauen in einem der Palasthöfe den Produktionen der Tänzerinnen beiwohnt.

Ein Feuerwerk markierte den Schluss des Festes. Lächelnd weidete sich der Maharadscha an dem Anblick der Raketen, Schwärmer. Sonnen, bengalischen Lichter, an dem Krachen, Sprühen und Zischen der aufleuchtenden Fronten, und in heiterster Laune machte er uns auf pyrotechnische Effekte aufmerksam, die sein Wohlgefallen besonders erregten.

Dann nahmen wir Abschied von dem liebenswürdigen, gastfreundlichen Maharadscha, nicht ohne die Taschentücher neuerlich dem Sandelöl und die Uniformen der besonders für die Goldsorten abträglichen Einwirkung feuchter Blumenkränze preisgegeben zu haben.

Links

  • Ort:  Jaipur, Indien
  • ANNO – am 06.03.1893 in Österreichs Presse. Der Kaiser hörte die Messe in einer kleinen Kapelle in Montreux, Schweiz. In Spanien wird gewählt.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Fromont junior und Risler senior“,  während das k.u.k. Hof-Operntheater Massenets Oper „Werther“ aufführt.

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