Katni, 23. März 1893

Mit Spannung warteten wir auf die Berichte, die erst gegen 9 Uhr morgens einliefen und günstig dahin lauteten, dass ein Tiger bestätigt sei. In der Nähe des Platzes, wo ich am 20. März einen Tiger erlegt hatte, trafen wir in einem von hohen Bäumen umgebenen Grasdschungel den Kreis schon formiert an. Hodek, der sich die Erlaubnis erbeten hatte, mit den Schikäris vorauszureiten, rief uns schon von weitem zu, dass im Kreis ein sehr starker Tiger sei, den er genau gesehen habe, da der Tiger beim Einkreisen auf wenige Schritte vor seinem Elephanten aufgesprungen sei. Kaum auf meinem Stand, sah ich schon, dass sich das Gras vor mir bewegte, ja mein Jäger behauptete sogar, den Tiger genau gesehen zu haben. Leider rief mich plötzlich der Resident in der besten Absicht von meinem Stand ab und postierte mich gerade gegenüber auf eine Stelle, die mir einen weit ungünstigeren Ausschuss bot als die erste.

Einige Sekunden später erblickte ich den Tiger vom Gras gedeckt vorwärts schleichen und ließ mich verleiten, zu schießen, worauf er brüllend gegen Wurmbrand flüchtete, von diesem eine Kugel erhielt und, gegen mich zurückstürzend, von mir mit drei Kugeln gestreckt wurde. Nun ging’s gleich an eine genaue Untersuchung, weil Wurmbrand und ich von derselben Seite her geschossen hatten; zu meinem Bedauern wies der Tiger auf dieser Seite nur eine Kugel auf, über welcher meine drei Fangschüsse saßen. Da der Tiger bei Wurmbrand auf dessen Schuss hin gestürzt war, hatte ich offenbar gefehlt und muss gestehen, dass mich diese Tatsache doch mit einem gewissen Schussneid erfüllte, da der Tiger ein besonders starkes, schön gefärbtes Männchen war. Der alte Herr musste schon einmal eine Affaire mitgemacht haben; denn wir fanden zwischen Hals und Blatt eine ganz eingekapselte Rundkugel größten Kalibers, die ihm seinerzeit gewiss viel Unannehmlichkeiten bereitet haben dürfte.

Die Eingeborenen schienen, da in den letzten drei Tagen vier Tiger gefallen waren, ohne dass ich einen derselben erlegt hatte, mit dem Resultat der Jagd nicht einverstanden; sie eilten daher sofort ins Lager, wohin wir ihnen eine Stunde später folgten, zurück, um nachmittags einen Panther aufzusuchen, der in südlicher Richtung vom Lager gerissen hatte. Bei dem Eintreffen im Lager hieß es jedoch, der Panther sei nicht gefunden und als Ersatz für die Jagd auf diesen könne ein General-shooting unternommen werden.

Als wir uns zu diesem rangierten, fiel mir auf, dass hinter der Linie einige Leute Feuer anzündeten, um einen im hohen Dschungel sichtbaren Bau auszuräuchern. Auf mein Befragen wurde mir bedeutet, es handle sich hier nur um eine Spielerei der Leute, worauf wir beruhigt von dannen zogen, eine Ebene am Rand eines größeren Flusslaufes durchstreifend, in der ich wieder eine der schönen Bengal-Trappen mit weißen Flügeln, einen kapitalen Schweinshirsch mit hohem, starkem Geweih und zwei Zibethmarder, sowie verschiedenes kleineres Wild erlegte.

Leider entkam uns eine alte starke Hyäne auf eigentümliche Art. Ich passierte eben ein hohes Grasdickicht, als einige Elephantenführer in meiner Nähe mir auf nepalisch etwas zuriefen und gleich darauf unter Schreien und Gestikulationen ein Stück Wild verfolgten, das sie auch bald eingekreist hatten. Ich frug den neben mir reitenden Residenten, was es sei, worauf mir dieser bedeutete, es sei nur ein Zibethmarder, den man in dem Gras nicht erblicken könne, weshalb ich auch nicht zu der Stelle reiten möge, wo das Tier stehe, da ja doch jedes Bemühen vergeblich sei. Infolge dessen meinen Weg fortsetzend, gerieth ich jedoch in nicht eben freudiges Erstaunen, als ich, zurückblickend, aus dem Dickicht, welches früher leicht zu erreichen gewesen wäre, eine gewaltig große Hyäne springen und flüchtig werden sah. Ihr eine Kugel nachzusenden, verwehrte mir der Umstand, dass sich zwischen der Hyäne und meinem Standpunkt Leute und Elephanten befanden. Clam und Crawford vermochten nur auf weite Distanzen einige erfolglose Schüsse abzugeben.

Als die Jagd beendet war, brachten uns Leute zwei junge Hyänen ins Lager, die sie aus dem Bau, den ich schon bei Beginn der Jagd wahrgenommen, ausgeräuchert und erschlagen hatten; somit hatte ich Ursache, hinterdrein ärgerlich zu sein, über das in jenem Bau steckende Wild die Wahrheit nicht erfahren zu haben, da ich mit großem Interesse dem Ausgraben der jungen Hyänen beigewohnt hätte. Die beim Streif aufgetriebene Hyäne dürfte die Mutter der Jungen gewesen sein, welche bereits die Größe eines ausgewachsenen europäischen Fuchses hatten. Abends statteten wir noch dem Lager unserer Elephanten einen Besuch ab, um sie bei ihrem Abendessen zu beobachten.

Links

  • Ort: Katni, Nepal
  • ANNO – am 23.03.1893 in Österreichs Presse. Die Neue Freie Presse berichtet über die große Anteilnahme der Bevölkerung am Begräbnis von Jules Ferry in Paris.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Bernhard Lenz“, während das k.u.k. Hof-Operntheater „Die Königin von Saba“ aufführt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Solve : *
19 × 24 =


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.