Siriska, 23. Februar 1893

Dichter Nebel bedeckte das Tal, als ich aus meinem Zelt trat; der Regen hatte zwar aufgehört, aber von den Bäumen träufelte es noch und alles schwamm im Wasser. An Tigerjagd war nicht zu denken, da die nur früh morgens mögliche Bestätigung eines Tigers durch den Nebel ausgeschlossen war.

Gegen 11 Uhr begann der Nebel endlich zu sinken, die Spitzen der Berge wurden sichtbar, der Himmel lächelte blau und die Sonne glänzte freundlich, so dass der Head-Schikäri eine Jagd mit Falken und Luchsen (Caracals) arrangieren konnte, die aber besser gemeint war, als sie tatsächlich ausfiel. Die Falken zeigten sich als ungeschickt und wenig abgerichtet, da sie auf die zahlreich aufstehenden Hühner nicht recht stoßen wollten, während die Caracals die Hasen, welche sie jagen sollten, wenig beachteten und nach einigen Sätzen zu ihren Herren zurückkehrten.

Inzwischen waren Sambars und Nilgaus bestätigt worden, die mich der Oberstjägermeister aufforderte, anzupürschen. Zu seinem größten Erstaunen überließ ich erstere Wurmbrand, letztere Kinsky. der damals, als wir die verpönten Nilgaus in Bhartpur geschossen, in heftigem Fieber gelegen war. Kinsky erbeutete auch nach langer Pürsche ein Nilgau und schweißte ein zweites stark an, während Wurmbrand leider unverrichteter Dinge heimkehrte.

Mit den anderen Herren führte ich eine große Durchstreifung des ganzen Tales aus, wobei wir alle kleinen Bodenerhebungen, alle Dschungel und Lehnen absuchten und in vier Stunden 80 Hühner und Sand grouse zur Strecke brachten. Prónay und ich schossen außerdem je einen Indischen Wüstenfuchs (Vulpes leucopus); auch ein Schakal fiel mir unter ungewöhnlichen Umständen zur Beute. Wir hörten lautes Bellen und Heulen von Schakalen und erblickten, über einen Hügel streifend, in der Ebene acht Schakale, die einer ranzigen Fee folgten. wobei sie ein Höllenkonzert aufführten, sich jagten und bissen, dass jeden Augenblick einige von ihnen übereinanderkollerten. Ich ließ unsere Treiberlinie halten und pürschte, wie es eben ging, vor, aber leider war die Ebene ohne gute Deckung, so dass ich nicht näher als auf 400 Schritte herankommen konnte. Clam und Prónay bemerkten dies, letzterer lief den Schakalen zu Fuß vor, während Clam auf einem Pony reitend mir dieselben zutrieb. Das Hauptrudel änderte leider die Direktion und passierte außer Schussweite; dagegen kamen zwei Schakale in voller Flucht, gefolgt von Clam, auf 100 Schritte an dem Stein vorüber, hinter dem ich mich notdürftig gedeckt hatte, so dass es mir gelang, einen Schakal mit der Kugel zu roulieren.

Wir waren noch im eifrigsten Jagen begriffen, als ein Schikäri meldete, es seien in den nächstgelegenen Vorbergen Tiger gesehen worden. Natürlich wurde alsbald das Feuer eingestellt. Wir galoppierten nach dem Lager, wo unserem Medicus Dr. Bem ein tragikomisches Missgeschick widerfuhr. Auch er hatte stolz ein Ross bestiegen: doch endigte dieses kühne Vorhaben sehr bald mit einer Berührung der Erde, wobei sein Pferd überdies boshaft genug war, ihn gerade über einer dichten Kaktushecke abzuschütteln, so dass er mit Stacheln bedeckt ins Zelt wankte. Daselbst sank er auf das Bett, ein Bild des Jammers, wehklagend, ein Dorn sei ihm in die Lunge gedrungen und eine schwere Krankheit, die ihn wochenlange ans Schmerzenslager fesseln werde, stehe bevor; ja selbst der Tod könne ihm hier, ferne von der Heimat, in der Wildnis nahen, wo keine teure Hand ihm das brechende Auge schließen würde. Tief ergriffen von solch düsteren Bildern und stöhnend lag der Ärmste da. Wir aber umstanden ihn voll Mitleid und doch wider Willen hellauflachend; denn in unverfälscht böhmisch-deutschem Akzent entrangen sich diese Seufzer und Klagen der gequälten Brust. Endlich waren durch den englischen Kollegen zwanzig große Stacheln aus dem Körper des tapferen Reiters entfernt, der nun frei und getröstet aufatmete, von Krankheit und Tod nichts mehr wissen wollte, sondern bald guter Dinge war. Nur hatte er, nach dem Grundsatz, dass, wer den Schaden hat, für den Spott nicht zu sorgen braucht, die Kosten der Unterhaltung während des Abends zu bestreiten.

Links

  • Ort:  Sariska, Indien
  • ANNO – am 23.02.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt die Komödie „Der Unterstaatssekretär“,  während das k.u.k. Hof-Operntheater wieder einmal „Die Rantzau“ aufführt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Solve : *
14 − 9 =


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.