Tjiandjur—Tanggeng, 17. April 1893

Mit dem heutigen Tag begann die Jagdexpedition nach Tjipandak, welche uns durch die Urwälder der Preanger Landschaften führen sollte. Schon vor 5 Uhr morgens wurde Reveille geblasen, und bald darauf ging der Extrazug ab, der uns binnen einer halben Stunde nach Tjibeber brachte. Hier hieß es von unseren bisherigen Begleitern und dem Residenten Abschied nehmen und uns der Führung Herrn Kerkhovens sowie des Barons van Heeckeren van Walien, der beiden Hauptarrangeure der Jagden, anvertrauen, welche uns mit den Pferden erwarteten, deren wir uns von hier aus bedienen sollten. Nachdem Sattelung und Zäumung untersucht worden waren, setzte sich die Karawane in Bewegung; das nötige Gepäck war schon tagszuvor durch Kulis vorausgeschickt worden.

Unsere Cavalcade war recht eigentümlich zusammengestellt und hätte wohl manchem europäischen Beschauer ein Lächeln entlockt. An der Spitze des Zuges ritt ein einheimischer Beamter mit zwei Dorfräten auf ganz kleinen Ponies; dann kam ich mit den Herren der Begleitung, wir alle in den „tropischesten“ Kostümen auf vorzüglichen, von den beiden Pflanzern beigestellten Pferden; die Queue der Kolonne bildeten unsere Diener, deren mehrere heute zum ersten Mal zu Pferd saßen und sich auf ihren zappelnden Sandelhout-Ponies recht komisch ausnahmen, ferner Hodek und sein Gehilfe, sowie eine große Schar von Dorfräten mit goldverzierten Hüten und in halb holländischer, halb javanischer Adjustierung.

Bei sehr schönem, verhältnismäßig nicht warmem Wetter ging’s im Gänsemarsch dem Gebirge zu. Da wir anfangs eine kleine Ebene durchritten, hätte ich gerne einen Trab angeschlagen; doch wies Herr Kerkhoven darauf hin, dass das coupierte Terrain, in dessen Bereich wir demnächst gelangen sollten, den ganzen Tag hindurch nur Reiten im Schritt gestatte. Diese Perspektive entzückte mich umso weniger, als wir einen langen Marsch von 47 km zurückzulegen hatten. In der Tat begann nach kurzer Zeit der Weg steil bergan zu gehen; die Straße wurde steinig und für unsere Pferde recht schwierig.

Im Lauf des Tages fanden wir für das unausgesetzte Reiten im Schritt in der Pracht der Gegend, welche wir durchzogen, reichliche Entschädigung. Die einförmigen Reisfelder der Ebene hatten ein Ende genommen und eine Vegetation ganz anderen Charakters umfing uns. Wo sich nicht Kaffee- oder Chinabaum-Plantagen befanden, ragte herrlicher Urwald auf. Hinter uns lag die Kultur, vor uns die Natur! Da standen zu beiden Seiten der Straße himmelhohe Rasamala-Bäume (Altingia excelsa, zur Familie der Hamamelideen gehörig), deren bis zu 45 m emporwachsende Stämme nächst dem Teak-Baume das beste Zimmerholz liefern; Palmen aller Arten; Bananen und Banianen; Urostigma-Arten(Urostigma religiosum, altissimum); allerlei niedere Unvaldbäume, wie Ficus valida, obovata, javanica und Myristica-Arten; dichte Gruppen von Bambusaceen u. s. w. Dazwischen wuchern auf das üppigste kraut- oder baumartig alle erdenklichen Farne und in reichster Blütenpracht und in hunderterlei Formen Orchideen, malayisch Angrek genannt. Hier sah ich zum ersten Mal solche Pflanzen im Freien blühen und schwelgte in dem Anblick der fast überreichen Fülle zauberhaft schöner Blüten.

Der Weg schlängelt sich unablässig bald über Höhen, Kämme. Sättel hinab in grüne Täler, bald steil empor zu schroffen Bergen; die Straße scheint trotz ihrer Breite nie von Wagen befahren, sondern nur von Reitern und Fußgängern benützt zu werden. Die Erhaltung der Straße ist wegen der bedeutenden Steigungen und der starken Regengüsse dieser Zone eine außerordentlich schwierige; alle 4 m bis 5 m steht ein mit einer Nummer versehener Stein, der je die Strecke bezeichnet, welche partieweise von den Bewohnern der nächstgelegenen Dörfer zu erhalten ist.

Von Zeit zu Zeit erblickt man, insbesondere wo Plantagen nahe sind, kleinere Ansiedlungen, die, ganz aus Bambus gebaut, einen netten, freundlichen Eindruck machen und der vielen Regen halber fast ausnahmslos auf Pfählen angelegt sind. Trotz der Wildnis, in der wir uns befanden, waren Ausläufer der Kultur auch schon in diese Dörfer gedrungen; Beweis dessen, dass ich in einem der Häuser eine Singer-Nähmaschine vorfand!

Die Bevölkerung dieses Gebietes scheint noch devoter zu sein als jene im nördlichen Teil; denn schon in großer Entfernung von uns nahmen hier alle, ihre Ehrfurcht zu bezeigen, die übliche hockende Stellung ein, wobei Kopf und Blick gesenkt gehalten wurden, als sei niemand würdig, uns in das Antlitz zu sehen.

Ich ritt auf dieser Tour einen alten, aus Australien importierten Schimmel Namens „Ratu“, der mich trotz seines hohen Alters in einer Art Schnellschritt in 4 1/2 Stunden zu den Cinchona-Plantagen in Sukanagara (Soekanagara) brachte. Hier lud uns der Administrator Herr Vlooten ein, in seinem sehr nett eingerichteten, ebenerdigen Haus bei einem Frühstück zu rasten. Mit großem Vergnügen nahm ich das freundliche Anerbieten an und verweilte eine halbe Stunde in dem Herrenhaus zu Sukanagara, in dem ich zu meinem Erstaunen auch einen Ofen vorfand. Auf mein Befragen erklärte mir Herr Vlooten, es sei hier in 877 m Höhe über dem Meer besonders des Morgens im August zuweilen so kühl, dass er sich gezwungen sehe, zu heizen. So nahe am Äquator hatte ich dies nicht für möglich gehalten!

Wieder im Sattel, traten wir, die ausschließlich mit Cinchona bebaute, ziemlich ausgedehnte Plantage hinter uns lassend, in den Urwald ein. Wir hatten in Sukanagara Pferde gewechselt und ich ritt nun eine zierliche, von Baron van Heeckeren gezogene Vollblutstute, die früher auf der Rennbahn manchen Preis davongetragen hatte.

Kaum im Wald, wurden wir an die noch herrschende Regenzeit durch einen heftigen Guss erinnert; zuerst fielen schwere Tropfen und endlich ging ein tüchtiges Gewitter nieder, welches durch seine Wucht im Verlauf einer halben Stunde alle Rinnsale, Bäche und Flüsse so anschwellen ließ, dass wir nur mit aller Mühe zwei sonst ganz harmlose Flüsschen zu passieren vermochten. Das erste Wässerchen, der Tji Djampang, konnte eben noch durchritten werden, obgleich die hochgehenden Wellen beinahe über uns und den Pferden zusammenschlugen: beim zweiten, dem Tji Lumut, war an ein Durchreiten nicht mehr zu denken; wir mussten uns auf einem Bambusfloß übersetzen lassen, während die Pferde, am Zügel gezogen, die Strömung durchschwammen.

Ich bemerkte hier zwei große schwarze Affen von der Art, welche die Javanen Budeng nennen (Semnopithecus maurus), in dem Geäst eines hohen Baumes, woselbst die langschwänzigen Vierhänder Schutz vor dem Wetter gesucht hatten. Die Regenströme weichten den Weg auf, der lehmige Boden wurde äußerst glatt und für die Pferde schwierig, so dass wir nur langsam fortkamen. Der Urwald hatte nun stellenweise aufgehört und holzfreien Lehnen und Bergabhängen Platz gemacht, die mit Alang dicht bewachsen waren.

Gegen Abend passierten wir noch auf einer hohen, gedeckten Brücke den Tji Buni (Boeni), der wie einer unserer heimatlichen Gebirgsflüsse schäumend über die Felsen toste und sich endlich in einer engen Klause unseren Blicken entzog. An dem jenseitigen Ufer winkte mitten aus dem Grünen das Dörfchen Tanggeng entgegen, wo uns das Gouvernements-Bungalow, malayisch Passang Rahal, eine Herberge für Regierungsbeamte, die Nacht über aufnehmen sollte. Gamelang-Musik ertönte am Eingange des Ortes, während eine Schar von Dorfschönen der Freude über unsere Ankunft dadurch Ausdruck gab, dass sie lachend und singend mit Bambusstäben auf einen hohlen Holzklotz loshieb, demselben auf diese Art brummende Weisen entlockend.

Dieses Rasthaus ist ebenfalls nur aus Bambus gebaut und hatte gerade Raum genug für unser sechs — mich, Wurmbrand, Prònay. Clam, Kerkhoven und Heeckeren — während das Gefolge auf der Veranda übernachten musste; hinter dem Haus sind einfache Stallungen für Pferde angebracht.

Wir vertauschten unsere völlig durchnässte Kleidung mit trockenen Gewändern, nahmen ein frugales Mahl und saßen rauchend noch durch kurze Zeit auf der Veranda, während aus der Ferne die an unsere südslavische Musik erinnernden Töne des Gamelang erklangen. Dann ging es, da wir einen starken Marsch hinter uns hatten, zu Bette. Das eintönige Zirpen einer großen javanischen Heuschrecke und das leise Summen einer Unzahl von Käfern, Schmetterlingen und anderen Insekten, die alle im Hause Schutz vor dem Regen gesucht hatten, wiegten uns in erquickenden, wohlverdienten Schlummer.

Links

  • Ort: Tanggeng, Indonesien
  • ANNO – am 17.04.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Die neue Zeit“, während das k.u.k. Hof-Operntheater das Ballet „Cavalleria Rusticana“ aufführt.

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