Singapur, 15. Juli 1893

Einem heute eingelangten Telegramm Coudenhoves entnahm ich, dass der siamesische Minister des Äußern erklärt habe, es werde zwar vorgesorgt werden, mich in der denkbar besten Weise zu empfangen, doch sei man in Siam über den weiteren Verlauf der vorliegenden Komplikationen gänzlich im Unklaren. Im Hinblick hierauf entschloss ich mich mit schwerem Herzen, den höheren diplomatischen Rücksichten Rechnung zu tragen und darauf zu verzichten, durch einen, wenn auch nur kurzen Aufenthalt in Bangkok Einblick in die Verhältnisse des Königreiches Siam zu gewinnen — eines Staates, den auch nur flüchtig kennen zu lernen von höchstem Interesse gewesen wäre.

Die Heimat einer mehr als tausendjährigen, autochthone Elemente mit indischen und chinesischen Formen verschmelzenden Kultur, hat Siam, das einzige noch unabhängige Reich auf der hinterindischen Halbinsel, den Charakter orientalischer Selbstherrschaft rein bewahrt. Das Gebiet des „Herrn der weißen Elephanten“ wusste sich der Machtsphäre der Staaten Europas bisher zu entziehen und europäischen Einflüssen nur so weit zu erschließen, als dies unbeschadet seiner nationalen Eigenart zulässig gewesen ist.

Der Besuch des Königshofes von Siam, die Betrachtung des seltsamen, üppigen Architekturbildes, welches Bangkok, das „asiatische Venedig“, seine Tempel und Palastzimmer bieten, die Anschauung siamesischer Kultur, Kunst und Sitte und die meinem Sammeleifer gewiss förderlichen Jagden in den Hügelwäldern und Auen des Landes — alles dieses mit einer Reihe schöner, lehrreicher, jagdfroher Tage fiel einer internationalen Verwickelung leider zum Opfer.

Meines Tropenfiebers wegen konnte ich auch heute nicht ans Land; anfänglich genötigt, das Bett zu hüten, was bei der furchtbaren Hitze in den Kabinen äußerst peinlich war, vermochte ich jetzt doch schon auf dem Achterkastell oder auf dem Eisendeck, auf einer Chaise longue hingestreckt, zu ruhen und so jede Abkühlung der hohen Temperatur zu genießen.

Die Genesung vom Tropenfieber und das Schwinden der mit diesem verbundenen Schwäche werden, so lange der Kranke auf dem Schiffe weilt, insbesondere durch zwei Dinge verzögert, und zwar einmal dadurch, dass der Kranke von der hohen Temperatur viel zu leiden hat, gegen welche an Bord noch weniger Abhilfe möglich ist als auf dem Land, dann aber dadurch, dass die Bereitung einer entsprechend kräftigenden Nahrung an Bord auf Schwierigkeiten stößt. Das Tropenfieber hat, selbst bei sorgfältigster Wartung und Ernährung, völlige körperliche Ermattung im Gefolge, so dass die Rührigkeit des Kranken ungefähr jener einer Stubenfliege im Spätherbst gleicht. Äußert sich sonach das physische Befinden des dergestalt Erkrankten in einer totalen Erschlaffung der Körperkräfte, so ist andererseits sein psychisches Befinden ein solches, welches häufige Sprünge von vollständiger Passivität zu Perioden überreizter Nerventätigkeit aufweist. Die sich einstellende Depression des Gemütes erzeugt nach Intervallen absoluter Teilnahmslosigkeit oft eine Stimmung in dem Kranken, welche seiner Umgebung den Verkehr mit ihm manchmal wohl nichts weniger als kurzweilig erscheinen lässt.

Meine Herren hatten für mich in der Stadt Einkäufe besorgt und insbesondere die Menagerie wieder kompletiert, da hierin in der letzten Zeit der Tod bedeutende Lücken gerissen hatte und ein Teil unserer Tiere mit dem eben abfahrenden großen Lloyddampfer „Vindobona“ heimgesandt werden sollte. Als Ersatz ließ ich 14 Affen kaufen, welche sofort in die Wanten und Raaen oder außenbords in die Batterie kletterten; ja zwei dieser Vierhänder benützten gleich die ersten Momente ihrer goldenen Freiheit, um in den Kabinen des ersten Lieutenants und des leitenden Ingenieurs einen Zustand der Dinge zu schaffen, der lebhaft an die Folgen eines heftigen Sturmes erinnerte. Einer der Übeltäter wurde dabei ertappt, als er sich nach vollendeter Verwüstung selbstgefällig im Spiegel betrachtete, wobei er reichlichen Gebrauch von den umherliegenden Toiletteartikeln machte.

Als die Sonne untergegangen war, hatte ich die letzte Hoffnung, Bangkok anlaufen zu können, in den Schoß der unendlichen See begraben.

Links

  • Ort: Singapur
  • ANNO – am 15.07.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Hamlet“, während das k.u.k. Hof-Operntheater vom 1. Juni bis 19. Juli geschlossen bleibt.
Not content with misinforming its readers about FF's stay in Siam, the Salonblatt adds an imaginative but wrong impression of the meeting.

Das Wiener Salonblatt no. 29 stellt sich schon FFs Besuch in Siam vor, der Fantasie bleiben wird.

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