Tjipandak, 21. April 1893

Die Aussichten, Bantengs zu erbeuten, waren keine sehr günstigen; Herr Kerkhoven fühlte sich morgens unwohl und beschloss, das Haus zu hüten; unser Oberjäger, der mohammedanische Hadschi, aber hatte die Nachricht erhalten, dass in der Nacht seine Tochter nach nur neunstündiger Krankheit am Fieber gestorben war, weshalb der arme Mann sich unverzüglich auf den Weg in sein entlegenes Heimatdorf machte, um der Bestattung des verblichenen Kindes beizuwohnen.

So ritten wir unter Leitung Baron van Heeckerens in das Revier, in welchem wir am Tage vorher gejagt hatten, und wo heute die unseren gestrigen Ständen gegenüberliegende Lehne abgetrieben werden sollte. Der Trieb währte abermals drei Stunden lang. Ich hatte einen sehr schönen Stand mit gutem Ausschuss; vor mir eröffnete sich ein Tal, das sehr einladend aussah, aber leider kam nichts; ich glaubte zwar einmal brechen zu hören; auch behaupteten die Treiber, einen Banteng gesehen zu haben; doch dürfte, da keiner der Schützen etwas bemerkt hatte, dieser Stier nur ein mythischer gewesen sein.

Die Hitze war, wenn auch empfindlich, doch nicht so drückend als tags zuvor, so dass auf mein Drängen noch ein Trieb improvisiert wurde. Die Treiber zündeten an allen Seiten das Gras an und drangen eine Strecke weit in den Wald ein, traten aber auch alsbald wieder aus der Dickung heraus. Infolge der Müdigkeit der Treiber und ihrer Unlust verlief auch dieser Trieb ohne Erfolg.

Nach dem üblichen Bad bei Durchwatung des Flusses waren wir schon gegen 4 Uhr im Camp, wo wir Herrn Kerkhoven nicht vorfanden, weil er sich auf die Pfauenpürsche begeben hatte; ein gutes Zeichen für seine Genesung.

Es erschien uns noch zu früh, um zu Hause zu bleiben, wir ergriffen daher die Schrotgewehre und streiften in den Dickungen neben unserem Lager umher, um die ornithologische Sammlung zu vervollständigen. Obwohl das Fortkommen in den Dschungeln und dem fast undurchdringlichen Alanggras sehr schwierig war, so dass wir uns beinahe jeden Schritt erkämpfen mussten, erlegten wir in der relativ kurzen Zeit doch recht ansehnliche Mengen von Vögeln und darunter solche interessanter Arten, so die vielfarbige javanische Papageitaube (Osmotreron vernans); dann Fruchttauben (Carpophaga aenea); ferner braune Schweiftauben (Macropygia emiliana); Bartvögel (Cyanops lineata), rote Mennigvögel; Reisvögel (Munia oryzivora) und mehrere Exemplare eines glänzend dunkelgrünen Singstares (Calornis chalybea), sowie Schwalben verschiedener Arten. Am Abend kehrte Herr Kerkhoven mit einer sehr schönen javanischen Pfauenhenne von seinem Jagdzug heim.

Als wir im Lager versammelt waren, stellte sich starker Gussregen ein, der sogar die Dächer unserer Hütten durchbrach; gleichwohl vertrieben wir uns die Zeit in sehr gemütlicher Weise, indem unsere Jäger jodelten und Hodek ganz famose Gedichte Stielers in obderennsischer Mundart vortrug.

Kein Wunder, dass mich eine leise Mahnung von Heimweh überkam, dass mitten aus dieser herrlichen Tropenwelt die Gedanken in die Heimat flogen, dass mancherlei Erinnerungen an schöne, in Oberösterreich verbrachte Tage wach wurden — gerade jetzt wach wurden, da in der Heimat der Frühling ins Land zieht, die Natur nach winterlicher Ruhe neu zu erblühen beginnt, die Fluren mit jungem Grün sich schmücken und der Auerhahn hoch oben im Gebirg auf dem Ast einer alten Wettertanne sein Liebeslied ertönen lässt, bis ihn die Kugel des Jägers herabwirft, der Schuss sich dann donnernd in den Wänden bricht und der freudige Juchezer in das nebelverhüllte Tal dringt.

In den Tropen entschleiert die Natur dem staunenden Auge die üppige Pracht ihrer Wunder, berauscht die Sinne, wenn wir in sengender Schwüle uns von dem Zauber des Urwaldes umfangen fühlen — in den heimatlichen Bergen aber tritt uns die Natur von poetischem Reize verklärt entgegen, spricht zum Herzen, wenn wir aus dem dunklen Nadelwalde zu den Firnen emporblicken, die. in rosigem Hauch gebadet, den Anbruch des Tages verkünden.

Links

  • Ort: Tji Pandak, Indonesien
  • ANNO – am 21.04.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Kriemhilde“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Der Troubadour“ aufführt.

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