Numea, 1. Juni 1893

Über der Insel Neu-Caledonien lag eine dichte Wolkenschicht, welche schon des Nachts das Leuchtfeuer unseren Blicken entzogen und dadurch die Navigation der „Elisabeth“ erschwert hatte. Die Peilung des Berges Mu ergab, dass das Schiff in der Nacht stark nach Süden versetzt worden war; die Position wurde daher berichtigt und Kurs auf den Leuchtturm der kleinen Insel Amédée genommen, den wir gegen 8 Uhr morgens sichteten. Wind und Seegang hatten sich stark abgeschwächt, und allmählich brach sich die Sonne siegreich Bahn, so dass wir die Umrisse Neu-Caledoniens mit seinen hohen Bergen immer deutlicher aus den beruhigten Wellen des Ozeans auftauchen sahen. Gegen 9 Uhr morgens lag die „Elisabeth“ vor der Bulari-Passage, wo der von Amédée gerufene Lotse an Bord genommen wurde, und wir fuhren nun zwischen den Riffen, welche Neu-Caledonien der Nordost- und der Südwestküste entlang mit nur vereinzelten Unterbrechungen begleiten und sich im Norden und im Süden weit in die See hinaus erstrecken, sowie zwischen den kleinen, grünen Eilanden Brun und Dubouzet hindurch.

Nachdem wir das Frohnleichnamsfest durch einen Gottesdienst in der Batterie gefeiert hatten, wurde das Schiff um halb 11 Uhr vormittags im inneren Hafen von Numea an der vom Hafenkapitän angebotenen Boje der Messageries maritimes vertäut.

Unter Neu-Caledonien wird gemeinhin der gesamte Archipel verstanden. Dieser begreift die 1774 von Cook entdeckte und zu Ehren Nordschottlands benannte Hauptinsel Neu-Caledonien, die östlich von dieser gelegenen, 1795 entdeckten Loyalty-Inseln, d. h. Mare, Lifu, Uea und die Beaupre-Eilande, ferner die Fichteninsel, südöstlich von der Hauptinsel, und endlich die im Westen der letzteren befindlichen Chesterfield-Inseln. Neu-Caledonien und die Loyalty-Inseln zusammengenommen umfassen nach der Zählung des Jahres 1890 eine Fläche von 19.823 km2 mit 62.752 Einwohnern.

Zuvor von englischen Kaufleuten und Missionären besiedelt, wurden Neu-Caledonien und die Lifu-Gruppe im Jahre 1853 von Admiral Fevrier-Despointes als französischer Besitz erklärt; doch hat die faktische Oberherrschaft der Franzosen über die ihnen lange widerstrebenden Einwohner erst nach Niederwerfung des Aufstandes von 1875 bis 1878 dauernd platzgegriffen.

Vormals dem Gouverneur der Tahiti- und Marquesas-Inseln unterstellt, besitzt die Kolonie „Neu-Caledonien und Dependenzen“ seit 1860 einen besonderen Gouverneur mit dem Amtssitz in Numea, während von 1853 bis 1854 Balade im Nordosten der Insel die französische Hauptniederlassung gebildet hat. Eine düstere Berühmtheit besitzt Neu-Caledonien als Strafkolonie, und obwohl schon früher Sträflinge hieher deportiert worden waren, hat doch erst die Internierung mehrerer Tausend von Verbrechern vom Jahre 1871 ab das Eiland in weiteren Kreisen bekannt gemacht.

Die Insel Neu-Caledonien liegt östlich von Australien, zwischen dem 20. Breitegrad und dem Wendekreise des Steinbockes; ihre Breite ist gegen die 440 km betragende Länge unverhältnismäßig gering. Die Küsten werden von Bergzügen begleitet, aus welchen im Südosten der Mont Humboldt, 1634 ra hoch, emporragt; diese Bergketten fallen nordöstlich schroff zum Meer ab, während sich an der Südwestküste zwischen dem Fuß der Gebirge und dem Strand Ebenen finden.

Die Einfahrt in den Hafen bietet reizende Ansichten, wenngleich sich der landschaftliche Eindruck, den wir hier empfingen, mit jenem nicht messen kann, den Port Jackson auf uns hervorgebracht hatte. Der Hafen von Numea wird gegen Westen durch eine ins Meer vorspringende Landzunge gebildet, welche die Stadt Numea trägt; gegen Osten schließt den Hafen eine Reihe kleiner Eilande ein. Auch hier schweift der Blick über malerische Buchten, welche, wie die Bulari-Bai im Osten und die Dombea-Bai im Nordwesten von Numea, tief in das Land bis an den Fuß der Berge dringen, von denen sich hier der Mont des Sources bis 1025 m und der Mont Dore bis 775 m erheben.

Im Hafen lagen das französische Panzerschiff „Thetis“, die Transport-Avisos „Durance“ und „Scorff“, sowie der Aviso „Loyalty“, ferner der englische Kreuzer „Tauranga“ vor Anker. Unser Territorialsalut fand seitens einer Landbatterie in sehr langsamem Tempo — die einzelnen Schüsse fielen nur in langen Zwischenräumen — Erwiderung. Beim Vertäuen an der Boje ereignete sich ein kleiner Zwischenfall. Eine Dampfbarkasse brachte der „Elisabeth“ die Trosse, kollidierte aber infolge ihres wenig geschickten Manövers mit dem Schiff, wobei durch den Anprall ein Mann aus der Barkasse in die See geschleudert wurde, der jedoch gleich darauf mittels eines Bootshakens wieder aufgefischt werden konnte.

Die Stadt Numea, obwohl in pittoresker Umrahmung gelegen, bringt mit ihren zahlreichen Häuschen und den kasernartigen Gebäuden keine sehr freundliche Wirkung hervor, die natürlich auch dadurch nicht gehoben wird, dass man schon vom Schiff aus die Bestimmung der Stadt, als Hauptort einer Strafkolonie zu dienen, wahrnimmt. Der Bucht entlang liegen Gruppen kleiner Häuser und von hohen Mauern umgebener Gefängnisse; ganze Kolonnen von Sträflingen, die in Zwilchanzüge gekleidet und durch große Strohhüte wirksam gegen die Sonne geschützt sind, arbeiteten an der Erbauung eines Quais.

Als wir vertäut waren, erschien zunächst der Kommandant des Aviso „Loyalty“, Linienschiffslieutenant Louis Lucas, um seine Dienste anzubieten, worauf der Gouverneur M. Albert Picquie, begleitet von dem Kommandierenden der See- und Landstreitkräfte sowie von den Kommandanten der französischen Kriegsschiffe, folgte, um mich im Namen der Kolonie zu begrüßen und zugleich das Programm für die nächsten Tage zu besprechen. Der Gouverneur selbst schien von dem Land, über das er gebot, nicht besonders entzückt zu sein, da er mich wiederholt darauf aufmerksam machte, dass ich in jeder Beziehung enttäuscht sein würde.

Eine Stunde später stattete ich dem Gouverneur einen Gegenbesuch in dem kleinen Regierungsgebäude ab, welches ungefähr im Mittelpunkte der Stadt auf einem Hügel liegt und von einem Garten umgeben ist, worin eine Statue der Freiheit einen künstlerisch keineswegs schönen, wohl aber mit der Bestimmung der Kolonie recht seltsam contrastierenden Eindruck hervorbringt. Die Salons des Gebäudes sind groß und mit einheimischen Holzarten getäfelt. Der Gouverneur dürfte ein Freund von Tieren sein; denn im Garten seiner Residenz befindet sich eine erhebliche Anzahl großer Käfige mit Papageien und Tauben; auch Hirsche, deren Art mir von jener der Hirsche auf Java abzuweichen schien, waren hier zu sehen.

Der Einladung des Gouverneurs, die Umgebung der Stadt zu besichtigen, folgend, fuhr ich in seiner Gesellschaft mit einem Viergespann, dessen einzelne Renner abwechselnd lahmten, zunächst nach Montravel, wo ein Zwangshaus gelegen ist, in welchem die in der Stadt oder deren Weichbild arbeitenden Sträflinge nachtsüber untergebracht werden. Je 50 Mann bewohnen hier ein Haus, worin jedem Sträfling eine Hängematte angewiesen ist; auf einem Brett oberhalb dieser Lagerstätte sind die Habseligkeiten des Sträflings verwahrt. Zwischen den Häusern, deren es, glaube ich, hier zwölf gibt, sind kleine Gemüsegärten angelegt und abseits hievon die Behausungen der Wächter sowie die Küche erbaut.

Ungemein erstaunt war ich über die reichlich bemessene Kost, welche den Sträflingen täglich verabreicht wird; dieselben erhalten morgens Kaffee, mittags Fleisch mit Gemüse und abends neuerdings Gemüse. Es scheint mir denn doch etwas zu weit gegangen, wenn diese Zuchthäusler in Bezug auf Kost und Wohnung ebenso gut, wenn nicht besser, gehalten werden als die Soldaten; aber mein Erstaunen wuchs noch mehr, als plötzlich eine 40 Mann zählende, aus Sträflingen gebildete Musikkapelle erschien und mich mit einem flott gespielten Walzer von Strauß begrüßte. Diese musikalische, mit dem Strafzweck unvereinbarliche Verwendung der Sträflinge kann ich nicht billigen; abgesehen von allem anderen schon deshalb nicht, weil diese Musiker offenbar durch ihre künstlerische Tätigkeit der gebürenden harten Arbeit entzogen werden.

Im Ganzen weilen auf der Insel etwa 8000 Sträflinge, die hauptsächlich beim Straßenbau, aber auch beim Bergwerksbetrieb in den großen Nickelminen verwendet werden. Hinsichtlich der örtlichen Verteilung und der Beschäftigung unterscheidet man im großen und ganzen dreierlei Arten von Sträflingen: die aus Frankreich oder aus den Kolonien unmittelbar kommenden, welche sofort zu Arbeiten an den verschiedenen Punkten der Insel herangezogen werden; ferner jene Deportierten, die sich auf der Insel neue strafbare Handlungen zuschulden kommen ließen und als Unverbesserliche im eigentlichen Hauptdepot auf der Insel Dubouzet oder Nu untergebracht sind; endlich die sogenannten Libérés, welche zwar ihre Strafe bereits abgebüßt haben, aber noch nicht in die Heimat zurückkehren dürfen. Letztere genießen ziemliche Freiheit, stehen aber unter polizeilicher Aufsicht und müssen sich an bestimmten Tagen bei der Behörde melden. Sträflinge, welchen ein Strafausmaß von acht Jahren zuerkannt worden ist, dürfen heimatlichen Boden nie mehr betreten; diejenigen, deren Strafausmaß weniger als acht Jahre beträgt, dürfen nach der doppelten Anzahl von Jahren nach Hause zurückkehren. Das größte Kontingent an Deportierten stellen natürlich die Franzosen; doch finden sich unter den Sträflingen auch zahlreiche Araber aus Algerien, sowie Tongkingesen. Als Wächter werden ausgediente Unteroffiziere der französischen Armee verwendet.

Der Gouverneur machte mir manche überraschende Mitteilung über die Verhältnisse der Sträflingskolonie. Er fungiert hier erst seit einem halben Jahr und scheint ein sehr energischer Mann zu sein, der meine Meinung theilt, dass zu weit getriebene Humanität bei verbrecherischen Individuen von der Kategorie der Deportierten die verderblichsten Folgen nach sich ziehen könne und gleichzeitig eine Ungerechtigkeit gegen die anständigen Elemente der Bevölkerung bilde. Der Vorgänger M. Picquies soll die weitgehendste Milde haben walten lassen und insbesondere von dem Grundsatz ausgegangen sein, dass man die Sträflinge nicht zur Arbeit zwingen solle, was zur Folge hatte, dass die meisten sich weigerten, zu arbeiten. Natürlich stellte sich unter so nachsichtigem Regiment eine Reihe von Missbräuchen ein. Von den patriarchalischen Zuständen, die allmählich eingerissen waren, zeugt der Umstand, dass die Verbrecher dem früheren Gouverneur, wenn er zu Inspizierungen erschien, Triumphpforten mit der Aufschrift „A notre père“ errichteten. Das Leben der Sträflinge gestaltete sich recht behaglich.

Als man endlich auf diese Zustände aufmerksam geworden war und der neuernannte Gouverneur die Zügel straffer anspannte, stieß er auf manchen Widerstand; die Sträflinge hatten sich der Arbeit entwöhnt, ja es kam vor, dass sich einzelne Deportierte selbst beide Augen ausstachen, um nicht arbeiten zu müssen. Der Gouverneur aber wusste sich zu helfen, indem er jene, welche sich des Augenlichtes beraubt hatten, in die Berge sandte, um die Selbstverstümmler dort in der Sonnenhitze täglich 10 Stunden lang Steine klopfen zu lassen — ein drastisches Vorgehen, welches auf die übrigen Sträflinge die heilsamste Wirkung ausübte.

Bei Antritt seines Amtes ließ M. Picquie zwei der ärgsten Verbrecher und Rädelsführer guillotinieren, was aber den dem Gouverneur beigegebenen Kolonialrat leider wieder mit Besorgnissen erfüllte. Letzterer legte daher, als der Gouverneur in der Folge sich neuerlich für den Vollzug der Todesstrafe an einem Verbrecher, der schon sechs Morde begangen und schließlich an einem der Wächter einen Mordversuch verübt hatte, entscheiden wollte, sein Veto ein, so dass sich der Gouverneur gezwungen sah, an die — zur Zeit unserer Anwesenheit noch nicht erflossene — Entscheidung des Präsidenten der Republik zu appellieren.

Unsere Fahrt wendete sich nun gegen das Innere der Insel, einer schönen Straße folgend, die einige mit Mangrove-Gebüsch dicht bedeckte Sümpfe überquerte und dann in östlicher Richtung den Fuß der Berge entlang durch blaugrünliche Niauli-Waldungen zog, in denen sich einzelne Araucarien und Kokospalmen vorfanden. Der Niauli-Baum (Melaleuca viridiflora), eine Myrtaceenart mit verkrüppeltem Stamme, bedeckt beinahe die ganze Insel und verleiht ihr einen Charakter, der sehr an jenen Australiens erinnert. Aus dem Niauli-Baume wird ein Öl gewonnen, welches dem aus Melaleuca leucodendron produzierten Kajeputöl in der chemischen Zusammensetzung ähnlich ist.

Längs des Weges findet man überall kleine Gendarmerie-Kasernen und Posten, deren Besatzung die Ordnung unter den arbeitenden Sträflingen aufrechtzuerhalten hat, sowie die Häuser oder, besser gesagt, Hütten der Polizisten, welch letztere aus der eingeborenen melanesischen, jedoch mit polynesischen Elementen durchsetzten Bevölkerung remitiert werden. Entweicht ein Sträfling in die unermesslichen Wälder der Kolonie, was ziemlich häufig vorkommt, so sind es diese eingeborenen Polizisten, die mit ihrem feinen Spürsinne den Flüchtling finden und — freilich zumeist nur mehr als Leiche — einbringen. Flüchtige Sträflinge fallen in der Regel entweder dem Hungertod oder der mordenden Hand der Eingeborenen anheim; denn die Regierung zahlt für jeden, sei es lebend oder tot eingebrachten Flüchtling eine Prämie von 25 Francs, und dass die Eingeborenen es viel bequemer finden, den abgeschnittenen Kopf eines entwichenen Sträflings als diesen selbst in lebendem Zustand einzuliefern, liegt ebenso nahe wie die sich hieraus ergebende Konsequenz. So unglaublich dies bei der etwa 1600 Seemeilen betragenden Entfernung der Kolonie von dem nächsten Punkte des Festlandes — Brisbane — scheint, sind doch einige, allerdings sehr wenige Fälle zu verzeichnen, in welchen es Sträflingen gelungen ist, von Neu-Caledonien glücklich zu entweichen.

Auch an netten Ansiedlungen von Libérés kamen wir vorbei; doch sind Niederlassungen europäischer, freier Kolonisten, trotz aller Bemühungen der französischen Regierung, diese Art der Besiedlung zu fördern, gar spärlich auf der Insel vertreten, da sich begreiflicherweise jeder unbescholtene Mann scheut, auf dieser dem Verbrechertum gewidmeten Insel seinen dauernden Wohnsitz aufzuschlagen oder beizubehalten, wenn er die auf derselben herrschenden Verhältnisse kennen gelernt hat. Der Gouverneur sprach auch sein Bedauern darüber aus, dass das schöne Eiland mit dem guten und gesunden Klima, dem produktiven Boden und den reichen mineralischen Schätzen — Gold, Kupfer, Antimon, Kobalt und insbesondere Nickel — tatsächlich der Besiedlung durch freie Kolonisten entzogen ist und deshalb in so großem Umfang brach liegt. Obwohl die Bedingungen, sowohl für die Entwicklung tropischer Pflanzen — die Kultur von Baumwolle, Mais und Kaffee hat auch schon Raum gewonnen — als für das Gedeihen von Gewächsen gemäßigter Himmelsstriche vorhanden sind, steht der Ackerbau kaum auf viel höherer Stufe, als die recht lässig betriebene Viehzucht, so dass die Insel noch heute in vielen Beziehungen auf den Import aus Australien angewiesen ist. Größere Sorgfalt wird dem Landbaue von den Eingeborenen, welche sich vorzugsweise von Vegetabilien nähren, behufs Gewinnung von Taro (Colocasia antiquorum), Yamswurzeln, Zuckerrohr u. dgl. m. gewidmet. Übrigens lässt die Entwickelung der Insel, auch was den Straßenbau und andere öffentliche Arbeiten betrifft, nach dem Urteil unbefangener Beobachter noch vieles zu wünschen übrig. In Frankreich sollen die Gründe, welche gegenwärtig dem Emporblühen Neu-Caledoniens entgegenstehen, wohl bekannt sein, und es soll daher die Absicht vorliegen, künftighin alle zur Deportation Bestimmten nach Cayenne zu bringen, Neu-Caledonien aber der Kolonisation durch anständige Bevölkerungselemente zuzuführen.

In einem kleinen Tal passierten wir eine unweit von Numea gelegene katholische Missionsstation, die, von französischen Schwestern geleitet, sich die Erziehung von Kindern der Eingeborenen zur Aufgabe gestellt hat; sie leistet, wie die übrigen zwölf Missionsstationen der Insel, viel für die sittliche und materielle Hebung der Eingeborenenstämme, die noch vor kurzem der Menschenfresserei gehuldigt haben. Das Missionswesen scheint in dieser französischen Kolonie sehr ausgebreitet und von segensreicher Wirkung zu sein; denn auf Neu-Caledonien bekennt sich von den Eingeborenen alles, was den christlichen Glauben angenommen hat, zum Katholizismus, während auf den Loyalty-Inseln, wo seit 1840 evangelische Missionäre gewirkt haben, die Zahl der protestantischen weitaus jene der katholischen Eingeborenen überwiegt.

Der Stadt uns zuwendend, schlugen wir einen steilen Weg ein, der schöne Fernblick auf die Küste, den Mont Dore und die kleinen Inseln in der Bulari-Bai bot.

Die unserem Wagen vorgespannten Artilleriepferde der Batterie von Numea schienen nicht besonders eingefahren zu sein; denn bald nach der Abfahrt hatten sie bereits Ermüdung gezeigt und waren, als wir nun die Höhe emporfahren wollten, am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, so dass sie durch keinerlei Mittel mehr vorwärts gebracht werden konnten und wir unseren Wagen verlassen mussten, um die Fahrt in einem anderen Vehikel fortzusetzen.
Die regelmäßig angelegten Straßen der Stadt schneiden sich im rechten Winkel; die Häuser sind klein, unansehnlich und sichtlich in aller Eile erbaut; das Gesamtbild der Stadt ist im wesentlichen ein melancholisches. Allenthalben begegnet man den langen Zügen der paarweise zu der Arbeit oder von derselben marschierenden Sträflinge, deren so manche wegen Fluchtversuchen, Disziplinarvergehen u. dgl. m. Ketten tragen; in den Straßen herrscht wenig freies Leben, nur einige Europäer und hin und wieder Eingeborene sind sichtbar. An größeren Gebäuden besitzt Numea außer dem Gouvernementshaus noch ein großes Truppenspital, zwei Kasernen, deren eine mit einem Marine-Infanterieregiment, die andere mit Artillerie belegt ist, sowie mehrere Schulen und Lagerhäuser; eine schöne, große Kirche ist im Bau begriffen und bereits der Vollendung nahe.

An Bord zurückgekehrt, genoss ich einen prächtigen Abend bei herrlichem Vollmond, der sich glitzernd in der ruhigen See spiegelte; angenehm kühle Luft umfächelte die Stirne; ab und zu drangen die Rufe der Wachen von den Kriegsschiffen zu uns. Von der Place des Cocotiers aber, wo die Musikkapelle konzertierte, tönten die hehren Klänge unserer Volkshymne herüber, die auf stürmisches Verlangen des zahlreich versammelten Publikums nicht weniger als dreimal wiederholt werden musste. Lange blieb ich, meinen Gedanken nachhängend, auf dem Verdeck.

Links

  • Ort: Numea, New Caledonien
  • ANNO – am 01.06.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Der Meister von Palmyra“, während das k.u.k. Hof-Operntheater vom 1. Juni bis 19. Juli geschlossen bleibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Solve : *
14 + 22 =


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.