Tjipandak, 20. April 1893

Der Schauplatz der heutigen Jagd auf Bantengs lag von dem Camp bedeutend weiter ab, als jener des gestrigen Triebes; denn erst nach etwa dreistündigem Marsch erreichten wir unser Ziel. Der Ritt, in dessen Verlauf wir, wie am Vortag, mehrere Male den Fluss zu überschreiten hatten, führte, ohne dass wir andere besondere Terrainschwierigkeiten zu überwinden gehabt hätten, fast unausgesetzt durch Alanggras. Nur einmal war eine ungemein steile Schlucht zu passieren, welche für Pferde unübersteigbar schien, von unseren einheimischen
Kleppern jedoch in wahrhaft bewundernswerter Weise genommen wurde, da jene rutschend, gleitend, auf den Hinterbeinen sitzend ohne Unfall die Schlucht hinab- und fast aufrecht kletternd aus der Tiefe wieder empor gelangten, indessen wir zu Fuße nur mühsam über die Steinplatten und den glatten Lehmgrund der Schlucht hinwegkamen.

Während des Rittes sah ich auf einem der Hügel von ferne das Haupt eines Hirsches aus dem hohen Gras ragen; der Versuch, mich an das scheue Wild anzupürschen, blieb jedoch erfolglos.

Auch diesmal wurde in talwärts gelegenen Wäldern getrieben, die Stände aber wurden längs eines Hügelkammes eingenommen. Herr Kerkhoven stellte mich zu unterst auf und hatte die Absicht, oberhalb meines Standes, in der nächsten Nähe desselben, einen meiner Herren zu postieren. Durch ein Missverständnis des Eingeborenen, den Herr Kerkhoven mit dem auf dieses Arrangement bezüglichen Befehl zurückgesandt hatte, kam jedoch nicht einer meiner Herren, sondern Herr Borrel neben mir zu stehen. Ich saß unter einem Baum und hatte, da dieser fast gar keinen Schatten spendete, während des drei Stunden andauernden Triebes von Hitze viel zu leiden, umso mehr, als es im Interesse der Jagd geboten erschien, sich ganz ruhig zu verhalten. So konnte ich denn nur still sitzen bleiben und die Legion von Ameisen beneiden, welche, der Hitze ungeachtet, munter um mich her ab- und zuliefen. Der Ausschluss rings um den Stand war ein ziemlich beschränkter.

Nach dem Hebschuss hörte ich vor mir sehr starkes Brechen, das nur von einem mächtigen Wild herrühren konnte, doch war bald wieder alles still. Einige Zeit später fiel bei meinem Nachbar ein Schuss, dann sah und hörte ich nichts mehr wie das einförmige Geklapper der Treiber in der Wehre.

Endlich, am Schluss des Triebes, kam Herr Borrel zu mir und entschuldigte sich lebhaft, dass er einen Banteng-Stier erlegt habe, davon überzeugt, dass das Stück mir nicht mehr zum Schuss kommen würde. Inwieweit das seine Richtigkeit hatte, kann ich nicht beurteilen; jedenfalls war ich nicht sehr erfreut, dass weder ich noch einer meiner Herren dieses Waidmannsheil gehabt hatte und betrachtete mit einem starken Gefühl von Schussneid den kapitalen Stier, welcher sich durch seine auffallende Größe und Stärke auszeichnete.

Weit größer als unsere stärksten Rinder, steht der Banteng auf hohen Läufen; sein mächtiges Haupt ist mit aufwärts gekrümmten Hörnern geziert, die Decke ist glänzend schwarz; die Extremitäten sind vom Knie abwärts schneeweiß. Zieht Bantengwild durch die Dickung, so hört man schon von weitem das Brechen und Prasseln der Stöcke, welche von den Tieren niedergetreten werden. In den Wäldern, die wir heute durchstreiften, fanden wir allenthalben große Mengen von Bambusstöcken gebrochen und verdorrt — offenbare Spuren der wuchtigen Bantengs.

Herr Kerkhoven, der einigermaßen missvergnügt darüber schien, dass der Stier nicht von mir, sondern von Herrn Borrel erlegt worden war, hatte in der Ferne eine Banteng-Kuh gesehen; ebenso hatte Wurmbrand drei Stücke erblickt, die auf weite Distanzen vorbeigewechselt hatten.
Obgleich die Zeit noch gestattet haben würde, die Jagd fortzusetzen, wurde zum Rückzug geblasen, weil am Horizont ein schweres Gewitter drohte und unser Jagdleiter befürchtete, dass ein heftiger Regenguss den Fluss gänzlich unpassierbar machen würde. Doch verzog sich das Gewitter und wir bekamen nur einzelne Regentropfen zu spüren.

Da sich Jäger, Treiber und Hunde bereits verlaufen hatten und es daher mit dem Jagdsport für heute zu Ende war, so wollten wir, ins Camp zurückgekehrt, den Rest der Zeit noch dazu verwenden, im Fluss dem Fischfang zu obliegen. Es war nicht eben eine schöne Art des Fischereisports, die wir hier ausübten. Wir wendeten nämlich Dynamit an, was jeder unserer rationellen Fischer mit Recht perhorresciert haben würde, allein uns handelte es sich vorzugsweise darum, zu ergründen, ob sich überhaupt Fische im Fluss befänden und, wenn dies der Fall, welche Arten. Auch hatten die Eingeborenen berichtet, der Fluss enthalte Krokodile. So war denn Dynamit das schnellste und sicherste Mittel, über diese Fragen klar zu werden.

Der Fluss wurde auf einige hundert Schritte stromabwärts mit einem Netz abgesperrt; dann gingen die holländischen Herren daran, die Dynamitpatronen zu adjustieren, wobei ihnen mein Jäger als ehemaliger Unteroffizier des Geniekorps mit Rat und Tat beistehen musste. Mit der größten Seelenruhe hantierten sie mitten unter uns in der Speisehütte mit Dynamit und Zündschnüren, und nachdem sie, ohne dass die mit Recht gefürchtete Explosion eingetreten wäre, alles vorbereitet hatten, wurden die Patronen nach Entzündung der Schnur in den Fluss geschleudert. Die Explosion erfolgte alsbald, aber vorläufig ohne den gewünschten Erfolg; denn an der Oberfläche des Wassers erschien kein Fisch.

Wir, ich und einige Herren, hatten uns mittlerweile auf ein Fahrzeug verfügt, welches aus zwei durch Bambus verbundenen Kanus hergestellt war, und erwarteten, auf Fische zu stoßen. Indem wir uns vermaßen, das Fahrzeug mit Hilfe von Bambusstöcken selbst zu lenken, spielten wir eine klägliche Rolle, da unser Doppelboot entweder in drehende Bewegung geriet oder mit lautem Krach an das Ufer anfuhr, so dass wir die allgemeine Heiterkeit derauf dem Land zurückgebliebenen Eingeborenen erregten. Fische fingen wir nicht, dafür aber fiel Clam mitten im eifrigsten Rudern an einer sehr tiefen Stelle kopfüber ins Wasser und kam mit dem Haupt unter ein Kanu, wurde aber mit vereinten Kräften dem Strom wieder entrissen.

Nach diesem Intermezzo hielten wir es für ratsamer, unsere nautischen Fähigkeiten nicht länger zu erproben, sondern schifften uns aus, um die weiteren Effekte des Sprengmittels vom Land aus zu beobachten. Da längere Zeit hindurch kein Wassertier im Fluss sichtbar geworden war, kehrten wir endlich heim. Eine halbe Stunde später brachte uns ein Eingeborener einen Korb voll toter Fische und erzählte, es seien viele Hunderte Fische den Fluss hinabgeschwemmt worden, ohne dass man ihrer hätte habhaft werden können, da die mit dem Netz versehenen Leute sich bereits entfernt hatten. Meine Kenntnisse auf dem Gebiete der Ichthyologie genügten leider nicht, um die dem Dynamit zum Opfer gefallenen Exemplare näher zu bezeichnen. Einer der Fische von auffallend roter Färbung der Schuppen schien mir möglicherweise als Barbe klassifiziert werden zu können.

Links

  • Ort: Tji Pandak, Indonesien
  • ANNO – am 20.04.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Die Widerspänstige“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Carmen“ aufführt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Solve : *
27 − 18 =


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.