Jaipur, 4. März 1893

Ich benützte die Zeit bis zum Einlangen verlässlicher Nachrichten über die Bestätigung eines Tigers zunächst, um die Sehenswürdigkeiten Dschaipurs, und zwar in erster Linie das dem Maharadscha gehörige, unter Dr. Hendleys Leitung stehende Museum zu besichtigen. Dieses, vor der Stadtmauer in dem etwa 28 ha umfassenden, prachtvollen Stadtpark gelegen, imponierte mir durch seine Reichhaltigkeit, die zweckmäßige Anordnung der Objekte und durch den überraschend guten Erhaltungszustand. Das Museum zeigt, dass Dr. Hendley den ihm anvertrauten Schätzen mit Lust und Liebe vorsteht und mit Feuereifer für die Sammlungen arbeitet.

In den geräumigen Sälen des Erdgeschosses liegen alle Arten kunstindustrieller Erzeugnisse Indiens, nach Staatsgebieten und nach Erzeugungsorten geordnet und sehr anschaulich gruppiert. Von den Produkten der primitivsten Handarbeit der Eingeborenen, so von den höchst einfachen Schmuckgegenständen und Götterbildern an, bis zu den wertvollsten Erzeugnissen des Kunstgewerbes, ist hier die Entwickelung der kunstindustriellen Produktion in allen Stufen und Stadien vorgeführt.

Im ersten Stock befindet sich eine reichhaltige, naturwissenschaftliche Sammlung. Diese ist insbesondere dazu bestimmt, durch Ermöglichung unmittelbarer Anschauung belehrend auf die Eingeborenen zu wirken, da Dr. Hendley von dem richtigen Grundsatze ausgeht, dass diese Form des Unterrichtes den nachhaltigsten Einfluss zu üben vermag. In dieser Abteilung sind Skelette und Querschnitte der Haustiere, Darstellungen ihrer Krankheiten, die Ernährungsmittel dieser Tiere —in einem anderen Raum alle giftigen Schlangen Indiens, die gebräuchlichsten Arzneipflanzen, die zu Bauzwecken üblichen Materialien u. dgl. m. vereinigt. Jedes Objekt ist mit einer passenden Aufschrift versehen und in systematisch richtiger, leicht fasslicher Weise untergebracht.

Eine besondere Abteilung bringt in Terracotta-Figuren, die wahrhaft künstlerisch modelliert und mit peinlicher Genauigkeit bemalt sind, Typen des gesamten Volkslebens in Indien zu plastischer Darstellung. In einem Schrank sind in dieser Weise die sämtlichen Gewerbe Indiens, in einem anderen volkstümliche Gebräuche, Hochzeiten, Festmahle und Begräbnisse veranschaulicht; der Durchschnitt eines Hauses zeigt dessen Räume und seine Einwohner, letztere bei ihrer täglichen Beschäftigung: auch sind alle Arten von Fakiren mit den verschiedenen Formen der krankhaften Selbstkasteiung hier zu sehen. Zu meiner Befriedigung erklärte sich Dr. Hendley bereit, für mich eine Kollektion dieser plastischen Darstellungen anlegen und nach Wien senden zu wollen.

Rings um das Museum dehnt sich als weiterer Schmuck des Stadtparks der zoologische Garten des Maharadschas aus. Dieses Vivarium fiel mir nicht bloß durch seine Reichhaltigkeit, sondern auch ganz besonders durch das gute, sorgfältige Pflege bezeugende Aussehen der Tiere angenehm auf: umso mehr, als mir die Tiere in den zoologischen Garten Indiens, welche ich bisher besucht hatte, durchwegs nicht gut gehalten erschienen waren. Große Volieren bergen zahlreiche und höchst interessante Vögel, darunter Angehörige mir noch unbekannter Elster- und Kuckuck-Arten in buntschillerndem Federkleid, ferner Sumpf- und Wassergeflügel aller Arten. Die Familie der Raubtiere ist sehr vollständig vertreten; desgleichen das Geschlecht der Affen, deren einer, ein Pavian (Hamadryas), in der besonderen Gunst des Publikums steht, da er, ausnehmend bösartig, unter den greulichsten Grimassen alle Umstehenden zu deren lebhaftem Vergnügen mit Steinen und Sand zu bombardieren trachtet. Ein nettes Haus, zahme Ottern enthaltend, und eine Kollektion von Hirschen verdienten besondere Erwähnung.

Spannend war ein Kampf zwischen zwei Rhinozerossen, in welchen die beiden Dickhäuter aus irgend einer Meinungsdifferenz geraten waren, so dass sie nun einen äußerst erbitterten Strauß kämpften, dem erst die Vermittlung mehrerer mit Stangen bewehrter Wärter ein Ende bereitete. Eigentümlich ist der hier herrschende Gebrauch, die Rhinozerosse ganz mit einer schwarzen, glänzenden Farbe anzustreichen.

An den Besuch des zoologischen Gartens schloss sich jener der in der Stadt gelegenen Kunstindustrieschule an, welche, dem Tellery’schen Institut in Delhi ähnelnd, eine große Anzahl von Arbeitern bei der Erzeugung von Schmuck und artistischen Objekten beschäftigt. In einem Zeichensaal werden Knaben unterrichtet, die später als Modellzeichner in der Anstalt Verwendung finden.

In die Residenz zurückgekehrt, erfuhren wir, — zur raschesten Überbringung von Nachrichten aus dem Jagdgebiet war zwischen diesem und der Stadt ein Estafettendienst eingerichtet — dass leider der kühlen Witterung wegen kein Tiger bestätigt worden sei; wir pürschten daher in der Umgebung der Stadt auf Black-bucks.

Schon während der Fahrt nach Dschaipur waren mir von der Bahn aus die Menge der Black-bucks und deren starke Gehörne aufgefallen, eine Beobachtung, deren Richtigkeit sich bei unserer Pürsche bestätigte; denn die Böcke waren in der Tat nicht nur viel stärker, sondern auch weit zahlreicher als in Haidarabad. Das Jagdterrain bildet eine Reserve des Maharadschas, in der, ihn und den Residenten ausgenommen, niemand einen Schuss machen darf; doch scheint keiner dieser Herren dem Wild daselbst eifrig nachzustellen, weshalb die Black-bucks hier auch nicht so scheu sind wie anderwärts. Ich bediente mich zur Pürsche eines fürchterlich stoßenden Ochsenkarrens, angesichts dessen das Wild übrigens gut standhielt, und verständigte mich mit dem äußerst gesprächigen und allerlei Geschichten zum besten gebenden Lenker dieses Gefährtes pantomimisch, so gut es eben ging. In dieser Weise erlegte ich nächst einem kleinen Teich einen jungen Riesenstorch, einige Indische Wildgänse (Anser indicus), sowie acht Black-bucks und eine Chinkara-Gazelle, letztere mit einem Coup double auf diese und einen Black-buck. Mehrere der erbeuteten Böcke waren geradezu kapitale Exemplare. Die anderen Herren, die in verschiedenen Richtungen gejagt hatten, brachten neun Black-bucks heim.

Zum Schluss streifte ich noch einen Wasserlauf entlang und erlegte zwei schöne, himmelblau gefärbte Porphyrhühner (Porphyrio poliocephalus), eine schätzenswerte Bereicherung meiner Sammlung.

Nach dem Diner, an welchem Mrs. Peacock mit ihren Töchtern teilnahm, fanden sich zahlreiche Waffenhändler vor der Residenz ein, die daselbst ihre Schätze auslegten und uns zu Ankäufen verlockten.

Links

  • Ort:  Jaipur, Indien
  • ANNO – am 04.03.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt „Gönnerschaften“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die s Oper „Merlin“ aufführt.

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