Siriska, 25. Februar 1893

Noch während des gestrigen Diners, gegen 8 Uhr abends, hatte es plötzlich zu donnern und zu blitzen begonnen. Alsbald entlud sich ein heftiges Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen, welcher die ganze Nacht andauerte und an unserem schönen Lager großen Schaden anrichtete; denn wahre Wildbäche flossen durch alle Zelte, deren einige einstürzten, und des Morgens war das Lager in ein Kotmeer verwandelt. Ein großer Kater, der aus dem Dorf gekommen war, hatte sich auf meinem Bett häuslich eingerichtet, als wollte er sich, wie bei einer Sintflut, durch Aufsuchung höherer Punkte bergen; so oft ich auch den Kater in das nasse Element zurückschleuderte, immer wieder sprang er auf das schützende Bett. Als ich des Morgens erwachte, flüchteten zwei andere Katzen aus dem Zelt, die auf meinen Kleidern eine. wie die vielen umherliegenden Federn bewiesen, aus wilden Tauben bestehende Mahlzeit abgehalten hatten.

Gegen 8 Uhr morgens hörte der Regen auf, aber leider war jede Aussicht auf Tiger benommen, da wegen des schlechten Wetters keiner geschlagen hatte. Als Ersatz proponierte der Oberstjägermeister einige Triebe auf Sambarhirsche; doch versprach ich mir gleich anfangs wenig von einer solchen Jagd, da der Head-Schikäri eigentlich ein Gegner von Treibjagden ist und sie nur pro forma, damit die Zeit vergehe, zu veranstalten scheint.

Vor dem Aufbruch wurde noch ein gefangenes Stachelschwein gehetzt, wobei die Hunde einen unglaublichen Mut bewiesen, indem sie das Stachelschwein, obgleich dessen Stachel den Angreifern in den Kopf und die Schnauze drangen, binnen wenigen Minuten dennoch abfingen. Äußerst komisch war es, als das flüchtige Stachelschwein mitten unter die zum Abmarsch bereit stehenden Elephanten geraten war und diese im höchsten Schrecken auseinanderstoben, einen Heidenspektakel machten, zu blasen und zu trompeten begannen, so dass sie nur mit Mühe zu beruhigen waren.

Wir nahmen sodann mehrere Triebe in anscheinend günstigen Lagen; allein ohne das geringste Resultat, da der Head-Schikäri kein Interesse zeigte und die Treiber langsam und lässig vorgingen. Als ich endlich beim dritten Triebe zum Zeitvertreib in meiner Häuda laut zu singen und zu jodeln begann, stürzte „Tisza“ entrüstet herbei. kanzelte mich in Hindustani-Sprache gründlich ab und erklärte kategorisch die Jagd für beendet. Das Ergebnis dieser Triebe bestand in einem Schakal, den ich — gesehen hatte.

Während der Jagd kamen wir an den Ruinen eines kleinen Jagdhauses vorbei, welches dem verstorbenen Maharadscha gehört hatte, der hier in seltsamer, jedenfalls sehr bequemer Art vom Anstand aus auf Tiger zu jagen pflegte. So oft nämlich der Maharadscha in mondhellen Nächten das Jagdhaus bezogen hatte, wurde in einem der unter den Fenstern des Gebäudes gelegenen Gräben ein Büffelkalb angebunden, um Tiger herbeizulocken. Inzwischen schlief, bis ihn die Meldung weckte, dass ein Tiger zur Stelle sei, der Nimrod ruhig auf seinem Pfühle und feuerte dann, im „Gewande der Nacht“, mit der größten Seelenruhe seinen Schuss auf den Tiger zum Fenster hinaus ab, um nach wenigen Minuten den unterbrochenen Schlaf fortzusetzen.

Während ich nach dem letzten Trieb auf einem Umweg dem Lager zustrebte, gelang es mir, mit zwei Schüssen auf weite Distanz — über 300 Schritte — zwei Chinkara-Gazellen, Bock und Gais, äußerst zierliche, graziöse Tiere, zu erlegen. Gazellen einer ähnlichen Art hatte ich schon seinerzeit in Syrien gesehen, aber nicht zu erbeuten vermocht. Außerdem schoss ich einen auffallend starken Schakal und mehrere Hühner. Auch die anderen Herren brachten verschiedenes Wild heim; dann unter anderem auch ein Exemplar des Gemeinen Flughuhnes (Pterocles exustus).

Zum Glück hatte sich der Himmel im Lauf des Tages vollkommen aufgeheitert, so dass wir einen herrlichen Abend bei prachtvoller Beleuchtung der umliegenden Berge genossen. Die Landschaft schwamm in silberhellem Mondschein und schließlich — Ende gut, alles gut — traf auch die langersehnte Post vom 13. Jänner, die in der halben Welt unseren Spuren nachgeirrt war, mit guten Nachrichten aus der geliebten Heimat ein.

Links

  • Ort:  Sariska, Indien
  • ANNO – am 25.02.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt die Komödie „Die Maler“,  während das k.u.k. Hof-Operntheater Gounods „Romeo und Julie“ aufführt.

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