Tokio, 18. Aug. 1893

Ein Tag hoher Freude für jeden treuen Untertanen — der Geburtstag unseres vielgeliebten Allergnädigsten Kaisers und Herrn! Das Herz jedes Einzelnen von uns schlug heute höher; denn obgleich wir durch viele tausend Meilen von der teueren Heimat getrennt waren, genossen wir doch das Glück, den heutigen Festtag auf heimatlichem Boden zu verbringen. Das erste Mal in meinem Leben weilte ich an dem Geburtsfeste Seiner Majestät außerhalb Österreichs — um so bewegter gedachte ich unseres allverehrten Herrschers und mit mir alle auf der „Elisabeth“ vereinigten Untertanen Seiner Majestät, deren tiefempfundenes Gefühl der Ergebenheit für den geliebten Herrn, das ja jeden Sohn des Vaterlandes, wo immer er auch sein mag, beseelt, in dem innigen Wunsch gipfelt: „Gott erhalte, Gott beschütze Seine Majestät den Kaiser!“

Morgens um 8 Uhr hissten wir unter Abfeuerung von 21 Schüssen die große Flaggengala und am Großtopp die Standarte, worauf alle im Hafen befindlichen japanischen, englischen, amerikanischen und deutschen Kriegsschiffe den Salut für die Standarte leisteten. An dem feierlichen Gottesdienst, bei welchem unser Marinekaplan eine warme, der Feier des Tages würdig angepasste Ansprache hielt, nahmen außer mir und meiner Suite noch teil unser bevollmächtigter Minister mit dem Gesandtschaftspersonal, der Generalkonsul, der Schiffsstab und die gesamte Mannschaft; als das Te Deum angestimmt wurde, erdröhnten abermals 21 Schüsse.

Nach der heiligen Messe fand die Aufwartung sämtlicher Anwesenden sowie aller Kommandanten der fremden Kriegsschiffe statt, die ihre Glückwünsche anlässlich des Geburtsfestes Seiner Majestät zum Ausdruck brachten. Das Anlegen der Gigs, in welchen die Kommandanten gekommen waren, gestaltete sich ziemlich schwierig, da eine sehr steife Brise die See selbst im Hafen hoch gehen ließ.

Kaum war das Mittagssignal abgegeben, so ertönte abermals Kanonendonner, womit die Kriegsschiffe und die Landbatterien unseren Festtag begrüßten.

Um 2 Uhr nachmittags hätte auf dem mit Flaggen geschmückten sowie durch Blumen und Girlanden in einen Garten umgewandelten Eisendeck das Fest-Diner stattfinden sollen, zu welchem ich nebst dem Schiffsstab auch die Herren der Gesandtschaft eingeladen hatte; doch ging leider knapp vor Beginn des Mahles eine heftige, stürmische Regenböe nieder, die in wenigen Minuten die Dekoration zum Teil zerstörte und die bereits gedeckte Tafel sowie das Eisendeck überschwemmte. Überhaupt herrschte tagsüber böses Wetter, bedingt durch einen im Norden von Jokohama passierenden starken Taifun, der arg gewütet haben musste; denn als ich an Seine Majestät meine ergebensten Glückwünsche telegraphisch übermitteln wollte, kam mir die Meldung zu, dass die Telegraphenleitung durch den Taifun zerstört worden sei. War die See im Hafen schon sehr bewegt, so tobte das Unwetter auf der offenen See erst recht mit voller Wucht, Berge von Wellen aufwühlend.

Endlich konnte das Diner, nachdem die Tafel in den zwar beengten aber sturmsicheren Räumen des Offizierscarrés, so gut es eben ging, wieder gedeckt war, mit einer Stunde Verspätung seinen Anfang nehmen. Als ich den Toast auf Seine Majestät unseren Kaiser ausgebracht hatte und ein brausendes, dreifaches Hurrah die Schiffsräume durchhallte, die Geschütze in die Klänge der Volkshymne dröhnend einfielen, da war wohl keiner unter uns, der nicht tief ergriffen gewesen wäre. Zwei Stunden konnten wir noch gemütlich beisammen bleiben, bis es endlich hieß, nach Tokio aufzubrechen, wo ich an einem von unserem Gesandten gegebenen Diner und an einer demselben folgenden Soiree teilnehmen wollte.

Der Wind hatte bis zur Stärke 6 und 7 aufgefrischt und ein heftiger Gussregen ging nieder, als wir von der „Elisabeth“ abstießen; unsere Barkasse war die letzte, welche noch ans Land gelangte, und dann wurde der Verkehr im Hafen eingestellt, so dass die Offiziere der anderen Schiffe sich auch später zu der Soiree nicht mehr einfinden konnten. Ganz durchnässt, da wir eine See nach der anderen in die Barkasse bekommen hatten, langten wir am Mole an und waren eine Stunde später in Tokio.

Zu dem Diner, welches in den großen Räumlichkeiten eines Clubs stattfand, erschienen außer Mitgliedern des Hofes auch die fremden Diplomaten und hohe Würdenträger. Prinz Arisugawa sprach, als der Champagner kredenzt war, auf Seine Majestät unseren Kaiser in japanischer Sprache einen Toast, der uns verdolmetscht wurde, und durch einen von mir auf das Wohl des Mikados ausgebrachten Trinkspruch, den Coudenhove ins Japanische übersetzte, Erwiderung fand.

Im unmittelbaren Anschluss an das Diner war eine große Soirée angesagt, zu welcher sich die Gäste im ersten Stockwerk des Clubgebäudes versammelten; bei dieser Gelegenheit wurden mir zahlreiche Persönlichkeiten vorgestellt, darunter fremde Vertreter und Attaches. Begreiflicherweise konzentrierte sich mein Interesse auf die koreanische Gesandtschaft, da deren Mitglieder in einem höchst originellen Nationalkosttim erschienen waren; dieses bestand in einer Art Priestergewand von farbigem Brokat und in einer an unsere Tiroler Hüte erinnernden Kopfbedeckung, aus feinem, weißem Rosshaar angefertigt, welche die Koreaner nicht ablegten.

Trotz der Augusthitze wurde im Verlauf des Festes ein Tanz organisiert, zu dem die Musik einlud; ich konnte mich aber, in voller Gala adjustiert und geschmückt mit allen Großkreuzen, diesem Vergnügen nicht hingeben und ließ mir an einer Ehrenquadrille genügen, an der die Prinzessinnen und einzelne Damen des diplomatischen Kreises teilnahmen. Äußerst ergötzlich war Sannomija, welcher, den Dreispitz in der Hand, unausgesetzt in Bewegung war und geradezu eine Art Solo-Menuet aufführte, indem er sich ohne Unterbrechung nach allen Seiten hin verneigte. Der Tanz bedingte ein Souper, und so zog sich das Fest bis in die späte Nacht hinein.

Links

  • Ort: Yokohama, Japan
  • ANNO – am 18.08.1893 in Östereichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater macht Sommerpause bis zum 15. September, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Das goldene Kreuz“ aufführt.

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