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diary entries of Franz Ferdinand

In See nach Havre, 8. bis 14. Oktober 1893

Aolus versprach, als die „Bretagne“ in See stach, viel und hielt wenig; unsere hochgespannten Erwartungen auf eine angenehme Fahrt verringerten sich immer mehr und wurden schließlich ganz zunichte. Es war, als sollten wir, die ja so lange und so glücklich von dem Rücken des Ozeans getragen worden sind, dessen gewaltige Kraft noch einmal empfinden müssen, bevor wir den Fuß auf Europas alten Boden setzen.

Der Himmel entzog sich unseren Blicken; denn mit seltenen Unterbrechungen fuhren wir in dichtem, den Ausblick teils völlig benehmendem, teils doch wesentlich beeinträchtigendem Nebel dahin, was mit Rücksicht auf die große Zahl der die Route befahrenden Atlantik-Dampfer erhöhte Vorsicht bei der Navigation erheischte.

Die See war während der ganzen Überfahrt bewegt, ja zeitweise stürmisch erregt, und Welle auf Welle wälzte sich gegen die „Bretagne“, die aber als echte, liebenswürdige Französin, welche den Dingen nicht gleich eine tragische Seite abgewinnt, in eleganten Bewegungen über die dräuenden Gefahren hinwegtanzte. Allerdings tanzte auch die lebende Fracht mit und nicht ganz so anmutig und folgenlos; doch blieben wir von ärgerem Ungemach als jenem, welches der Anblick des leidenden Nebenmenschen verursacht, verschont. Zuweilen durfte man allerdings glauben, dass der Engel des Todes seine düsteren Schwingen über das Schiff gebreitet habe, wenn nur wir seefesten Erdumfahrer auf Deck erschienen und gähnende Leere uns im Speisesalon umfing.

Kaum aber hatte die See sich ein wenig beruhigt, wenn auch nur um neue Kraft zu sammeln und uns ihre Launen bald wieder fühlen zu lassen, war allgemeine Auferstehung an Bord, die Totgeglaubten kamen hervor, und jeder Winkel des Schiffes war erfüllt von Gelächter, Geplauder, Lebensfreude; denn weitaus die größte Mehrzahl der Passagiere gehörte der französischen Nation an. Zerriss gar einmal das Gewölk, so entwickelte sich eine Lebendigkeit auf dem Schiffe, die jener eines Mückenschwarmes glich, der bei Ausbruch eines Gewitters zerstiebt, um sich beim ersten Strahl der Sonne wieder zu sammeln und an diesem im Vollgenuss des Lichtes und der Wärme auf- und niederzuschweben.

Höchst anregend und in völkerpsychologischer Hinsicht interessant waren vergleichende Studien über das Leben an Bord der „Empress of China“ mitten unter Engländern und hier an Bord der „Bretagne“ unter Franzosen; in dem engen Rahmen der Lebensverhältnisse auf dem Schiffe prägte sich die charakteristische Eigenart der beiden Nationen wie in einem verkleinernden Spiegel deutlich aus. Dass in uns Österreichern bei unserer Naturanlage das Wesen der Franzosen manche, wenn auch etwas ernster gestimmte Saite harmonisch anklingen lässt und wir daher aller Unbilden des Wetters ungeachtet recht angenehme Stunden auf der „Bretagne“ verbrachten, darf nicht Wunder nehmen. Doch um gerecht zu sein — es war nicht allein die Reisegesellschaft, welche lichte Töne in das Bild unseres nebelumdüsterten Daseins wob, sondern auch die „Bretagne“ selbst trug durch ihre trefflichen Einrichtungen wesentlich dazu bei, das Leben recht erträglich zu machen, und zwar in allererster Linie durch ihre vorzügliche Küche.

In Verbindung mit gutem Gewissen ist — es klingt sehr prosaisch und ist doch wahr — während einer langen Seereise ein guter Mittagstisch eine der Voraussetzungen, die Seele in jenen Zustand des Gleichgewichtes zu versetzen, welcher sie Schlimmes leichter ertragen und Angenehmes freudiger empfinden lässt. Ganz besonders aber waren wir, die wir uns ja schon um den Erdball herum und durch alle denkbaren kulinarischen Erzeugnisse hindurch gegessen haben, für die vollendeten Produkte des Kochkünstlers der „Bretagne“ empfänglich und bewahren daher um unserer früher oft genug schwer geprüften Magen willen dem Küchenchef eine freundliche Erinnerung.

Als die „Bretagne“ über die Newfoundland-Bank hinwegsteuerte, waren wir Zeugen eines interessanten Schauspieles. In weiter Ferne sah man aus der See Wasserstrahlen aufschießen und dem Schiff bald dunkle, unförmliche Massen näher kommen, die sich endlich als Walfische entpuppten. Acht oder zehn dieser Tiere kreisten in so geringer Entfernung um die „Bretagne“, dass wir die Formen der Unwesen nicht nur genau wahrnahmen, sondern einige Amateurphotographen an Bord auch in die Lage versetzt wurden, Aufnahmen der Kolosse zu machen, allerdings ohne diesen vorher einen freundlichen physiognomischen Ausdruck empfehlen zu können. Wir bedauerten lebhaft, nicht mehr an Bord der „Elisabeth“ zu sein, da wir in diesem Falle deren Schnellfeuerkanonen mit aller Aussicht auf Erfolg hätten in Tätigkeit setzen und so als Walfischjäger debutieren können.

Die ersten Tage der Fahrt wussten wir unsere Ungeduld, Europa zu erreichen, noch etwas zu bemeistern; je mehr aber die „Bretagne“ dem Ziel der Fahrt sich näherte, umso größere Unruhe bemächtigte sich unser, bis schließlich die Erwartung den Höhepunkt der Spannung erreichte.

Ex Oriente lux! Den 14. Oktober spät abends — wir waren dem Schiff in unserer Sehnsucht schon bis in das Herz der Heimat vorausgeeilt — tauchte aus weiter Ferne das Leuchtfeuer der Scilly-Inseln auf, einem Stern gleich uns entgegenfunkelnd und der „Bretagne“ den richtigen Kurs weisend. Ein unbeschreiblich freudiges Gefühl bemächtigt sich des Seefahrers angesichts dieses ersten Grußes vom alten Kontinent. Sturmumbraust, wetterumtost ragt der Leuchtturm empor, weithin in die dunkle Nacht sein freundliches, helfendes, rettendes Licht aussendend, das wie ein guter Engel den Dämon der Finsternis bewältigt und mit seinen Strahlen in das Gemüt des Menschen dringt.

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  • Ort: Auf See nahe Neufundland, Kanada
  • ANNO – am 08.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Der Meister von Palmyra“, während das k.u.k. Hof-Operntheater Wagners „Meistersinger“ aufführt.
  • Während Franz Ferdinand schon auf dem Rückweg nach Europa ist, informiert das Wiener Salonblatt, no. 41, dass er Philadelphia und Washington, DC, besuchen wird.
The Wiener Salonblatt No. 41, informs its readers about Franz Ferdinand's visit to Philadelphia and Washington, DC. A visit to Independence Hall would have been quite unlikely. Anyway, Franz Ferdinand is already on board of the SS Bretagne returning to Europe.

Das Wiener Salonblatt No. 41, sieht Franz Ferdinand bald in Philadelphia und Washington, DC. Ein Besuch der Independence Hall in Philadelphia wäre wohl nicht nach dem Gemüt von Franz Ferdinand, der sowieso bereits auf dem Rückweg nach Europa ist.

 

New York, 7. Oktober 1893

Schon um 6 Uhr morgens holte mich Generalkonsul Havemeyer ab, um mich nach seiner im Westen New Yorks gelegenen Farm zu geleiten. Durch die menschenleeren Straßen ging es nach dem Südwesten der Stadt zum Ufer des North Hudson Rivers und von hier mittels eines großen Trajektdampfers nach Jersey City, wo unser ein Extrazug wartete.

Diese Trajektdampfer, wahre Ungeheuer, deren stets eine größere Anzahl flussauf- und abwärts fährt, können auf einmal 10 bis 20 Wagen und mehrere hundert Passagiere aufnehmen; die Höhe des Deckes korrespondiert mit jener der Anlegestellen, beziehungsweise
der Straße, so dass die Wagen direkt an Bord und an das Land fahren können. Trotz der frühen Stunde herrschte auf dem Fluss schon reges Treiben; Fahrzeuge aller Arten zogen auf und nieder, zahlreiche mächtige Dampfer der transatlantischen Linien waren vor den großen Lagerhäusern der Kompanien vertäut; flussaufwärts lagen zwei Kriegsschiffe und mehrere Torpedoboote der Vereinigten Staaten vor Anker.

Gleich hinter Jersey City durchfährt die Bahn einen langen Tunnel und tritt dann in ein weites Sumpfterrain, das mit hohem, gelbem Schilf dicht bewachsen ist; kleine, freie Wasserflächen und Wasseradern durchziehen dasselbe und einzelne Waldparzellen ragen als Inseln aus dem Sumpfe, der gegenwärtig entwässert und ausgefüllt wird, um Ackerland zu gewinnen. Weiterhin kamen wir in eine überaus freundliche Gegend, welche weder Ortschaften noch Fabriken enthielt und mit ihren Wäldchen, Feldern und Obstgärten entfernt an die tiefer liegenden Gelände Oberösterreichs erinnerte; dieser Umstand, wie auch der herrliche, klare und warme Herbsttag ließen das landschaftliche Bild als ein äußerst sympathisches erscheinen, namentlich weil der Wald in allen Tönen der Farbenskala prangte.

Bei dem kleinen Bahnhof nächst der Farm Havemeyers erwartete uns eine Coach, bespannt mit einem tadellos schönen, schwarzbraunen Viererzug, und in flottem Tempo ging es in der herbstlich gestimmten Landschaft, an taubenetzten Wiesen und Feldern vorbei, der Farm zu.

Vor dieser liegt Havemeyers Fasangarten, der angeblich eine jährliche Aufzucht bis zu zweitausend Fasanen liefert. Hier sollten wir jagen und hatten uns, die schönsten Hoffnungen nährend, mit einer Unmenge Patronen versehen; als ich jedoch statt der Treiber nur drei Pointer sah, die auf Fasanensuche ausgelassen wurden und wie toll revierten, überdies auch der Forstmeister, ein Franzose, nicht sehr „waidgerecht“ schien, wurden meine Erwartungen stark herabgestimmt. Unsere Strecke betrug tatsächlich nur drei geschossene und vier von den Hunden gefangene Stücke, was den Jagdleiter bewog, das geringe Jagdergebnis mit dem Hinweis auf die Kürze der uns zugebote stehenden Zeit zu entschuldigen; in einem anderen, entfernter liegenden Teil des Jagdgebietes würden wir viel mehr Fasanen angetroffen haben. Ich fühlte mich jedoch reichlich dadurch entschädigt, dass ich während des bewaffneten Spazierganges Baumstudien obliegen und hiebei die in mannigfaltigen Varietäten vertretene Eiche bewundern konnte. Neben einem Forsthaus befanden sich die Aufzucht und die Kammern, in welchen über tausend Fasanen umherliefen.

Die misslungene Jagd vergaßen wir alsbald über der Besichtigung der Farm, die nebst dem ausgedehnten Grundkomplex eine reizende Villa und großartige Wirtschaftsgebäude umfasst. Die Lage der Villa muss als eine überaus günstige bezeichnet werden, da diese eine prächtige Aussicht auf den Meierhof, die ausgedehnten Wiesen und auf die bewaldeten Bodenerhebungen bietet. Die Villa ist nach von Havemeyer selbst gezeichneten Plänen erbaut, sehr wohnlich und gemütlich eingerichtet, meist mit Holztäfelung versehen; Efeu und andere Schlingpflanzen ranken sich an der Außenseite des Bauwerkes empor, welches dem Besitzer das Zeugnis ausstellt, dass er über dem Erwerb von Millionen den Sinn für geschmackvolle Häuslichkeit nicht verloren hat. Havemeyer stellte mir hier seinen Schwiegersohn vor, welcher das ganze Jahr in dieser ländlichen Idylle haust und zugleich mit rühmenswertem Verständniss die Verwaltung der Ökonomie besorgt; er ist passionierter Landwirt und sprach mit großer Begeisterung von Wien, woselbst er längere Zeit verweilt hatte.

Da wir bis zum Abgang des Zuges bloß eine Stunde vor uns hatten, konnten wir nur noch den Pferde- und den Kuhstall besichtigen, die mit großem Luxus ausgestattet und tadellos sauber gehalten sind. Die Pferde Havemeyers und besonders einzelne Exemplare, die er uns vorführen ließ, errangen unsere volle Anerkennung; es sind schön gebaute, edle, dabei kräftige Pferde und größtenteils, von einigen importierten, englischen Halbblutpferden abgesehen, Produkte der Landeszucht. Die Kühe stehen in einem in Kreuzform erbauten Stall, von dessen Mittelpunkt aus man alle Stücke überblicken kann; an reichlichem Futter mangelt es nicht, so dass der Ertrag an Milch ein ganz bedeutender ist, die teils nach New York versandt, teils in einem schönen, mit Porzellankacheln ausgelegten, großen Raum zu Butter verarbeitet wird.

Der Zustand der umliegenden Felder ist, soviel sich vom Wagen aus beurteilen ließ, ein sehr guter, der Boden scheint fruchtbar, Mais sowie Raps standen vorzüglich. Wenn ich auch glaube, dass der Ertrag dieser Farm bei deren von dem Streben nach Korrektheit und Nettigkeit, ich möchte fast sagen Eleganz beherrschtem Betrieb kein bedeutender sein dürfte, so kann sich andererseits ein Krösus wie Havemeyer doch die Freude eines derartigen Vergnügens gönnen, ohne Schaden befürchten zu müssen. Zwischen dem Meierhof und der Bahnstation liegt ein größerer Tiergarten mit einem guten Stand von Hoch- und Rehwild.

Während der Rückfahrt machte mir Havemeyer interessante Mitteilungen über seine industriellen Etablissements; von besonderer Bedeutung ist dessen Zuckerraffinerie in Brooklyn, welche täglich 1.814.400 kg Einwurf verarbeitet, was bei Annahme von 300 Arbeitstagen einer jährlichen Produktion von 544.320 t entspricht.

Als wir rasenden Laufes über den Damm des Sumpfgebietes von Jersey City eilten, erlitten wir plötzlich eine Havarie an der Lokomotive und konnten, obschon der Lokomotivführer und die Kondukteure unausgesetzt „All right“ riefen, dennoch weder vor- noch zurückfahren, so dass sich ein vorbeisausender Expresszug unser erbarmte und aus der nächsten Station eine Hilfsmaschine sandte, die uns mit bedeutender Verspätung nach Jersey City brachte.

Mittag war bereits vorüber, und schon um 3 Uhr hatte die „Bretagne“, mit welcher ich nach Europa zurückkehren sollte, abzugehen, vorher aber wollte mir Havemeyer noch ein Dejeuner bei Delmonico geben. Das unmöglich Scheinende wurde dennoch bewerkstelligt: mit echt amerikanischer Geschwindigkeit setzte unser Dampfboot über den Hudson, im schnellsten Lauf jagten die Wagen durch die Straßen und ehe wir uns dessen versahen, saßen wir an einer reichbesetzten Tafel, die in der Tat alles bot, was sich Feinschmecker nur wünschen können. Wir wähnten uns an der Tafel des Lucullus; das historische Ragout von Nachtigallenzungen fehlte zwar, doch wurde uns ein Gericht aufgetischt, welches aus Austern-Parasiten, aus kleinen Krebschen von Bohnengröße, hergestellt war, die als sehr seltene Gäste in den Austernschalen gefunden werden; wenn ich hinzufüge, dass etwa 100.000 Austern geöffnet werden mussten, um die für unser Frühstück erforderliche Anzahl von Krebschen zu sammeln, so ist ein Maßstab für den Wert dieser allerdings vorzüglichen Speise gegeben, der sich die übrigen Bestandteile des Menus würdig anreihten.

Der freundliche Gastgeber und unser Gesandter geleiteten mich an Bord der „Bretagne“. Um 3 Uhr nachmittags verließen wir, das Herz von dem beseeligenden Gefühle geschwellt der Heimat zuzusteuern, den Hafen New Yorks und die neue Welt, die letzte große Etappe der langen Fahrt um die Erde.

Es war mir, entgegen meinen ursprünglichen Absichten, nicht gegönnt, die Vereinigten Staaten zu bereisen, ich musste mich vielmehr darauf beschränken, das enorme Gebiet derselben zu durchfliegen. Daher vermochte ich denn die gewonnenen Eindrücke auch nicht aus der Tiefe zu schöpfen, sondern konnte sie nur an der Oberfläche der Erscheinungen sammeln. Wie aber die emporschießenden und sprudelnden Geyser die geheimnisvollen im Schoß der Erde waltenden Kräfte offenbaren, so darf wohl auch auf anderen Gebieten aus den zutage tretenden Symptomen auf die tiefer liegenden Gründe und Ursachen geschlossen werden. Was ich von der Landschaft Nordamerikas gesehen, die gewaltigen Gebirge, die schaurig eingerissenen Täler, die endlosen Ebenen, die ungeheueren Ströme und Wasserfälle, die Meeren gleich sich weithin erstreckenden Seen, die unermesslichen Entfernungen, die in ihren letzten Atemzügen noch vernehmbaren, im Erdinnern verschlossenen Elementargewalten — dies alles trägt das unverkennbare Gepräge der Großartigkeit an sich. Doch ist das nicht eine Großartigkeit, vom Hauche der Erhabenheit und Poesie umwoben und verklärt, die der Sohn des alten Europas zu schauen gewohnt ist und durch welche die Natur die zartesten Saiten des menschlichen Herzens berührt — es ist vielmehr die mit stolzem Selbstgefühl der Unüberwindlichkeit, mit trotzigem Bewusstsein der Urkraft gepaarte Großartigkeit, die uns hier entgegentritt und die den unerschöpflichen im Schoß der Erde aufgespeicherten Reichtum aller Art vor der gierig darnach langenden Hand zu verteidigen bereit ist, aber gerade hiedurch den Menschen zum Kampf herausfordert. Dieser Kampf ist entbrannt- und die Natur in demselben unterlegen; der Riese Goliath ist zu Füßen des schwachen David hingestreckt worden.

Wenn irgendwo der Mensch mit seinen höheren Zwecken gewachsen ist, so ist dies in den Vereinigten Staaten geschehen. Hier galt es himmelstürmende Gebirge zu übersteigen, zu durchbrechen, Ebenen zu durchmessen, Gewässer dienstbar zu machen, den jungfräulichen Schoß der Erde zu erschließen, wüste Gefilde durch städtische Besiedelung zum Leben zu erwecken — in staunenerregender und Bewunderung einflößender Weise sind diese gewaltigen Leistungen vollbracht worden. Der Mensch ist auf diesem Kampfplatz ins Riesenhafte gewachsen, er hat gelernt, der Natur ein Geheimnis um das andere zu entwinden, ihr die Waffen abzunehmen und diese gegen sie zu kehren.

Dem Geschlecht aber, welches hier ein in der Geschichte der Menschheit für alle Zeiten denkwürdiges Ringen ausgefochten hat und noch immer ficht, ist es ergangen wie erobernden Völkern, die andere unterjochen und diesen zwar ein eisernes Machtgebot aufzwingen, aber deren Art und Gesittung an- und immer mehr in sich aufnehmen. Die so verschiedenen Bestandteile der weißen Bevölkerung der Vereinigten Staaten sind heute noch nicht zu einer homogenen Masse verschmolzen, und dennoch hebt sich die Bewohnerschaft der United States schon jetzt scharf als nationale Besonderheit den Völkern der alten Welt gegenüber ab.

Die Nachkommen derjenigen, welche Europa in den fernen Westen entsandt, jene, welche der breite Strom der Auswanderung dorthin geführt hat, sie stehen uns heute, obwohl Fleisch von unserem Fleisch, Blut von unserem Blut, fremd gegenüber. Nicht das große Wasser ist es, welches die Bürger der Union von uns scheidet, sondern die Natur des Landes hat die Trennung vollzogen, sie hat ihre Bezwinger sich assimiliert, mit allen Vorzügen und allen Schattenseiten ausgestattet, welche ihr selbst eigen sind. Hin Zug ins Großartige ist auch im Charakterbild der Bewohner der Union nicht zu verkennen, der sich allerdings nicht selten in das Bizarre, das Groteske, ja in das Widerwärtige verzerrt. Die kühnsten Ideen werden im Land des Felsengebirges und des Niagaras geboren und mit erstaunlichem Geschick, mit unübertrefflicher Meisterschaft auf dem Gebiete der Technik verwirklicht; heroischer Unternehmungsgeist, freilich oft genug mit beispielloser Rücksichtslosigkeit gepaart, bricht sich immer neue Bahnen, führt zur Erwerbung kolossaler Vermögen, allerdings nicht selten über Tausende ruinierter Existenzen hinweg und nicht ohne dass die Moral trauernd zur Seite stehen müsste; neben bewundernswerten Schöpfungen philanthropischen Geistes tritt krassester Egoismus zutage, der im Nebenmenschen nur ein Objekt der Ausnützung, nicht aber ein fühlendes Wesen erblickt; gewissenhafter Bemühung machen marktschreierische Reklame und unnachahmlicher Humbug jeden Fuß breit des Erfolges streitig, hart neben redlichem Gewerbe wird ein wüster Tanz um das goldene Kalb aufgeführt, das hier die Gestalt des Dollars angenommen hat; ernstes Streben, geordnete öffentliche Zustände zu schaffen und zu erhalten. wird nur zu oft durch eine die maßgebenden Kreise durchsetzende Korruption wettgemacht, die mitunter selbst den Richterstand ergreift, so dass an Stelle gesicherter Rechtshilfe Selbsthilfe der rohesten Form tritt.

In allen Erscheinungen, welche den Charakter der Bevölkerung der Vereinigten Staaten zum Ausdruck bringen, ist — ich wiederhole dies — die Veranlagung in das Große ein hervorstechender Zug. der, mögen die verschiedenen Manifestationen desselben mitunter sogar abstoßend sein, immer interessant bleibt. Es liegt im Bürger der Union der Ansatz zum Überlebensgroßen, zum Übermenschen, den ihm die umgebende Natur eingeimpft hat. Wie es aber dieser an dem Zauber poetischer Verklärung fehlt, so gebricht es den Menschen an dem intimen Reize der Persönlichkeit, an der Wärme des Wesens; sie haben mir den Eindruck kalter Individualitäten gemacht, da ich an ihnen die Liebenswürdigkeit des Herzens sowie die Gemütlichkeit des Sinnes vermisste — Eigenschaften, welche uns die Menschen erst sympathisch werden lassen, mögen wir sonst auch noch so viel Ursache haben, ihnen unsere Anerkennung, vielleicht auch Bewunderung nicht zu versagen. Die Kulturvölker der alten Welt sind nicht von Sentimentalität angekränkelt, sie mussten den Kampf ums Dasein auch lernen; aber Herz und Gemüt haben, namentlich in der geliebten Heimat, hierunter nicht nur nicht gelitten, sondern sind gleichberechtigte, mildernde, wohltuende Faktoren neben dem denkenden Verstand, neben dem entschlossenen Willen geblieben.

Ein kleiner Schleppdampfer bugsierte die „Bretagne“ aus ihrer Vertäuung, dann setzte sich die Maschine des Schiffes in Bewegung, und wir fuhren stromabwärts, vorbei an den Häusermassen von New York und Brooklyn, an den vielen Schiffen in der Upper Bay, endlich zwischen Staten Island und Long Island hindurch und um Coney Island in den Ozean hinaus.

Vor Sonnenuntergang sollte uns noch ein schönes maritimes Schauspiel zuteil werden, da an diesem Tag die bedeutendste der nordamerikanischen Segelregatten, jene um den Preis des New Yorker Yacht-Clubs abgehalten wurde und die beiden besten Yachts der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, die „Vigilant“ und die „Walkyrie“ um den Sieg stritten. Schon den ganzen Tag über war New York in fieberhafter Erregung darüber gewesen, welche von den beiden den Preis erkämpfen werde, eine Erregung, die hier in allen Fällen herrscht, wo es sich um irgend eine Konkurrenz zwischen den Amerikanern und den Engländern handelt. Die Regatta hatte eben ihr Ende erreicht. Schon kamen uns die mit den Zuschauern dieses Seefestes beladenen Schiffe entgegen, und alsbald konnten wir uns überzeugen, dass die Palme den Vereinigten Staaten zugefallen war; denn die an uns vorbeieilenden Dampfer der Union hatten — ein Zeichen nationaler Begeisterung — Flaggengala gehisst und überall erschollen Jubelrufe, wurden Tücher und Hüte geschwenkt. Wir genossen eine Art Flottenrevue, da auf wenige hundert Meter wohl an die zweihundert mit Menschen vollgepfropfte Dampfer der verschiedensten Art, vom ungeschlachten Hudson Steamer an bis zu zierlichen Dampf-Yachten, zu beiden Seiten der „Bretagne“ vorbeischossen, um eilends die Freudenbotschaft den harrenden Freunden zu bringen. Jeder der Dampfer suchte den anderen zu überholen, ja auch hier wurde der Wetteifer zum regelrechten Kampf, und mitunter dampften vier bis fünf Schiffe auf gleicher Höhe an uns vorüber, während all die Leute an Bord schrien und johlten und einige der Dampfer Freudenschüsse lösten. Weiterhin kamen die beiden Renn-Yachten mit gerefften Segeln im Schlepp heran, bis endlich nach Ablauf von weniger denn einer halben Stunde der ganze, tolle Zug vorübergerauscht war und in der Richtung gegen New York zu all die Schiffe nur noch als kleine Pünktchen am Horizont sichtbar waren.

Schließlich waren auch die von den qualmenden Schloten emporsteigenden Rauchwölkchen verflogen und ringsum nichts mehr zu sehen als die glatte See, auf der wir ruhig mit nordöstlichem Kurs weiterfuhren, bald umhüllt von dem Schatten der sinkenden Nacht.

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  • Ort: New York, New York, USA
  • ANNO – am 07.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Der kleine Mann“, während das k.u.k. Hof-Operntheater „A Santa Lucia“ und andere Stücke aufführt.

New York, 6. Oktober 1893

Die Nacht hindurch fuhren wir mit rasender Schnelligkeit an vielen Städten und an zahlreichen großen Etablissements vorbei, was wir an dem elektrischen Licht erkannten, welches blitzartig an unseren Coupefenstern vorbeihuschte. Als der Morgen angebrochen war, eilten wir am Ufer des Hudson dahin, den wir bis New York nicht mehr verließen; dichter Nebel verschleierte das gegenüberliegende Ufer und nur auf unserer Seite sahen wir viele zuberg und zutal fahrende Schiffe.

Auf dem Bahnhof in New York und im Hotel Windsor harrten meiner zahlreiche Reporter, deren Bemühungen jedoch auch hier vergebliche blieben. Ich zog es vor, unseren Gesandten und den Generalkonsul Havemeyer zu empfangen, bei welchem Anlasse letzterer, eine der reichsten Persönlichkeiten New Yorks, mich einlud, am nächsten Tag seine Farm zu besichtigen.

Eine nähere Untersuchung unseres Gepäckes offenbarte uns dessen durch die rüde Behandlung auf den amerikanischen Bahnen eingetretenen desolaten Zustand. Nicht weniger unerfreulich berührte, dass eine fällige Post nicht eingetroffen war, so dass wir die Hoffnung, die mit Bestimmtheit erwartete Sendung noch zu erhalten, der unmittelbar bevorstehenden Abreise wegen aufgeben mussten.

Von einer Besichtigung New Yorks konnte nicht die Rede sein. es galt also nur im Flug ein Gesamtbild, eine Momentaufnahme zu erhaschen. Zu diesem Zweck steuerten wir nach dem nächst City Hall Park im Zentrum des älteren Stadtteils gelegenen Pulitzer Building mit dem World’s Office, den Geschäftsräumen einer der größten Zeitungen, die alltäglich in der Auflage von einer halben Million Exemplaren hier das Licht der Welt erblickt. Der palastähnliche Bau ragt mit 17 Stockwerken bis zur Höhe von 94 m empor und wird von einer mächtigen Kuppel gekrönt. Von hier gewinnt man einen vortrefflichen Überblick über die Stadt, welche dort, wo im Jahre 1624 durch die Holländisch-westindische Kompanie die erste dauernde Niederlassung gegründet worden ist, zu dem größten und reichsten Gemeinwesen der neuen Welt, zu einem nur London nachstehenden Handels- und Geldplatz geworden ist und heute mit Brooklyn, Jersey sowie mit einigen Vororten 3,5 Millionen Einwohner zählt.

Wie ein plastischer Plan liegt der Komplex von Städten unter uns; zunächst das eigentliche New York auf der Manhattan-Insel, welche vom North River oder Hudson und vom East River bespült wird; östlich erhebt sich Brooklyn, westlich Jersey City; zwischen diesen erstreckt sich die ausgedehnte Upper Bay mit der kolossalen Freiheitsstatue, einem Geschenk der ideenverwandten Französischen Republik, auf Bedloe’s Island; in der Ferne sieht man Staten Island und Coney Island, die bereits im Nebel zu verschwinden scheinen. Im Hafen wie auf beiden Flüssen tummeln sich Schiffe aller Größen und aller Nationen, der kleine Segelkutter und der Fünfmaster, die schnellen Bowers und die Atlantic-Dampfer.

Während der untere und ältere Teil der Stadt unregelmäßig erbaut ist, die Straßen enge und krumm dahinziehen, feiert oberhalb der 13. Straße die Regelmäßigkeit der Anlage in den sich im rechten Winkel schneidenden Verkehrsadern den vollendetsten Triumph. Nur der Broadway, die alte Hauptstraße und Schlagader New Yorks, welche sich vom Südosten nach dem Nordwesten erstreckt, und der Central Park unterbrechen die Monotonie des städtischen Bildes. Gleichwohl ist dieses durch die Großartigkeit seiner Nüchternheit sowie durch die Mächtigkeit seiner Dimensionen imponierend — schön kann ich es nicht nennen.

Vier Hochbahnen, Tramways, Omnibusse und Wagen aller Arten durcheilen die Straßen und bewältigen ebenso wie die zahlreichen Dampffähren im Hafen und auf den Flüssen, den enormen lokalen Verkehr. Dahinfließenden dunklen Strömen gleich schieben sich Menschenmassen nach allen Richtungen des Weichbildes.

Während wir aus schwindelnder Höhe auf die Städte herabblickten, welche da blühen und wachsen, wurden wir von einem Gefühle der Ehrfurcht ergriffen vor jenem höchsten Wesen, welches hier lebt und regiert — vor dem allmächtigen Dollar!

Die aus der Vogelperspektive gewonnene Skizze durch einige kräftigere Striche ergänzen zu können, durchfuhren wir die Stadt in einigen ihrer bedeutendsten Teile. In der älteren Ansiedlung vereinigt sich das geschäftliche Leben, hier herrscht das „Business“, ist die Geburtsstätte der Millionen.

Der Broadway leitet, einem Saugrohr gleich, diese lieblichen Kinder des Südens nach den oberen Regionen der Stadt und der Gesellschaft, dorthin wo die goldenen Früchte in behaglichstem Komfort, in fürstlicher Pracht, in schwelgerischem Luxus verzehrt werden. Der Abstand zwischen Production und Konsumtion der Millionen beträgt nur 8 km; denn in dieser Länge erstreckt sich der Broadway bis zum Central Park, um von hier als Boulevard weiter zu laufen. In dem unteren Teil entwickelt sich ein sinnbetäubendes Verkehrsleben, eine wahnwitzige Jagd nach dem Glück, nach dem Dollar. Je mehr der Broadway sich der oberen Stadt nähert, um so zahlreicher, glänzender, üppiger werden die Verkaufspaläste und Läden, Stores; hier ist der Bereich derjenigen, welche die ausgelegten Schätze wohl zu erwerben vermögen. Zwischen der 23. und 25. Straße kreuzt der Broadway die Fifth Avenue, die, in ihrem südlicheren Teil gleichfalls dem geschäftlichen Leben dienend, von der 42. Straße an den eigentlichen Sitz der Geldaristokratie, der Millionäre und hiedurch das Herz von New York bildet. Die Fifth Avenue ist von einem Elevated Railroad und einer Tramway bisher noch verschont geblieben; stattliche Privathäuser, stolze Paläste reihen sich hier aneinander; man hat auch den Versuch gemacht, künstlerisch schöne Bauwerke zu errichten, aber keinerlei Erfolg erzielt, da der Baustil im ganzen und großen der gleiche ist und der als Material verwendete braune Sandstein keinen Effekt hervorbringt.

Als Spezialität des Straßenbildes dürfen die zahlreichen Bars angesehen werden, welche dem Publicum allerlei mehr oder weniger kombinierte Getränke bieten; „Hoffmanns Haus“ tut ein übriges, indem es seinen Gästen auch den bildnerischen Anblick europäischer Künstler ermöglicht, die wohl eine würdigere Stätte verdient hätten.

In den Vereinigten Staaten liebt man es, in Anwandlungen von Selbstüberschätzung und Eigendünkel von jedem Werke, jeder Erfindung, jeder Institution zu behaupten, dass hiemit das Beste, das Größte der Welt geboten sei und dem Schlagwort „the first of the world“ begegnet man allenthalben, obwohl diese Bezeichnung nicht immer zutrifft; in Anwendung auf die East River-Brücke oder Brooklyn-Brücke, wie sie auch genannt wird, ist jedoch. die Berechtigung jenes Superlatives nicht wegzuleugnen. Wir hatten hier in der Tat die größte Hängebrücke der Welt vor uns; ein Meisterwerk technischer Kunst, ist diese Verbindung zwischen New York und Brooklyn 1825 m lang und 26 m breit, die Brücke erhebt sich 41 m über den Flutwasserstand, so dass die Schiffe unter derselben passieren können, ohne die Stengen zu streichen; in der Mitte ist ein erhöhter Fußweg angelegt, zu dessen Seiten zwei Bahngeleise und zwei Fahrstraßen angeordnet sind. Im Trab fahrend, brauchten wir beinahe 13 Minuten, um von dem einen Ende der Brücke zum anderen zu gelangen.

Die weitere Rundfahrt vervollständigte durch den Anblick zahlloser, in bunten Farben, in allen Dimensionen und Formen prangender, marktschreierischer Reklamen den Eindruck geschäftlicher, auf ihrem Höhepunkt angelangter Betriebsamkeit und durch den Mangel an Gärten sowie an grünenden Plätzen jenen der Nüchternheit, welchen einige Standbilder nicht zu bannen vermögen, jenes von Garibaldi wohl am wenigsten.

Unmittelbar nach dem Frühstück besuchten wir den Central Park, den Prater New Yorks, woselbst sich nachmittags die reiche Welt Stelldichein gibt. Mit Stolz wurde uns berichtet, dass die durch eine niedrige Steinmauer umfriedete Gartenanlage einem sumpfigen und felsigen Terrain mit dem Aufwand von 15 Millionen Dollars abgerungen worden sei. Der ausgedehnte Park erscheint als wahres Labsal durch das frische Grün der Bäume, worunter namentlich zahlreiche Varietäten von Eichen, und der Rasenplätze, durch die malerisch angeordneten Baumgruppen und Lichtungen; mehrere Teiche, darunter die Croton Reservoirs tragen zur Abwechslung bei.

Die Mall, eine breite, von mächtigen Ulmen eingefasste und durch eine Reihe von Bildwerken geschmückte Fahrbahn, bietet in der Season Gelegenheit zu glänzenden Auffahrten, zur Schaustellung der Millionäre New Yorks. Den Mietwagen und Equipagen sahen wir auffallend schöne Pferde vorgespannt — eine Beobachtung, die ich schon während der Rundfahrt durch die Stadt machen konnte, wie ich denn auch wahrgenommen hatte, dass selbst die Pferde der Lastwagen sich als gar stattliche, gute Exemplare präsentieren. Hingegen errangen die Wagen, welche im Park an uns vorbeirollten, meinen Beifall nur in minderem Grade, da sie zwar luxuriös gebaut sind, aber der Gefälligkeit und Eleganz in der Form entbehrten. Auch von den zahlreichen Reitern und Amazonen, die auf- und niedersprengten, war ich nicht sonderlich entzückt.

Das Diner nahmen wir bei Delmonico, auf dem Madison Square, einem Restaurant, welches sich unbestritten des ersten Ranges sowie weitreichender Berühmtheit erfreut und uns nicht nur Roastbeef oder Lammkoteletten, sondern auch auserlesene Produkte französischer Küche bot; distinguiertes Publikum füllte die eleganten Räume.

Den Abend beschlossen wir in Koster und Bials Variete-Theater, womit eine Restauration in Verbindung steht. Wir wohnten hier einer Vorstellung nach Art jener bei, wie sie im Wiener Etablissement Ronacher geboten werden, und waren nicht wenig erfreut, als drei Sängerinnen, dem Anschein nach Österreicherinnen, die „Blaue Donau“ vortrugen. Minder angeregt fanden wir uns durch ein am Schluss aufgeführtes Ballett, welches ein Fest am Hofe Ludwig XIV. zum Vorwurf hatte; die Ausstattung und die Darstellung ließen ebenso viel zu wünschen übrig, wie die Tänzerinnen, die den Jugendjahren zumeist schon seit längerer Zeit entwachsen waren.

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  • Ort: New York, New York, USA
  • ANNO – am 06.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Othello“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Margarethe (Faust)“ aufführt.

Niagara Falls — New York, 5. Oktober 1893

Vormittags besuchte ich einige der zahlreichen Kuriositätenläden der Stadt, welche, nach den Preisen zu schließen, auf die Ausbeutung der Fremden berechnet sind; die interessanteren, von Indianern herrührenden Gegenstände sind unerschwinglich. Die Fälle existieren hier in zahllosen photographischen Aufnahmen, und möchte ich fast behaupten, dass erstere im Bild noch wirkungsvoller sind als in der Natur. Ausgestopfte Tiere in den unglaublichsten Stellungen scheinen einen beliebten Kaufartikel zu bilden.

Der Rundsicht nach allen Richtungen dient ein beinahe 100 m hoher eiserner Turm, dessen Spitze mit einem Lift binnen weniger Sekunden erreicht ist; doch musste auch hier mit Bedauern konstatiert werden, dass es an landschaftlichen Reizen fehlt und das Auge nur über eine langweilige, mit Ortschaften übersäete Ebene schweift.

Von dem auf kanadischem Ufer gelegenen Rapids Park steigt man mittels einer Drahtseilbahn zu den Stromschnellen, den Whirlpool Rapids hinab. Die gewaltige Wassermasse wogt daselbst, hohe Wellen aufwerfend, durch die verengte Schlucht dahin und nimmt, da sie in derselben nicht genügend Raum findet, tatsächlich eine konvexe Form an. Hier büßte im Jahre 1883 Captain Webb bei dem Versuch, die Stromschnellen zu durchschwimmen, sein Leben ein; einem Nachfolger. der sich jedoch zu dem gleichen Zweck in ein Fass einschließen ließ, gelang in späterer Zeit das tollkühne Wagnis. Dass Blondin die Fälle auf dem Seil überschritten hat, ist bekannt.

In jeder Beziehung höchst interessant ist die Fahrt auf einem kleinen Dampfer, welcher von dem auf dem amerikanischen Ufer gelegenen Prospect Park aus beinahe bis unter den Hufeisenfall steuert, so dass der aufgeworfene dichte Wasserstaub das ganze Deck überspült: mit großem Geschick fährt der Kapitän so nahe als möglich an den Fall heran, dass das Schifflein auf den Wirbeln und Wellen tanzt und der Beschauer von dem im Sonnenlicht grell leuchtenden Gischt förmlich geblendet wird. Während der Fluss an anderen Stellen eine dunkelgrüne Färbung zeigt, ist hier alles weiß in Weiß — die herabstürzenden Massen, der Wasserstaub und die zahllosen Wirbel, die wie siedendes Wasser aufschäumen. Der dumpfe, tosende Lärm, der aus nächster Nähe an das Ohr dröhnt, wirkt sinnverwirrend.

Der Dampfer trägt den Namen „Maid of the Mist“ zur Erinnerung an eine alte Sage, welche erzählt, dass die Indianer seinerzeit alljährlich dem Gott des Falles das schönste Mädchen des Stammes opferten; dieses wurde in ein blumengeschmücktes Kanu gesetzt und so über die Fälle in den Tod getrieben. Als einst die Lieblingstochter eines Häuptlings diesem Los verfiel, stürzte der unglückliche Vater ihr nach und verschwand mit seinem Kind im tosenden Fall. Im Lauf der Zeit wurde diese Sage geändert und ausgeschmückt, die Indianerin verwandelte sich in eine Fee, die jene aufnimmt, die aus Unvorsichtigkeit oder freiwillig im Niagara den Tod finden; denn alljährlich fordert der Strom zahlreiche Opfer.

Prospect Point, ein mit einer schützenden Steinmauer versehener Aussichtspunkt des gleichnamigen Parkes, liegt unmittelbar am Rande des amerikanischen Falles und bietet dem Besucher die Möglichkeit, zu seinen Füßen die ungeheuere Wassermenge, in weißen Staub aufgelöst, über die Felsen stürzen zu sehen. Ostwärts schreitend erreichten wir die Brücke, welche nach Bath Island führt, und von hier über eine zweite Brücke Goat Island, das, durch reiche Baumvegetation geschmückt, zahlreiche Aussichtspunkte, unter diesen als bemerkenswertesten den dicht neben dem Hufeisenfalle gelegenen Terrapin Rock, besitzt.

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Niagara Falls, 4. Oktober 1893

Die Nachtruhe wurde abermals durch die mit dem Verschieben verbundenen, heftigen Stöße empfindlich gestört; auch konnten wir am Morgen wieder den Verlust mehrerer Weinflaschen sowie die Verletzung eines der uns bedienenden Neger, welcher durch die Wucht eines Anpralles gegen die Waggonwand geschleudert ward, konstatieren.

Wir hatten Chicago kaum mit dem Michigan Central Railroad verlassen, um dem nächsten Reiseziele, den Niagarafällen, zuzufahren, als wir in das Gebiet des Staates Indiana und dann in jenes von Michigan eintraten; bei Detroit übersetzten wir mit dem Eisenbahnzug auf einem großen Trajectschiffe den Detroit River, der den Huron- und den kleinen St. Clair-See mit dem Erie-See verbindet, und erreichten endlich bei Windsor das Gebiet der kanadischen Provinz Ontario.

Der Tag war schön und die Gegend sehr anmutig, da Waldungen und Waldparzellen mit Farmen, Obstgärten und Feldern abwechselten; die Bäume trugen allenthalben bereits das herbstliche Kleid, das viel intensiver als unter unserem Himmelsstrich gefärbt war und sich an den zahlreichen Eichen und Ahornen in auffallend schönem, vom hellen Zinnober bis zum dunklen Purpur variierendem Rot zeigte, wirksam gehoben durch das Gelb und Braun der Pappeln und Kastanien. Die Obstbäume, unter welchen ein scharlachroter Ailanthus wucherte, waren mit Früchten behangen.

Trotz dieser hübschen Bilder, an denen wir uns nicht satt sehen konnten, bedauerte ich, nicht wie sonst am 4. Oktober hoch oben in den Kärntner Bergen weilen zu können, um hier in meiner kleinen Jagdhütte reine Luft zu schöpfen und mich, von meldenden Hirschen umgeben und vom Jägerjungen sowie vom Schweißhunde begleitet, ungetrübten Naturgenusses zu erfreuen, das Auge an der unvergleichlichen Landschaft unserer Alpen weidend. Der Mensch hängt eben an seinen Gewohnheiten und vermisst schwer, was er liebgewonnen.

Das plötzliche Anhalten des Zuges riss mich aus meinen Betrachtungen, alles rief: „Der Niagara, der Niagara“. Die Bahnverwaltung hat einen Aufenthalt von wenigen Minuten eingeschaltet, um den Reisenden einen Blick auf den Fall zu ermöglichen, der mich im ersten Moment enttäuschte, ernüchterte; denn schon seit meiner frühesten Jugend hatte sich in mir eine Vorstellung dieses Naturwunders ausgestaltet, die in grellem Widerspruch mit der Wirklichkeit stand. Der Fluss stürzt in einer ganz flachen Gegend, aus welcher Städte, Hotels und rauchende Fabriksschlote aufragen, über einen Felsabsatz, der einem ungeheueren Wehr nicht unähnlich ist, hinab. Trotzdem leugne ich nicht, dass dieser mächtigste Wasserfall der Erde einen durchaus großartigen Charakter an sich trägt, der aber allerdings in meinen Augen durch den Mangel der landschaftlichen Szenerie stark verliert; es fehlt eben der dieses Bildes würdige Rahmen.

Der Niagara River ist der Abfluss des Superior-, Michigan-, Huron- und Erie-Sees und besitzt, auf seinem 58 km langen Lauf um 100 m abfallend, eine reißende Geschwindigkeit; am Rand des Falles wird das Flussbett durch Goat Island geteilt und bilden sich daher zwei Fälle, nämlich der 322 m breite, amerikanische und der 915 m breite, gekrümmte Horse Shoe oder kanadische Fall. Die Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada geht mitten durch den Horse Shoe-Fall; beide Fälle ergießen in einer Minute 425.000 m³ Wasser zutal. Unterhalb der Fälle verengt sich der Fluss und bildet tosende Stromschnellen, die man von der hohen Cantilever Bridge der Michigan Central Railroad übersieht, einer freischwebenden Brücke, welche den Niagara übersetzt, ohne auf Pfeilern zu ruhen. Etwa 90 m weiter flussabwärts ist die Railway Suspension Bridge gespannt, eine Kettenbrücke, die unterhalb des Bahngeleises noch eine Brücke für den Straßenverkehr trägt.

Der Zug macht, nachdem er über die Cantilever Brücke auf amerikanisches Gebiet gelangt ist, außerhalb der Stadt Niagara Falls halt, welche ihr Entstehen und ihren Bestand weniger den industriellen Etablissements, als dem Fremdenzufluss verdankt; kommen doch jährlich über 400.000 Besucher hieher.

Alsbald verfügten wir uns nach dem auf kanadischem Ufer gelegenen Queen Victoria Niagara Falls Park, der sich 4 km weit den Fluss entlang zieht, und, wohlgepflegt sowie mit saftig grünem Rasen und mächtigen Bäumen geschmückt, allenthalben prachtvolle Ausblicke auf die Fälle bietet. Table Rock ist der Punkt, von dem aus gesehen der Hufeisenfall die bedeutendste Wirkung hervorbringt; mit betäubendem Getöse stürzt die Wassermasse ab, während der feine Wasserstaub, in welchen die Sonne prächtige Regenbogen webt, hoch aufgewirbelt wird.

In einem naheliegenden Haus erhält man Kautschukanzüge, die nur das Gesicht freilassen, fährt dann mit einem Elevator zum Fuß des Falles, passiert hier zuerst eine Höhle und schreitet dann auf einem schmalen Steg zwischen den Felsen und den donnernden Wassermassen weiter. Es war ein eigentümliches, fast möchte ich sagen beengendes Gefühl, das wir, inmitten der tosenden Gewässer an eine Felswand gelehnt, empfanden; unsere Stimmen vermochten den gewaltigen Lärm nicht zu übertönen, und von Zeit zu Zeit erhielten wir aus bedeutender Höhe eine Dusche nach der anderen. Die Felsen bestehen hier aus Sandstein und sehr brüchigem Schiefer, von dem sich unausgesetzt größere Stücke ablösen, so dass das Gefühl der Sicherheit beim Vorwärtsschreiten stark beeinträchtigt wird. Auf Stufen und Leitern und unter häufigem Ausgleiten auf den schlüpfrigen Steinen klommen wir noch ungefähr 30 m tiefer, kamen wieder vor den Fall und konnten uns hier, durch ein ausgiebiges Sturzbad begrüßt, neuerdings an der Großartigkeit des Schauspieles erfreuen. Äußerst effektvoll war die von den Strahlen der untergehenden Sonne hervorgezauberte rötliche Beleuchtung des Falles.

Mein Namenstag wurde beim Diner im Waggon gefeiert, worauf wir uns einen vergnüglichen Abend in der vielgepriesenen Music Hall von Niagara Falls machen wollten; doch war der hier gebotene Kunstgenuss höchst mäßig und auch das Publikum von der geringsten Sorte.

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  • Ort: Niagara Falls, Ontario, Kanada
  • ANNO – am 04.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Landfrieden“, während das k.u.k. Hof-Operntheater „A Santa Lucia“ und anderes aufführt.

Chicago, 3. Oktober 1893

Eine ganze Reihe von Schienensträngen, teils mit unserer Fahrtrichtung parallel laufend, teils divergierend über und unter derselben führend, zeigte früh morgens an, dass wir uns Chicago näherten; dieses kolossale Verkehrsnetz gewinnt fortwährend an Ausdehnung, breite, mit Schienen belegte Straßen bilden sich, auf welchen die Züge mit großer Schnelligkeit aneinander vorbeisausen, ohne Unterschied, ob sie die belebte Stadt, das besiedelte Land oder die Prairie durchfahren. Es ist erstaunlich, dass bei dem gänzlichen Mangel an Bahnwächtern, Schranken und sonstigen Sicherheitsvorkehrungen sowie bei dem geringen Beamtenstand, dessen Vertreter man selten zu Gesicht bekommt, sich nicht mehr Eisenbahnunfälle ereignen.

Bei uns wäre es unmöglich, täglich zahllose Eisenbahnzüge in voller Fahrt die Straßen volkreicher Städte durcheilen zu lassen und sich hiebei auf das Zeichen der Lokomotivglocke als einziges Warnungssignal zu beschränken. Wird einerseits bei uns zu Hause in Bezug auf die Sicherheit der Person und auf die Verhütung von Unfällen manchmal etwas zu weit gegangen und das reisende Publikum allzusehr bevormundet, so ist andererseits das hier beliebte System denn doch zu amerikanisch um der Nachahmung würdig zu sein.

Schmutzige Vorstädte, dampfende Fabriksschlote und undurchdringliche Rauchwolken, welche über der Stadt schwebten, waren die ersten Eindrücke, die wir bei unserer Ankunft in Chicago empfingen. Da ich die kurze Zeit meines Aufenthaltes ausschließlich und ungestört der Besichtigung der Ausstellung widmen wollte, hielt ich es für geboten, den Zug zu verlassen, ohne erkannt zu werden, und eilte, als ich in der Einfahrtshalle ein ganzes Heer von Reportern mit dem nötigen Schreibmaterial in den Händen unter der Führung eines höheren Eisenbahnbeamten auf meinen Pullman Car zuschreiten sah, durch einige Waggons hindurch und gelangte auf diese Weise unbemerkt zu einem Wagen, den ich sogleich zu der nach der Ausstellung führenden Bahn fahren hieß.

Chicago war die erste Stadt des nordamerikanischen Ostens, die ich sah; obgleich dieselbe weit großartiger und mächtiger in ihren Dimensionen ist, als die bisher von uns berührten amerikanischen Gemeinwesen, konnte ich ihr doch gar keinen Gefallen abgewinnen. Während die Vorstädte und die entfernteren Stadtviertel durchaus den wiederholt geschilderten Städten des Westens gleichen, treten im Innern Chicagos an die Stelle der Holzbauten wahre Ungetüme von Häusern, die aber bloß auf die praktische Ausnützung berechnet und ebenfalls ohne jeglichen Aufwand an Schönheitssinn erbaut sind. Ein Haus gleicht dem anderen auf das genaueste und nur die Anzahl der Stockwerke ist verschieden; wir sahen Bauwerke, die 15, ja 18 Stockwerke zählten, doch jedes Schmuckes, selbst des kleinsten verschönernden Details entbehrten. Diese riesigen Zinstürme, welche aus einem großen Eisengerippe mit Hohlziegelfüllung bestehen, sind manchmal im Verhältnis zu ihrer Höhe äußerst schmal, was natürlich eine harmonische Wirkung von vorneherein ausschließt; infolge des Rauches, welcher den Fabriksschloten entqualmt, haben die Häuserfronten, die Dächer und die Straßen ein düsteres, unfreundliches Äußere erhalten, welches durch den dunklen, roten oder braunen Anstrich der Gebäude noch verstärkt wird.

Bei dem großen Auditorium Hotel, das die Ecke der Michigan-Avenue und der Congress-Straße bildet, bestiegen wir die längs des Michigan-Sees zur Ausstellung führende Eisenbahn; eine doppelte, mit Steinblöcken ausgefüllte Pallisadenwand hat die Wellen des oft stürmisch bewegten Sees vom Ufer abzuhalten, doch werden gleichwohl die Schienen der eigens für Zweck der Ausstellung erbauten Bahn häufig fußhoch überschwemmt.

Eine große Menschenmenge wallt schon in den Morgenstunden der Exhibition zu und wird mit Dampfbooten, mit Eisenbahnzügen oder endlich mittels Coaches dahin befördert; letztere erfreuen sich besonderer Vorliebe seitens der Söhne Albions, welche dann unter Peitschengeknall und Trompetengeschmetter in den World’s Fair einfahren. Die Bahn lässt alle fünf Minuten einen Zug abgehen; die 20 Minuten währende Fahrt endet auf einem langen hölzernen Viadukt, der einen guten Ausblick auf die Ausstellung mit ihrem Meer von Hallen und Gallerien, Kuppeln und Türmen bietet.

Wenn ich vorerst den Gesamteindruck wiedergeben will, den mir die Ausstellung während meines eintägigen Besuches gemacht hat, so kann ich nicht leugnen, dass derselbe, sowohl was die Ausdehnung und Anlage, als auch den architektonischen Ausbau der Hauptobjekte anbelangt, ein durchaus großartiger war; man wollte alle bisherigen Ausstellungen übertrumpfen, was auch in den erwähnten Gesichtspunkten gelungen ist.

Der Ausstellungsplatz, 278 ha umfassend, wird an drei Seiten von den Häusern der Stadt, an der vierten Seite vom Michigan-See begrenzt. Die Hauptgebäude imponieren durch ihre fabelhafte Größe, desgleichen die Wasserbauten, die Avenuen und die Verkehrsanlagen in der Ausstellung selbst, obschon das ganze Terrain vor kurzem noch eine öde Wüste war. Wie alles, so hat auch diese Ausstellung ihre Schattenseiten; die exponierten Gegenstände entsprechen nicht immer den Erwartungen, der Besucher sieht viel Unnötiges, manches Alte, dem er schon oft begegnet ist, und Dinge von höchst zweifelhaftem Wert. Mitunter erkennt man das Bestreben, unförmlich große Hallen um jeden Preis ausnützen zu wollen; so fand ich beispielsweise einen bedeutenden Raum mit schlecht ausgestopften Tieren und Präparaten erfüllt — ein hieher übertragenes naturhistorisches Museum, dessen Existenzberechtigung an dieser Stelle zumindest fraglich ist. Von der Absicht geleitet, alles in einer Großartigkeit vorzuführen, welche der erstaunten Welt als nur in Amerika möglich gezeigt werden sollte, ist man mitunter dem Schwindel verfallen, der unter der glänzenden äußeren Hülle hervorlugt. Auch kann nicht unerwähnt bleiben, dass das Publikum in der Ausstellung durch sein rücksichtsloses Vorgehen, sein Drängen und Stoßen den Aufenthalt nicht immer eben angenehm machte.

Da mich die schon früher angedeuteten Umstände zwangen, dem Besuch der Ausstellung nur einen Tag zu widmen, trachtete ich soviel als möglich zu sehen, vor allem aber die hervorragendsten Gebäude, dann die mich interessierenden forst- und landwirtschaftlichen, ethnographischen und naturgeschichtlichen Abteilungen. Wenngleich ein Tag im Vergleich zum Umfang der Ausstellung unzureichend sein musste, konnten wir doch einen allgemeinen Überblick gewinnen und, den erforderlichen Eifer an den Tag legend, das Wichtigste auch eingehender besichtigen. Jegliche Führung hatte ich abgelehnt, um nicht vom Willen des Führers abhängig zu sein und auf dessen Wunsch vor einer Seifen- oder Parfüm-Exposition in Bewunderung verharren zu müssen, und eilte mit Zuhilfenahme eines Planes jenen Objekten zu, die ich als sehenswert erachtete.

In dem Kinderpavillon, einer Ausgeburt amerikanischen Sensationsbedürfnisses, welcher dem Endpunkt der Bahn zunächst gelegen ist, waren Kinder in allen Entwicklungsstadien vom neugeborenen Säugling an bis zu Sprösslingen im zehnten oder zwölften Jahre ausgestellt und wurde die Behandlung sowie die Pflege des amerikanischen Kindes ad oculos demonstriert; dass dies bei den reihenweise in Wiegen liegenden Säuglingen nicht immer ästhetisch wirkte, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Unwillkürlich gedachte ich meines Besuches in Moskau, wo ich im Staats-Findelhaus zur allgemeinen Heiterkeit die Front von 3000 Säuglingen und den dazu gehörigen Ammen abschreiten musste. Selbstverständlich betrachtete ich auch die in Chicago exponierte Schar mit den Augen eines Junggesellen, der bekanntlich angesichts von Kindern durch andere Gefühle beschlichen wird, als eine junge Mutter. Zum Glück hat die Ausstellungskommission dafür gesorgt, dass die lebenden Objekte in ihren Räumen nur durch große Fenster gesehen werden können und somit verschiedene intime Vorgänge der Kindererziehung in der Regel dem Beschauer entrückt bleiben können; doch hat man dessenungeachtet Gelegenheit genug, auch diese Details eingehend zu studieren.

Anregender erschien mir die Garten- und Obstausstellung; der horticole Teil ist zwar, mit Ausnahme der interessanten mexikanischen Kakteen, welche in allen Varietäten und Formen zu sehen waren, ziemlich unbedeutend, hingegen das exponierte Obst, sowohl was Qualität als Quantität betrifft, höchst bemerkenswert. Auf dem Gebiet der Obstkultur wird neuerer Zeit in Amerika Hervorragendes geleistet, wobei Kalifornien, das ein ganz vorzügliches Obst liefert, den
Reigen führt; leider war die Pfirsich- und Birnenzeit dieses Landes schon vorbei, hingegen in dieser netten und reinlichen Abteilung eine Serie der herrlichsten Apfel- und Traubengattungen zu sehen.

Wooded Island stellt einen von zahlreichen, mit Kieswegen durchzogenen Garten dar, dessen Anlage jedoch durch Übertreibung der Gartenkunst als Künstelei erscheint und den Eindruck der Geschmacklosigkeit hervorruft; die umgebende Lagune wird mit Petroleummotorbooten und zahlreichen anderen Fahrzeugen, darunter einigen Venetianer Gondeln, befahren.

Zwischen den langgestreckten Gebäuden der Bergbau- und der elektrischen Ausstellung hervorkommend, betritt man den Hauptplatz der Ausstellung, der einen fesselnden, imponierenden Eindruck macht; in der Mitte des Platzes befindet sich das große, mit Fontänen und Statuen geschmückte Bassin, auf dem sich zahlreiche Boote tummeln, ringsum erheben sich die mächtigsten Bauten des Ausstellungsgebietes, welche in dem architektonischen Aufbau und dem äußeren Schmuck wirkungsvoll übereinstimmen. Es ist beklagenswert, dass diese prachtvollen Gebäude nur für die allerkürzeste Zeit berechnet sind und kaum die wenigen Monate der Ausstellung überdauern werden; denn schon jetzt zeigen sich Schäden an denselben. Jedes dieser Bauwerke besteht aus einem kolossalen Eisengerüst mit Holzfüllungen, die mit einer sehr effektvoll wirkenden, stuckartigen weißen Masse, Staff genannt, überkleidet sind. Dieses Material, Michigangips mit einem Zusatz von Kalk und Jutefasern, wurde überdies zu allen dekorativen Bildhauerarbeiten, welche die Fassaden verschönern, und selbst zu der 22 m hohen Kolossalfigur der Freiheit verwendet.

Der bemerkenswerteste Bau ist der kuppelgekrönte Administrationspalast, vor dem die Statue des Columbus errichtet ist, während rechts davon die Maschinen- und die Agrikulturhalle, links die Elektrizitäts- und die Industriehalle liegen; das Casino und die Musikhalle bilden den Abschluss des Platzes gegen die Seeseite.

Das Bassin entsendet zwei durch mächtige Brücken überspannte Arme, deren nördlicher mit der Lagune verbunden ist, und bietet mit diesen Abzweigungen dem Auge einen angenehmen Ruhepunkt. Die erwähnte Freiheitsstatue, deren Sockel im Bassin fußt, passt in ihrer reichen Vergoldung und den schlecht proportionierten Formen nicht nur nicht in den imposanten Rahmen, sondern wirkt sogar störend, was jedermann, der Sinn für künstlerische Schönheit hat, selbst der enragierteste Republikaner, welchem die phrygische Mütze ein heiliges Symbol ist, zugestehen dürfte. Geschmackvoller präsentiert sich die Mc. Mounies-Fontäne, ein Kolossalbrunnen in Form eines Triumphfahrzeuges, auf dem die Columbia thront und allegorische Figuren das Ruder führen; zu beiden Seiten sind Fontaines lumineuses und auf der Einfassung des Bassins Säulen mit Darstellungen von Tieren in übernatürlichen Dimensionen angeordnet.

Den schönsten Ausblick auf diese großartigen, binnen kurzer Zeit aufgeführten Werke genießt man von den über die Seitenkanäle führenden Brücken; trotz des niederströmenden Regens und der gehegten Vorurteile konnte ich dem sich darbietenden Bild meine Bewunderung nicht versagen, die nur durch das Bedauern darüber getrübt wurde, dass all diese Herrlichkeit bloß kurzen Bestand haben und nicht auch künftigen Zeiten erhalten werden soll.

Die Agrikulturhalle als gedeckten Durchgang benützend, schritt ich der anthropologischen Ausstellung zu, bekam aber auf dem Wege dahin noch manches zu sehen; so zunächst die Vorführungshalle der weithin sich dehnenden Vieh- und Pferdeausstellung, welche Exposition übrigens, wie ich vernommen hatte, nichts Hervorragendes bietet. Zahllose Windmotoren bei Seite lassend, machte ich bei einem Modell der Behausungen der ehemaligen Höhlenbewohner Amerikas halt; ein Felsen ist hier mit allen Rissen und Zerklüftungen naturgetreu wiedergegeben und in dessen Innerem eine in verkleinertem Maßstab gehaltene Ansiedlung jener merkwürdigen Menschen dargestellt, die sich in Grotten Wohnstätten, welche unseren Burgen ähnlich sind, erbaut hatten. Die Höhlenfunde werden in einem angrenzenden Museum gezeigt; darunter befinden sich Leichen und Leichenreste in gut mumifiziertem Zustand, Geräte des Hausgebrauches, insbesondere hübsche Tongefäße und Feuersteinwaffen aus jener prähistorischen Periode.

In der anthropologischen Abteilung interessierten mich namentlich zwei Gruppen: die Indianer-Ausstellung und jene der Ausgrabungen, welche aus allen Teilen Amerikas herrühren; das Fesselndste in der zweiten Gruppe waren die aus Mexiko und Südamerika stammenden Funde, Belege für die hochentwickelte Kultur und Kunstfertigkeit der Azteken.

Unter den exponierten Objekten Australiens und der SüdseeInseln fand ich manch wohlbekannte Gegenstände wieder; so ein großes Bild eines der Papuadörfer bei Port Moresby, welches mich lebhaft an den dort mit den Eingeborenen eifrigst betriebenen Tauschhandel erinnerte. Einen Beweis dafür, dass die Gruppierung der Ausstellungsobjekte nicht immer systematisch korrekt ist, durfte ich unter anderem wohl darin erblicken, dass sich in der anthropologischen Abteilung neben Menschenschädeln, Pfeilspitzen und anderen aus der Steinzeit herrührenden Gegenständen ein Gesundheitsmieder und Spielkarten aus aller Herren Ländern vorfinden. Im ersten Stockwerk des Gebäudes waren größtenteils naturhistorische Gegenstände untergebracht, darunter das lebensgroße Modell eines bei Stuttgart gefundenen Mammuts. Merkwürdigerweise machen sich in diesem Raum auch einige Geweih- und Fellhändler breit.

An die anthropologische schließt sich die Forstausstellung, die meine Aufmerksamkeit durch die mannigfaltigen Hölzer anzog, welche aus den verschiedenen Staaten Amerikas stammen und anschaulich in rohem, geschnittenem und poliertem Zustand zusammengestellt sind; mancher Urwaldriese hat sein Leben lassen müssen, um hier seinen mächtigen Querschnitt zu zeigen, und neben gigantischen Stämmen von Fichten und Thujen liegen auch Mahagoniklötze, die zumeist aus Mexiko eingesandt wurden. Die Forstausstellung ist allerdings nach unseren Begriffen keine solche, und ich möchte dem Katalog, ungeachtet der kühnen Behauptung, dass noch nie eine forstliche Exposition eine ähnliche Vollkommenheit aufzuweisen hatte, widersprechen; denn es fehlt ihr jeder Beleg dafür, dass hierzulande auf den Ersatz der geplünderten Waldungen durch Aufforstung Bedacht genommen wird. Ungeheuere Bäume und ebensolche Querschnitte allein sind kein Zeugnis für eine rationelle Forstkultur, und in manchen Gebieten wäre es, obgleich Nordamerika gewiss noch immense Holzschätze besitzt, doch schon sehr notwendig, für die Regeneration des schonungslos ausgebeuteten und verwüsteten Waldes zu sorgen. Ganz schüchtern treten hier auch einige Industriezweige, welche das herrliche Holzmaterial verarbeiten, mit ihren Erzeugnissen hervor.

Auf einem freien Raum vor diesen Pavillons sind Modelle größerer Aztekenbauten und hohe, geschnitzte Götzenfiguren der Vancouver-Indianer ausgestellt. Aufschriften, welche die schrecklichen Taten besonders gefürchteter Indianerhäuptlinge schildern, lockten uns in mehrere Zelte, in denen wir diese romanhaften Gestalten oder wenigstens Erinnerungen an dieselben zu sehen hofften; doch dienten die Aufschriften nur der Reklame für die in der Zivilisation schon sehr fortgeschrittenen Indianer, welche in den Wigwams verschiedene Gegenstände zum Kauf boten.

Die Beschickung der Exhibition muss einem Aussteller enorme Kosten verursacht haben, und das ist Krupp, welcher in einem Pavillon Monstergeschütze, riesige Schiffsschrauben, mächtige Panzerplatten. Stahlguss- und Schmiedestücke sowie Eisenbahnmaterial vereinigt hat: schon der Transport der Objekte von Essen nach Chicago soll gewaltige Summen verschlungen haben, und nun weigerten sich, wie man mir erzählte, die Eisenbahn- und Schiffsgesellschaften, den Rücktransport zu angemessenen Preisen zu übernehmen, so dass Krupp seine ganze Ausstellung der Stadt Chicago als Geschenk überließ. Was die friedfertigen, Schweine züchtenden Bürger namentlich mit den schreckbaren Kriegsutensilien machen werden, ist allerdings nicht leicht vorauszusehen.

Die Erinnerung an Columbus wird in der ganzen Ausstellung sorgsam gepflegt, wie auch eine getreue Nachbildung des Klosters Santa Maria de la Rabida bezeugt, in dem Columbus auf der Fußreise von Palos nach Madrid gerastet und jenen Plan gefasst hat, welcher die Einwilligung des Königspaares errang. Das Kloster ist damals Eigentum des Franziskanerordens gewesen und stand unter dem Guardian Juan Perez, dem Beichtvater der Königin Isabella, der vermöge seines Einflusses Columbus wichtige Dienste erweisen konnte. Die Mönche der Rabida weihten die Flotille des kühnen Seefahrers vor der Ausfahrt und segneten das Schiff abermals, auf welchem der große Mann nach Entdeckung Amerikas im Hafen von Palos eintraf. In den engen Räumen des nachgebildeten Klosters waren zahlreiche Bilder und Reliquien zur Erinnerung an Columbus ausgestellt, doch herrschte hier ein solches Gedränge, dass wir, von dem Menschenstrom fortgeschoben, nur wenig sehen konnten.

Auf dem glatten Spiegel eines Bassins schaukelten das im Arsenal de la Carracca in Spanien erbaute und nach Chicago überführte Modell der „Santa Maria“, des Flaggenschiffes Columbus‘, sowie die Modelle der beiden Gefährtinnen, der „Nina“ und „Pinta“; dieselben sind getreulich nachgebildet und präsentieren sich als echt spanische Schiffe ihrer Zeit mit dem turmartigen Hecke sowie dem hohen Bug, wie man sie auf Abbildungen der Armada zu sehen gewohnt ist.

Der Mut des großen Colon, der mit so kleinen Schiffen die gewagte Fahrt über das unbekannte Meer ins Ungewisse unternommen hat, ist nicht weniger bewundernswert, als die Tatsache staunenerregend, dass die Fahrzeuge die lange und stürmische Ozeanreise zu bestehen vermochten.

Welch einen Gegensatz bietet der „Illinois“, das im Michigan-See verankerte Modell eines Kriegsschiffes der Vereinigten Staaten! Dieses ist in natürlicher Größe hergestellt, vollkommen ausgerüstet und bemannt, sowie mit allen Offensiv- und Defensivwaffen ausgestattet; auch eine Marine-Ausstellung der Regierung befindet sich an Bord. Ein meinem Soldatengefühl widerstreitendes weil unwürdiges Spiel wird hier insoferne getrieben, als sich jeden Nachmittag die eingeschifften Offiziere und Mannschaften im Exerzieren mit Geschützen, im Manövrieren mit Torpedos und Booten vor einer gaffenden und den Zutritt bezahlenden Menge produzieren; dies verträgt sich mit dem Ernst und dem Decorum des Soldatenstandes nicht, sondern drückt diesen auf das Niveau der Seiltänzer und Jahrmarktskünstler herab.

Hierzulande erfreut sich der Soldat eben nicht der ausnahmsweisen Stellung und des Ansehens, die ihm, Gott sei Dank, in Europa noch gesichert sind, und so darf man sich weder über jene öffentliche Schaustellung der Marine, noch darüber wundern, dass auf dem Bundesparadefeld auch eine größere Abteilung der Landtruppen der Vereinigten Staaten täglich Übungen für Zuseher vornimmt.

Um von der Besichtigung der zahlreichen Hallen etwas auszuruhen, bestieg ich die elektrische Bahn, welche den Ausstellungsplatz auf einem hölzernen Gerüst durcheilt und an ihren Endpunkten Schleifen bildet; obgleich ich bei dieser Fahrt hauptsächlich nur die Dächer der verschiedenen Bauwerke zu Gesichte bekam, bot dieselbe doch Gelegenheit, den Ausstellungsplatz in seiner ganzen, wahrhaft riesigen Ausdehnung zu überblicken.

Bei der Fischerei-Ausstellung — diese ist in einem großen Gebäude spanisch-romanischen Stiles mit reich ausgebildeter Kuppel untergebracht — verließen wir die Bahn und konnten uns bald überzeugen, dass der Inhalt des schönen Baues dessen Außenseite keineswegs entspricht; nur das Aquarium macht eine Ausnahme, ebenso die lehrreiche Kollektion Schwedens mit ihren Booten und Fischereigerätschaften. In den großen Becken des Aquariums tummeln sich die verschiedensten Süß- und Seewasserfische, vom Karpfen bis zur Lachsforelle, Welse, Haie, fratzenhafte Teufelsfische, Hummer, Langusten u. dgl. m.

Mittlerweile hatte sich bei uns gewaltiger Appetit zu regen begonnen, doch mussten wir lange suchen, bevor wir ein Lokal fanden, dessen in großen Lettern prangende Aufschrift „Restaurant français“ leider mit dem Gebotenen nicht harmonierte; immerhin hatte dies den Vorteil, dass wir durch die kulinarischen Genüsse keineswegs gefesselt wurden und unsere karg bemessene Zeit wieder der Ausstellung widmen konnten.

Die Industriehalle, welche 123.400 m2 bedeckt, stellt das größte Einzelgebäude der Welt dar; das eiserne Dach der Halle hat eine Höhe von 62 m, und wird von 27 Hauptbogen mit einer Spannweite von 116 m getragen; an Baumaterial wurden 7.700 t Holz, 5.450 t Stahl und 900 t Eisen verwendet, die Kosten des Gebäudes beliefen sich auf 1,700.000 Dollars. Ich beschränkte mich darauf, die österreichische Abteilung zu besichtigen, welche manches Beachtenswerte, namentlich aber Glas, Porzellan, Ledergalanteriewaren von Förster und anderen sowie kunstgewerbliche Gegenstände enthielt; allerdings dürfte vielen unserer Industriellen die Reise zu weit und die Chance des Gelingens zu unsicher gewesen sein, was ich, ohne es ihnen verübeln zu können, bedauere.

Das regnerische Wetter heiterte sich gegen Abend auf und die Sonne schien freundlich, so dass sich in den Avenuen und Gartenanlagen ein reges Treiben entwickelte.

Mein nächstes Ziel war die Galerie der schönen Künste, ein großer Mitteltrakt, welcher durch verbindende Säulenhallen mit zwei Annexen zu einem stattlichen Bau vereinigt und mit reichem dekorativen Schmuck ausgestattet ist; vor der Mitte des Bauwerkes erhebt sich eine Kolossalstatue des Augustus. Die Kunst aller europäischen Staaten ist hier reichlich vertreten, und namentlich die Künstlerschaft Österreichs hat hervorragende Werke eingesandt, in denen ich meist gute alte Bekannte begrüßte — so Makarts „Fünf Sinne“, Porträts von Angeli, Broziks „Fenstersturz“, die bekannte, packende Szene aus der österreichischen Nordpolexpedition von Payer, die schönen Pausinger’schen Hirsche u. a. m.; in einem der Säle steht die wohlgetroffene Büste Seiner Majestät. Österreich kann auf diesen Teil seiner Ausstellung stolz sein; die Kunst vieler anderer Länder vermag sich mit den Werken unserer Heimat nicht zu messen.

Den Rest des Abends bis zur Abfahrt des Zuges widmete ich der Midway Plaisance, der Hauptattraktion für jeden Besucher, der sich, ermüdet und überwältigt von der Großartigkeit der Ausstellung, nach Erholung und Unterhaltung sehnt. Natürlich herrschen auch hier Riesendimensionen; denn dieses Vergnügungsetablissement größten Stiles bildet einen 2 km langen Boulevard, an dessen beiden Seiten eine unabsehbare Menge von Schaubuden, Theatern, Vaudevilles und Restaurants, Wohnstätten wilder Völker, Panoramas u. dgl. m. liegen. Ich möchte die Midway Plaisance mit einem vergrößerten und verlängerten Wurstelprater vergleichen, in dem die Gemütlichkeit und natürliche Heiterkeit durch die Masse und Originalität des Gebotenen ersetzt wird.

Der erste Pavillon ist dem schönen Geschlecht gewidmet und führt den Titel „Die 40 schönsten Damen aller Nationen“; der Zulauf zu diesem vielverheißenden Gebäude ist ein sehr bedeutender, und so nahmen auch wir Tickets, um die lebende Schönheitsgalerie zu besuchen. In kleinen, auf einer Tribüne angeordneten käfigartigen Boxes saßen, lagen oder standen in Nationalkostüm gekleidete Vertreterinnen der verschiedenen Länder, deren Namen unterhalb der Abteilungen in großen Lettern prangen. Hier waren die Schwedin neben der glutäugigen Andalusierin, die Türkin neben der Chinesin, die Deutsche neben der Japanerin u. s. w. zu sehen. Ich konnte mich im ersten Augenblicke nicht enthalten, hellaut aufzulachen, da mir die Anordnung der Käfige den Eindruck einer — sit venia verbo — Menagerie machte, und meine Heiterkeit pflanzte sich, als gar einige Damen in dieselbe einstimmten, auf alle Anwesenden fort. Einzelne der „40 schönsten Damen der Welt“, welche die Sache ernster auffassten und von der Wichtigkeit ihrer Aufgabe durchdrungen sein wollten, schossen zwar vernichtende Blicke auf den Spötter, die Mehrzahl lächelte aber hold und schien erfreut zu sein, dass die Langeweile des täglich zwölfstündigen, ruhigen Sitzens und Angestarrtwerdens einigermaßen unterbrochen wurde.

Wenn ich auch nicht alle Damen, namentlich nicht die „Austria“ und die „Croatia“, zu den schönsten der Welt zählen möchte, so zeigten einige doch auffallend hübsche Gesichter, deren Besitzerinnen wohl ein besseres Los verdient hätten. Die Griechin, die im Gewand der schönen Helena und im Vollbewusstsein ihres griechischen Profils auf einem antiken Podium saß, wurde als eine ehemalige Blumenverkäuferin der Freudenau erkannt; ihre Antworten auf unsere Fragen waren echt wienerisch und atmeten den Wunsch des Mädchens nach baldiger Rückkehr in die Heimat. Eine andere Dame war ebenfalls eine Wienerin, welche im Vorjahr in der Musik- und Theaterausstellung als Champagnerhebe fungiert hatte; die Türkin, die mit mehreren Genossinnen in einem improvisierten Harem auf schwellenden Kissen lag, während ihr reiches Kostüm und das blitzende Diadem die Illusion vervollständigen sollten, schien in England das Licht der Welt erblickt zu haben. Die sichtliche Freude, welche den Wienerinnen die Anwesenheit ihres Landsmannes bereitete, rührte mich sehr, doch musste ich bald das Weite suchen, um einer drohenden, spontanen Ovation zu entgehen.

In Hagenbecks Menagerie, die in Zirkusform erbaut ist, finden täglich Vorstellungen statt, die ganz Vorzügliches auf dem Gebiete der Tierdressur bieten und daher zahlreiche Zuschauer anlocken, ohne dass die sonst so beliebte amerikanische Art der Reklame geübt zu werden brauchte. Vier ausgewachsene Löwen folgten wie Hunde ihrem Bändiger, der sie zum Schluss, vom Publikum lebhaft akklamiert. vor einen Wagen spannte und mit diesem die Arena umfuhr; auch ein ganz trefflich auf dem Bicycle fahrender Löwe war zu sehen. Bemerkenswert ist das friedliche Zusammenleben verschiedener Tiere in einem Käfig, die sich in Freiheit verfolgen und bekämpfen würden; so hausten ein Eisbär mit Tigern und Affen, Löwen mit fetten Schweinchen, Panther mit Hunden u. dgl. m. nachbarlich nebeneinander.

Wir schritten von Bude zu Bude, deren manche wir ziemlich enttäuscht verließen, weil das Gebotene den marktschreierischen Anpreisungen nicht entsprach; die fremdländischen Völker, welche ich, wie beispielsweise die Papuas, in ihrer Heimat aus eigener Anschauung kennen gelernt hatte, unterließ ich zu besuchen; in freundlicher Erinnerung an den Aufenthalt auf Java, besah ich jedoch Freund Kerkhovens javanisches Dorf, welches aber zu meinem Bedauern wenig Anziehungskraft auszuüben schien.

Die Produktionen der Theater begannen sämtlich so spät, dass ich keiner derselben beiwohnen konnte. Leider vermochte ich wegen gewisser in der österreichischen Abteilung herrschenden Verhältnisse nach Ansicht des Gesandten auch das vielgerühmte Alt-Wien nicht zu besuchen und musste mir an einem Paar der berühmten Wiener Würstel sowie an einigen Semmeln genügen lassen, die mir ein Freund brachte. Zur Genugtuung gereicht, dass in Alt-Wien sehr gute Geschäfte gemacht werden sollen und sich hier, dank den trefflichen Produktionen Ziehrers sowie der guten Wiener Küche, die elegante Welt Chicagos Rendezvous gibt.

Zur Übertrumpfung des Eiffelturmes ist ein Riesenhaspel in Gestalt eines kolossalen, eisernen Rades erbaut, woran Waggons von der Größe der Pullmann Cars hängen, die in einem vertikalen Kreis auf- und niedersteigen, sobald das Rad durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesetzt wird. Bei elektrischer Beleuchtung macht das eiserne Ungetüm, von dessen Scheitelpunkt man die ganze Ausstellung überblickt, den Eindruck eines gigantischen Gespenstes. Nachdem eine Rutschbahn noch Reminiscenzen an den Wurstelprater wachgerufen hatte, ließen wir uns zu den Lappländern locken, die in ihren Erdhütten eine ziemlich schmutzbehaftete Existenz führten und eben beim Nachtessen vereinigt waren, über den verspäteten Besuch aber gleichwohl sehr erfreut schienen.

Hatte mir der Hauptplatz vor dem Administrationsgebäude schon bei Tag einen großartigen Eindruck gemacht, so war dies in noch viel höherem Grad bei Nacht der Fall, da man es meisterlich verstanden hat, den Totaleffekt durch glänzende und richtig disponierte Beleuchtung zu steigern. Tausende und Abertausende elektrischer Lichter, welche den architektonischen Linien folgen und sich im Bassin wiederspiegeln, sind auf den Bauwerken angebracht; von den Firsten einzelner Gebäude werfen mächtige Projectoren ihre blendenden Strahlen in die Tiefe, die rauschenden Kaskaden und springenden Fontänen leuchten — alles glüht, glänzt, gleißt und glitzert wie die Dekoration zu einem Zauberballett. Ich hätte dem nüchternen Sinne der Amerikaner die Fähigkeit zur Inszenierung einer so vollendeten und wahrhaft schönen Lichtwirkung nicht zugetraut.

Bei der Rückkehr in unsere rollende Wohnung erhielt ich endlich eine langerwartete Postsendung, die in Jokohama verspätet eingelangt und mir dann durch ganz Nordamerika nachgereist war.

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  • Ort: Chicago, Illinois, USA
  • ANNO – am 03.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Ein Schritt vom Wege“, während das k.u.k. Hof-Operntheater „Wiener Walzer“ und anderes aufführt.

Manitou — Chicago, 2. Oktober 1893

Auch während der heutigen langen Fahrt hatten wir Gelegenheit, die Rücksichtslosigkeit, mit der auf allen Kreuzungspunkten unser Pullman Car verschoben wurde, in recht unangenehmer Weise zu empfinden. Wagt es der Reisende, bei dem Lokomotivführer oder dem Conducteur um schonungsvolleres Vorgehen zu ersuchen, so wird er ausgelacht oder erhält zur Antwort, dass niemand gezwungen werde, die Bahn zu benützen. Als Beweis für die Wucht und Stärke der Stöße, die wir erhielten, diene der Umstand, dass beinahe alle unsere Weinflaschen, die wohlverpackt in Holzgestellen eingebettet waren, zerbrochen wurden. Das unausgesetzte Läuten der an den Lokomotiven angebrachten Glocke, das als Warnungssignal dient, greift die Nerven an, da der Glockenton eine frappante Ähnlichkeit mit jenem unseres Zügenglöckleins hat.

Nachts passierten wir die große Stadt Denver, die sich durch zahlreiche industrielle Etablissements auszeichnet. Des Morgens sahen wir keine Naturschönheiten, keine Canons mehr, da wir mit der Burlington and Missouri River Railroad bereits die fruchtbaren Gefilde des Staates Nebraska, eine endlose Ebene, in östlicher Richtung durchzogen. Über Mais und immer wieder Mais, der zwar das Auge des Landwirtes erfreuen mag, dem Reisenden aber auf die Dauer ziemlich eintönig erscheint, schweift der Blick dahin; zahlreiche artesische Brunnen, von Windmotoren betrieben, besorgen die Bewässerung der Felder. Die Farmen und die Städte zeigen das Gepräge des raschen, überhasteten Entstehens und der Ungemütlichkeit; die Wohnhäuser tragen keinerlei Zier, nur zahllose Annoncen und Reklameplakate; allenthalben ersetzen landwirtschaftliche Maschinen die menschliche Arbeitskraft; Rinder- und Pferdeherden ziehen umher.

In Lincoln, der Hauptstadt Nebraskas, kamen unserem Gesandten während des Verschiebens der Hut und die Bagage abhanden; auch traf uns hier die unangenehme Nachricht, dass wir in Chicago am Tag der Ankunft das vorausgesandte Gepäck wahrscheinlich nicht vorfinden würden. Die vielgerühmten amerikanischen Eisenbahnverhältnisse sehen eben aus der Nähe betrachtet wesentlich anders aus, als man nach schönfärbenden Schilderungen glauben sollte, und selbst in Italien habe ich ähnliche Zustände wie hier nicht wahrgenommen; so läuft bei den riesig langen Zügen nur ein einziger Gepäckswagen mit, und das Gepäck der zahlreichen Reisenden wird, wenn es keinen Platz findet, ohne dass der betreffende Passagier verständigt würde, zurückgelassen, um erst 24 Stunden später am Bestimmungsort anzulangen.

Omaha, „die Torstadt“, eine der Haupteinbruchstationen nach dem Westen, bleibt mir unvergesslich durch den Ansturm, welchen die dortigen Reporter während unseres viertelstündigen Aufenthaltes auf meinen Waggon unternahmen; als ich für kurze Zeit ausgestiegen war, um frische Luft zu schöpfen, konnte ich mich nur sehr schwer vor den drohenden Interviews retten. Eine Zudringlichkeit, im Dienste der öffentlichen Meinung, wie sie hier an den Tag gelegt wurde, hätte ich nicht für möglich gehalten, obwohl die amerikanischen Pressverhältnisse eigentlich alles erwarten lassen; denn die Pressfreiheit scheint hier im Sinne der Vogelfreiheit des Nebenmenschen verstanden zu werden, dessen intimstes Privatleben davor nicht sicher ist, vor die Öffentlichkeit gezerrt zu werden. Die Zeitungen, von der größten angefangen bis zu dem kleinsten Sudelblättchen herab, wimmeln von sensationellen
Nachrichten, von Schmähartikeln sowie pikanten Histörchen, und im politischen Parteikampf scheint auch das schlechteste Mittel gut genug. Dass meine Person ebenfalls herhalten musste, damit den Lesern verlogene Stilblüten ärgster Sorte aufgetischt werden konnten, betrachte ich mit jener Gleichgültigkeit, welche die einzig richtige Würdigung eines derartigen Vorganges ist.

Bei Omaha tritt die Bahntrace an den Missouri heran, läuft einige Zeit längs dessen rechtem Ufer und überschreitet ihn endlich mittels einer hohen und langen Brücke, welche der Zug, sich bereits auf der Strecke des Chicago, Burlington und Ouincy Railroads bewegend, ganz langsam befährt. Der Missouri präsentiert sich hier als ein sehr träger Strom mit zahlreichen Nebenarmen und schmutzig gefärbtem Wasser.

Keinerlei Wild belebte die Gegend; hingegen boten die Auen einen erfreulichen Anblick, da sie an unsere Auen erinnerten, in welchen jetzt der Brunftschrei des Hirsches ertönt und jeder Waidmann die schönsten Stunden des Jahres verlebt. Eichen, Ahorne, Pappeln, Weiden, kurz alle ständigen Vertreter des Auwaldes waren hier zu sehen, und Waldparzellen in kleinen Bodensenkungen und Tälern verschönerten, auch nachdem wir den Flusslauf schon verlassen hatten, das Gesamtbild der Gegend.

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  • Ort: Omaha, Nebraska, USA
  • ANNO – am 02.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Die Braut von Messina“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Der fliegende Holländer“ aufführt.
  • Ganz anders als von Franz Ferdinand vermittelt, ist die zuvorkommende Berichterstattung des Omaha Bee.
The Omaha Bee mentions "distinguished foreigners" in Denver

Omaha Bee vom 2. Oktober 1893 erwähnt in der Morgenausgabe die „herausragende Ausländer“ in Denver

The Omaha Bee 2 October 1893 in the evening edition includes a respectful account of the stop in Omaha.

Omaha Bee vom 2.Oktober 1893 in der Abendausgabe berichtet mit Respekt vom kurzen Aufenthalt in Omaha.

Manitou, 1. Oktober 1893

Mit eisiger Kälte, Schnee und Sturm brach der Tag an, alle Berge waren in Nebel gehüllt und die Aussichten für die Möglichkeit der projektierten Partie nach der Spitze des Pike’s Peaks auf ein Minimum reduziert; mit den Ausflügen ins Gebirge haben wir während der Reise in Amerika wenig Glück.

Des Morgens stellte sich unser Gesandter in Washington, Schmit von Tavera, vor, welchen ich hieher gebeten hatte; er bestätigte mir die Richtigkeit der über die unerquicklichen Verhältnisse der Ausstellung in Chicago und leider insbesondere der österreichischen Abteilung vernommenen Gerüchte, so dass ich nunmehr meinen dortigen Aufenthalt nur auf wenige Stunden festsetzte. Auch entrollte er mir ein anschauliches Bild der Zustände in den Vereinigten Staaten auf allen Gebieten des öffentlichen und des privaten Lebens, welches die von mir bisher gewonnenen Eindrücke nur allzusehr bekräftigte und ergänzte. Besonders verdient hervorgehoben zu werden der mit der jedesmaligen Erneuerung der Präsidentschaft eintretende Wechsel in der Beamtenschaft, der ganz abgesehen von krassen Auswüchsen, zu welchen dieses System Veranlassung gibt, die notwendige Kontinuität in der Verwaltung ausschließt.

Nicht minder scheint in dem Land der Freiheit eine Wohlfahrtspflege zugunsten der arbeitenden Klassen als völlig entbehrlich betrachtet zu werden und durch die Freiheit, gegebenen Falles Hungers zu sterben, substituiert zu sein. Wirtschaftliche Erschütterungen sind bei völlig mangelnder Fürsorge im Interesse der Arbeiter von nachhaltigster Wirkung auf diese, und namentlich die Silberkrise soll großes Elend nach sich gezogen haben. Trotz derartiger trister Erscheinungen üben die Vereinigten Staaten noch immer ihre Attraktionskraft auf Auswanderer aus, deren auch aus unserer Heimat alljährlich viele Tausende ihr Glück in der neuen Welt versuchen, um allerdings nur zu oft einem überaus traurigen Los entgegenzugehen, da sie nicht selten bloß Ausbeutungsobjekte gewissenloser Agenten sind und, an Ort und Stelle recht- und hilflos sich selbst überlassen, der jammervollsten Lage verfallen.

Nach kurzer Bahnfahrt erreichten wir das nur 10 km von Colorado Springs entfernte Manitou, welches am Fuße des Pike’s Peaks reizend situiert ist und einen Anziehungspunkt für Leidende und Touristen bildet. Die Besteigung des hochragenden Gipfels, der im Jahre 1806 von Captain Pike entdeckt und zuerst erklommen worden ist, galt seither als eines der verlockendsten Unternehmen, so dass man sich im Jahre 1890 entschloss, an Stelle des ermüdenden Reitpfades zu der Spitze des Berges eine Zahnradbahn nach dem System Abt emporzuführen. Der Anfangspunkt dieser im Jahre 1891 eröffneten Bahn liegt 2013 m über dem Meer, der zu bewältigende Höhenunterschied beträgt 2318 m und die Endstation der Bahn befindet sich daher um 534 m höher als die Spitze des Großglockners. Ich hätte zwar die Partie nach der Spitze des Pike’s Peaks, auf dessen Höhe uns Freund Bädeker der dünnen Luft halber Nasenbluten in sichere Aussicht stellt, gar zu gerne unternommen, aber leider vereitelten dichtes Schneegestöber und weitreichender Nebel unser Vorhaben, umsomehr, als auf dem Gipfel bereits am Vortag 25 Kältegrade gemessen wurden; ich blieb daher in Manitou, welches malerisch in einem Talkessel liegt und einen freundlichen, netten Eindruck macht.

Es ist ein seiner kohlensauren Soda- und Eisenquellen wegen häufig besuchter Badeort, in welchem für die Bequemlichkeit und das Wohlbefinden des Publikums viel getan wird; dies beweisen unter anderem auch die vielfachen Anlagen und Pflanzungen, in welchen Häuser und Villen geborgen liegen. Zahlreiche Hotels und Pensionen sind auf den Fremdenbesuch berechnet, und auch eine Spielbank hat sich hier etabliert.

Das schlechte Wetter schreckte uns keineswegs ab, die in winterliches Kleid gehüllten Naturschönheiten der Umgebung in Augenschein zu nehmen, und zwar zunächst den Williams Canon, eine ziemlich schmale Felsschlucht, deren blutrote, aus stark eisenhältigem Sandstein erwachsene und zu beiden Seiten der Straße hochaufragende Felsen wir aus nächster Nähe und mit aller Muße betrachten konnten; einige dieser Felsen sind gestützt, um eine Gefährdung der Passanten auszuschließen.

Weit interessanter ist der Garden of the Gods, ein etwa 240 ha großes Gebiet, durch eine Reihe phantastischer, isolierter Felsbildungen ausgezeichnet, die Namen tragen, welche bei einiger Phantasie als nicht schlecht gewählt erscheinen. Hier gibt es eine „Gepäckshalle“, kofferähnliche, übereinandergeschlichtete Würfel, dann den „Garten der Schwämme“, woselbst sich durch Auswaschung Formen gebildet haben, die steinernen Riesenpilzen täuschend ähnlich sehen; der Balanced Rock ist ein etwa 200 t schwerer, konischer Felsen, der auf einem meterbreiten Postament aufsitzt; großartig sind dünne Sandsteinmauern, wie die Kulissen einer Bühne aneinandergereiht und wahrhaft groteske Gebilde zeigend, so „Lots Weib“, den „Elephanten“, den „Bären“, den „Amerikanischen Adler“, den „Büffelkopf“ und endlich die „Einander küssenden Kamele“.

Jedenfalls lassen diese Naturspiele an Originalität nichts zu wünschen übrig; sie erheben sich in ihrer blutroten Farbe ganz unvermittelt aus dem Boden und lohnen die Besichtigung vollauf. Im „Göttergarten“ sah ich zum ersten Mal nach längerer Zeit wieder eine Eichenart, allerdings nur eine kleine, unserer Zerreiche ähnliche, mit stark geschlitzten Blättern.

Während wir uns von einem Händler in dessen Curio Shop ausgiebig prellen ließen, verzogen sich die Nebelwolken, die Sonne trat hervor, die tief beschneite Bergkette und sogar der Gipfel des Pike’s Peaks zeigte sich, so dass wir unendlich bedauerten, in diesem Augenblick nicht auf der Spitze des Bergriesen weilen und über die Rocky Mountains sowie über die endlosen Prairien von Colorado und Texas ausschauen zu können; doch war die Stunde der Abfahrt nach Chicago gekommen, und ich musste mich entschließen abzureisen, ohne den Pike’s Peak erklommen zu haben.

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  • Ort: Manitou Springs, Colorado, USA
  • ANNO – am  01.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Kabale und Liebe“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Mignon“ aufführt.

Colorado Springs, 30. Sept. 1893

Auf der Strecke der Denver and Rio Grande Railroad rollten wir, nachdem wir uns bei Provo City ostwärts gewendet hatten, unserem nächsten Ziel, Colorado Springs, zu. Landschaftlich ist diese Route als höchst interessant zu bezeichnen, weil der Schienenstrang eine ganze Reihe der großartigsten Canons durchzieht. Enge Felsentäler und Schluchten gibt es ja auch in Europa, doch weder in solcher Zahl und Ausdehnung, noch durch die grotesken Formationen ausgezeichnet, denen wir hier begegnen. Leider verdarb uns schlechtes Wetter zumeist den Genuss der Szenerie; denn es schneite, als wilden Canon des Grand Rivers durchfuhren, in dichten Flocken und Nebelmassen bedeckten die Bergspitzen sowie die höheren, mitunter bis zu 750 m beinahe senkrecht aufragenden Wände.

An vielen Stellen ist die felsumstarrte Schlucht so enge, dass die Bahn und der Fluss gerade knapp nebeneinander Raum haben und das Tageslicht nur zwischen kolossalen, schroffen Wänden einfallen kann; dennoch haben in den Felsspalten verkrüppelte Kiefern Wurzeln geschlagen, und wo ein Fleckchen Erde zwischen den Steinen übriggeblieben ist, lugen intensiv rot und gelb gefärbte Büsche hervor. Die Sandsteinfelsen nehmen die abenteuerlichsten Gestaltungen an, verwitterte und zerbröckelte Partien wechseln mit tiefen, langen Rissen und Höhlungen ab, und man wähnt jeden Augenblick, überhängende Mauern oder Blöcke in die Tiefe stürzen zu sehen, in welcher der schäumende Fluss sein Bett immer mehr und mehr eingräbt; durch die Gewalt der Eisbildung abgesprengte Felsblöcke türmen sich stellenweise zu mächtigen Massen, das prachtvolle Bild ergänzend, das diese wildromantische und düstere Gegend bietet.

Der Canon des Grand Rivers erstreckt sich auf 27 km Länge, bis das Tal, in dem viel frisch gefallener Schnee lag, sich erweitert, jedoch ohne den öden und steinigen Charakter zu verlieren; so oft der Nebel durch den herrschenden Wind zerrissen wurde, konnten wir auch die den Canon begrenzenden hohen Berge sehen.

Bald traten wir in den Eagle River Canon ein, der seinem Vorgänger wohl ähnlich, doch noch bedeutend enger ist, so dass man selbst vom Boden des Waggons aus nicht an den Wänden emporblicken kann; auch mussten hier, obschon die Bahntrace sonst immer hart am Flussufer zieht, einige kleinere Tunnels gebohrt werden. Förmlich an die Wände geklebt scheinen die kleinen Hütten der Bergarbeiter und die Grubeneingänge der Bergwerke, welche den Erzreichtum erschließen und die vorwiegende Erwerbsquelle der sehr dünn gesäeten Bevölkerung bilden.

Als wir nach Passierung des Eagle Canons eine Art Hochebene erreichten, umfing uns aus dichtem Schneegewölke brechender lichter Sonnenschein, der mehrere grünende Felder, hier ein ungewohnter Anblick, bestrahlte; weidende Rinder und Pferde brachten Leben in die Landschaft.

Zwei Städte, Leadville und Salida, zeigen den schon wiederholt beobachteten Typus städtischer Ansiedlungen, obgleich das Gebiet, wie ganz Colorado, lange Zeit mexikanisch gewesen ist, bevor dieses von den Vereinigten Staaten annektiert wurde; an die vergangene Epoche erinnern zahlreiche Namen von Bergen, so die schneebedeckte Sangre de Cristo Range, und von Orten, wie Pueblo, welches wir später passierten.

Unmittelbar nach Salida beobachteten wir mächtige, rundliche, mitunter reihenweise übereinander gelagerte Felsblöcke, deren einzelne an Größe ein kleines Haus weit übertrafen. Die Vegetation war hier eine überaus dürftige und nur durch eine dachförmige Zwergfichte und gelbblühende Kakteen vertreten.

Was Großartigkeit anbelangt, kann sich der letzte der Canons, der des Arkansas, mit dem Great Canon im Yellowstone-Park messen, doch fehlen jenem die herrlichen Lichteffekte und Farben, die mich an diesem entzückten; hingegen ist im Canon des Arkansas die Zerrissenheit des roten Sandsteines sowie die Höhe der Granitfelsen geradezu verblüffend und steigen an der engsten Stelle dieses 13 km langen Passes, der Royal Gorge, die Felsen bis zu 800 m an.

Überwältigt von dem Anblick, stand ich, dem Beispiel der meisten Mitreisenden folgend, auf der Plattform des Waggons, während der dahinsausende Train sich aus dem Bereich der dräuenden, gigantischen Massen zu flüchten schien. Derartige schaurige Gegenden tauchen wohl vor unserem Geiste auf, wenn wir von Angriffen der Indianer auf Eisenbahnzüge, von Kämpfen zwischen jenen und den Reisenden und von der sonstigen Romantik des fernen Westens mit all ihren gruseligen Beigaben erzählen hören.

Plötzlich, und ohne dass die begleitenden Wände Ausläufer aussenden, hört der Engpass auf, einem breiten prairieartigen Tal weichend, in dem schüchterne Versuch auf dem Gebiet des Acker- und des Obstbaues bemerkbar waren.

Von Pueblo wendet sich die Bahn nordwärts, Colorado Springs zu, einem seines gesunden Klima halber beliebten Kurorte, woselbst wir unser Nachtquartier aufschlugen, um morgen nach Manitou zu fahren und von hier aus den 4331 m hohen Pike’s Peak zu besteigen.

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  • Ort: Colorado Springs, Colorado, USA
  • ANNO – am  30.09.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Der Veilchentreffer“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Die Afrikanerin“ aufführt.

Salt Lake City — Colorado Springs, 29. Sept. 1893

Ein fruchtbares Tal weist Getreide- und Obstbau, vor allem aber ausgedehnte Kürbis- und Melonenkultur auf, doch sind die Lehnen ebenso kahl, wie die am Vortag passierten. Bald entdeckten wir den großen Salzsee, welcher 129 km lang und 48 km breit ist und sich durch seinen hohen Gehalt an Salz auszeichnet; letzterer beträgt 22,4 Prozent gegen 3,5 Prozent im Meerwasser und wird nur von jenem des Toten Meeres mit 25 Prozent übertroffen. Kurz vor Salt Lake City näherten wir uns dem Seeufer und passierten mehrere Badestellen, so auch die heilkräftigen Beck’s Hot Springs. Zinnoberrote Büsche, welche die sonst kahlen Bergabhänge bedeckten, brachten einige Abwechslung in das recht monotone Landschaftsbild.

In Salt Lake City bestiegen wir sogleich Wagen, um an die Besichtigung des „Tabernakels“, des Hauptheiligtums der Mormonen, und der sonstigen Sehenswürdigkeiten der Stadt zu gehen.

Stifter der Mormonen-Sekte ist Joseph Smith, der in seinem 25. Lebensjahr am 6. April 1830 zu Fayette, einem Städtchen des Staates New York, seine Anhänger zu einer Gemeinde organisiert hatte; im nächsten Jahr war diese nach Ohio und 1833, von hier verjagt, nach Missouri übersiedelt. Auch aus diesem Staat ausgewiesen, wandten sich die Mormonen über County Caldwell nach Illinois, woselbst sie im Jahre 1840 in der Grafschaft Hancock die Stadt Nauvoo und einen schönen Tempel erbauten, doch mit den übrigen Einwohnern in Feindseligkeiten gerieten, die vier Jahre nach der Gründung Nauvoos zu dessen Zerstörung und zu offenem Kampf führten, bei dem Smith den Tod fand. Brigham Young, der Nachfolger Smiths im Prophetentum, wanderte mit 1500 Mann aus und zog auf beschwerlichen Pfaden über die Rocky Mountains bis zum Großen Salzsee, woselbst die Gemeinde sich 1847 niederließ und den Staat Utah begründete, Als dieser schon nach drei Jahren als Territorium anerkannt wurde, ernannte die Unionsregierung Brigham Young zu dessen Gouverneur. worauf trotz mancher Konflikte eine Zeit besonderer Blüte der Kolonie folgte; in unseren Tagen ist aber ein Rückgang bemerkbar, die Zahl der Gentiles — Nichtmormonen — hat sehr zugenommen, wodurch die sozialen Verhältnisse wesentlich verschoben erscheinen. Überdies hat auch die Gesetzgebung der Vereinigten Staaten die Vielweiberei der Mormonen verurteilt und sie zum Aufgeben dieser Institution gezwungen.

Eine Rundfahrt durch die Stadt zeigte uns, was hier geleistet worden ist und wie die Mormonen es verstanden haben, den sterilen Boden durch unermüdliche Arbeit urbar zu machen. Im angenehmen Gegensatz zu Vancouver und Butte City erblickten wir hier Alleen, welche die Straßen einsäumen, und rings um die Häuser geschmackvolle Gärtchen mit immergrünem, üppigem Rasen; an den Wänden der Gebäude ranken sich verschiedene Schlingpflanzen empor, so dass jede Behausung in erfreulicher Weise die Vorliebe der Bewohner für Nettigkeit und deren Wohlgefallen an grünendem Schmuck dartut. Bäume und Gärten lassen die schachbrettartige Anlage der Stadt weniger monoton erscheinen, und einzelne Bauten sind ganz geschmackvoll ausgestattet; durch die schnurgerade gezogenen Straßen saust eine ewig klingelnde Tramway mit elektrischem Betriebe, doch sieht man auch viele gute Traber vor leichte Wagen gespannt.

Das Tabernakel ist ein riesenhafter Bau von elliptischer Form. 76m lang, 45 m breit und 21 m hoch; das Dach, von 44 schlanken Sandsteinpfeilern getragen, ist aus Holz konstruiert, mit eisernen Schindeln bedeckt und stellt eine der größten freien Bogenwölbungen der Welt dar. Der große Innenraum, welcher für die gottesdienstlichen Handlungen der Mormonen bestimmt ist, gleicht einem gigantischen Theater; das Parquet und die hölzerne Galerie umfassen 8000 Sitzplätze, während im ganzen 12.000 Personen Raum finden können; am Westende befindet sich eine Plattform mit Stühlen für den Präsidenten, die Bischöfe, die 12 Apostel und die Redner sowie für den Chor, der um eine mächtige Orgel angeordnet ist. Von außen erinnert das vollständig schmucklose Tabernakel an eine ungeheuerlich große Schildkröte.

Da nur jeden Sonntag um 2 Uhr nachmittags ein feierlicher Gottesdienst stattfindet, konnten wir einem solchen nicht beiwohnen, was wir lebhaft bedauerten. Die Akustik dieses gewaltigen Baues ist eine vorzügliche; man hört, trotz der Länge des Saales, jedes am entgegengesetzten Ende im Flüstertone gesprochene Wort und vernimmt sogar das Niederfallen einer Stecknadel auf die Galeriebrüstung, ein Experiment, welches unser Führer mit Stolz produzierte.

Östlich vom Tabernakel liegt der neue, im Jahre 1862 vollendete Tempel, ein stattlicher Bau aus lichtgrauem Granit mit je drei Türmen an den beiden Schmalseiten; der mittlere Turm der ostwärts gewandten Hauptfassade ist von einer Kolossalfigur aus reichvergoldetem Kupfer, den Mormonen-Engel Moroni darstellend, gekrönt. Da meiner Ansicht nach die Höhenverhältnisse dieses Gebäudes mit dessen Breite nicht in harmonierenden Einklang zu bringen sind, kann ich dasselbe nicht schön nennen; doch wirkt es durch seine Größe imposant. In dem Tempel werden geistliche Handlungen, so Trauungen, Taufen und die Konsekrationen zu Priestern und Bischöfen vollzogen, sowie Predigten gehalten und besondere Gebete verrichtet. Der neue Tempel hat bis nun 4,000.000 Dollars gekostet und soll in seinem Innern reich dekoriert sein; leider ist jetzt der Eintritt nur den Mormonen gestattet, weshalb wir uns mit der Besichtigung der Außenseite begnügen mussten.

Unweit des Tempels sahen wir das Tithing Storehouse, woselbst die Mormonen den ziemlich bedeutenden Zehnten in natura entrichten müssen und eben Gefährte mit abzuliefernden Waren standen. An diesen prosaischen Bau schließt sich ein kleiner Stadtteil, welcher ehedem Brigham Young, der seine Gemeinde wie ein kleiner Tyrann beherrscht hat, zu eigen war; hier sind das Bienenkorb- und das Löwenhaus, mit entsprechenden symbolischen Emblemen geschmückt, erwähnenswert, da in diesen Gebäuden zehn Frauen des Propheten wohnten, während dessen Lieblingsgattin eine gegenüberliegende Villa für sich allein besaß. Brigham Young hatte 42 Frauen und erfreute sich gesegneter Nachkommenschaft, deren Zahl, nach differierenden Mittheilungen, auf 56 bis 76 angegeben wird; wenn auch nur die erstgenannte Ziffer der Wahrheit entspricht, dürfte der seltene Familienvater nicht geringe Schwierigkeiten bei der Ernährung seines Hausstandes und der Erhaltung des häuslichen Friedens gefunden haben.

Unter den Gentiles cursieren sehr drastisch aufgefasste, photographische Karikaturen über das Eheleben Brigham Youngs, welche allein schon genügen würden, von dem Beitritt zu dieser Sekte abzuhalten. Gegenwärtig leben noch drei Witwen des vielbeweibten Mannes, sowie einige Söhne; einem dieser Sprossen begegneten wir in den Straßen.

An der Stelle, wo Brigham Young mit seiner Mormonenschar nach langer Wanderung halt gemacht, das umliegende Terrain verteilt und die Anlage der Stadt angeordnet hat, erhebt sich ein wenig geschmackvolles Standbild, einen Adler darstellend, welcher, einer brütenden Henne gleich, auf vier plumpen, eisernen Bögen sitzt. Das Grab des 1877 verstorbenen Brigham Young und mehrerer seiner Frauen liegt, nur mit einem schmucklosen Stein überdeckt, auf einem Rasenplatz, welcher von Pappeln und einem schmiedeisernen Gitter umgeben ist.

Die schönste Aussicht über Stadt und Umgebung bis zur weiten Fläche des Salt Lake bietet sich vom Prospect Hill dar; mit Freude ruht das Auge auf den zahlreichen Pappel-, Akazien- und Ahornalleen sowie auf den Gärten, über welche der Tempel und das Tabernakel unförmlich groß emporragen. Von hier ist auch das Fort Douglas zu sehen, welches vom „Uncle Sam“ erbaut wurde, als die Mormonen mit den Gesetzen und Einrichtungen der Union allzu sehr in offenen Widerspruch geraten waren.

Unser redseliger Kutscher, der mit Freund „Whisky“ auf recht intimem Fuße zu stehen schien, führte uns dann noch in der ganzen Stadt umher, zeigte uns die Häuser der hervorragendsten Mormonen und die schönsten Hotels, darunter das Templeton-Hotel, in dem ich mittels Lifts in das vierte Stockwerk fuhr, um auch von hier den Rundblick zu genießen.

Schließlich besuchten wir einige Curio Shops, in welchen sehr hübsche Objekte, besonders Mineralien aus den zahlreichen umliegenden Bergwerken, Erzeugnisse von Indianern und Felle feilgehalten wurden. Die Mormonen, welche ich bei dieser Gelegenheit sprach, machten kein Hehl daraus, dass sie sich durch die stete Zunahme der Gentiles sehr gedrückt fühlten und dass die Polygamie, obzwar sie gesetzlich nicht anerkannt sei, insgeheim doch fortbestünde.
Den Rest des Nachmittages verbrachte ich, während meine Herren nochmals in die Stadt fuhren, schreibend in meinem rollenden Haus, dem Pullmann Car. Gegen Abend entlud sich unter Donner und Blitz bei strömendem Regen ein arges Unwetter, welches uns bei der Abfahrt nach Colorado Springs das Geleit gab.

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  • Ort: Salt Lake City, Utah, USA
  • ANNO – am  29.09.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt das Stück „Pitt und Fox“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Die Walküre“ aufführt.