Kategorie-Archiv: diary

diary entries of Franz Ferdinand

In See nach Steamer Point, 21 December 1892

Unsere Volkshymne, die ägyptische und die englische Nationalweise erklangen von unserem Achterdeck, als wir vor 8 Uhr morgens den Hafen verließen und in den Suez-Kanal einliefen. Der Nordost hielt noch immer an; doch war das Wetter schön und zeigte das Thermometer bereits 22° Celsius in der Sonne. Die Fahrt durch den Kanal bietet zwar keine landschaftlich schönen Bilder, ist aber doch interessant durch den vollkommenen Wüstencharakter, den sowohl das afrikanische als das asiatische Ufer trägt. Zur Rechten wie zur Linken nichts als Sand, gelb schimmernder Sand, in dem nur hie und da mageres, graugrünes Gestrüpp auftaucht. Beiderseits zieht sich schier endlos kahle, wüste Ebene hin, häufig der Schauplatz der gaukelnden Fata morgana.

Die ersten 20 km fährt man längs des Menzaleh-Sees, den ein nur breiter Damm vom Canale trennt. Wer es nicht selbst gesehen hat, macht sich keinen Begriff von der Menge Wasserwildes, das um diese Jahreszeit den Menzaleh-See bevölkert: Tausende und aber Tausende von Flamingos stehen, rosenrote Wände bildend, unbeweglich im Wasser; dazwischen streichen große Schwärme von Enten und Tauchern, während bedächtige Pelikane mit unerschütterlicher Ausdauer auf Fische lauern oder schwerfälligen Fluges über das Wasser ziehen. Am auffallendsten sind die ungeheuren Mengen von Uferläufern und Regenpfeifern, die, pfeilschnell hin- und herstreichend, je nach den Wendungen des Fluges bald silberartig in der Sonne glänzen, bald als dunkle Wolke erscheinen und so einem glitzernden Silberband gleichen, das in den Lüften flattert.

Hat das Schiff das Ende des Menzaleh-Sees erreicht, so fährt es mit halber Kraft zwischen zahlreichen Bojen hindurch in dem engen Suez-Kanal weiter, diesem modernen Weltwunder, welches menschliche Energie und Ausdauer in verhältnismäßig kurzer Zeit geschaffen. Alle 10 km befinden sich Ausweichstellen und Signalstationen, kleine, reinlich aussehende Häuser, mit Veranden geziert und von grünen Gärtchen umgeben. Hier wohnen Beamte der Kanal-Compagnie, welche Aufsicht und Polizei im Kanal führen. .Auf hohen Masten werden Signale für die Schiffe gehisst. Große Baggermaschinen arbeiten emsig das ganze Jahr hindurch, um das Bett des Kanales, welchen das nachschiebende Uferland und der Flugsand der Wüste immer wieder zu verschlammen und zu versanden drohen, normal zu erhalten; Eingeborene verladen das Aushubmaterial auf Kamele, welche es dann in weiter Entfernung deponieren — und so gibt es ununterbrochen bedeutende Erhaltungsarbeit, wodurch auch die ziemlich hohen Gebühren erklärt sind, welche die Schiffe für die Durchfahrt zu entrichten haben. Unsere Schiffskasse wurde um eine Taxe von 13.000 Francs erleichtert.

Die Kanal-Compagnie hatte die Freundlichkeit, unsere Durchfahrt dadurch tunlichst zu beschleunigen, dass sie allen entgegenkommenden Dampfern die telegraphische Weisung erteilte, an den Ausweichstellen sich zu vertäuen und uns passieren zu lassen. Dies dürfte nicht eben die besondere Freude der Kapitäne jener Schiffe erregt haben, so dass wohl manch derbes Wort rauen Seemannskehlen entschlüpft sein mag, als wir in voller Fahrt an den ungeduldig harrenden Schiffen vorbeizogen und den Blicken entschwanden. Ein großer, englischer Dampfer war bei dem Ausweichen auf den Grund geraten und arbeitete, so lange wir ihn sehen konnten, fruchtlos mit der Maschine, um sich freizumachen.

Gegen Abend langte die „Elisabeth“ in Ismailia an, wo wir den Lotsen wechselten, um sodann die Fahrt unverzüglich fortzusetzen. Von Ismailia sahen wir nur wenige am Ufer gelegene Häuser und etwas Vegetation, welche einen angenehmen Kontrast zu der Eintönigkeit der Wüste bildete. In den für diese Gegend spezifischen Farben des Horizonts, dunklem Safran- und Purpurrot, ging die Sonne unter. Die großen elektrischen Projektoren wurden in Tätigkeit gesetzt und beleuchteten taghell unseren Weg, so dass man jede einzelne Boje auf die weiteste Distanz unterscheiden konnte. In den Bitterseen fuhren wir einem großen, englischen Viermaster vor und mussten am Ende des kleinen Bittersees warten, bis sich drei Dampfer bei der nächsten Gare vertäut hatten. Ich blieb bis nach 11 Uhr abends auf der Brücke, da es interessant war, das Funktionieren der verschiedenen Signale an den Gares und Schiffen wahrzunehmen, sowie die Geschicklichkeit zu beobachten, mit welcher der Lotse, ein Landsmann aus Porto Rè, das Schiff den vielfach verschlungenen Kurs steuerte.

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  • Ort: Ismaïlia, Ägypten
  • ANNO – am 21.12.1892 in Österreichs Presse. Die Neue Freie Presse bedauert, dass es in Österreich keine staatlichen sondern nur kirchliche Feiertage gibt. Während die Engländer die Guy Fawkes Night, die Franzosen ihre Erstürmung der Bastille und die Italiener ihren Verfassungstag feiern, gibt es keinen vergleichbaren Anlass in Österreich-Ungarn. Trotzdem gedachte man angesichts des 25. Jahrejubiläums am 20. December 1892 an den Ausgleich von 1867 zwischen Österreich und Ungarn.
  • Das k.u.k. Hofoperntheater führt Luigi Manzottis Ballet Excelsior auf.

Port Said, 20 Dezember 1892

Morgens kam das Leuchtfeuer von Damietta in Sicht. Als wir uns Port Said genähert hatten und die Umrisse der Stadt bereits am Horizonte erkennbar waren, erschien der Lotse, welcher die „Elisabeth“ in den Hafen führte. Wir salutierten die ägyptische Flagge mit 21 Schüssen, worauf eine Landbatterie den Salut erwiderte. Die ägyptischen Artilleristen sahen in ihren englisch geschnittenen Uniformen, schwarz mit roten Lampassen, recht Schmuck aus.

Flagge des Khedive von Ägypten (1881-1914); Quelle: Wikicommons

Flagge des Khedive von Ägypten (1881-1914); Quelle: Wikicommons

In der Nähe unseres Konsulates kamen wir knapp vor einem großen englischen Ostindienfahrer an die Boje. Im Hafen lagen ein englisches Kanonenboot und verschiedene große, zumeist englische Dampfer, welche so rasch als möglich Kohle machten, um dann die Fahrt durch den Suez-Kanal unverzüglich fortzusetzen. Port Said ist überhaupt ein Hafen, in dem sich kein Schiff länger aufhält, als unumgänglich nötig; Kohlen- und Proviantvorräte werden ergänzt, die Post wird aufgegeben, der Pilot eingeschifft und dann geht es dem weiteren Ziele zu. Bei unserer Ankunft tummelten sich auf dem Quai alle möglichen Gestalten umher, welche die Ankunft des mächtigen Kriegsschiffes sehr zu interessieren schien — englische Offiziere, Matrosen, Araber, Fellahs, Inder, Juden und Reisende der Ostindienfahrer.

Unser Konsul, sowie Generalkonsul Baron Heidler, der von Kairo herbeigekommen war, begrüßten mich. Letzterer meldete, dass der Khedive, obgleich ich im strengsten Incognito reiste, sich nicht versagen könne, in Erinnerung an die freundliche Aufnahme, die er seinerzeit in Wien gefunden, seinen Oheim und zugleich Generaladjutanten, Prinzen Fuad Pascha, zu meiner Begrüßung zu entsenden. Kaum hatte ich mich in Gala geworfen, so kam auch schon, von der ägyptischen Hymne begrüßt, der Prinz an Bord, um mich im Namen des Khedives im Reich der Pharaonen willkommen zu heißen. Prinz Fuad Pascha ist durch vollendete Umgangsformen und gründliche europäische Bildung ausgezeichnet. Ich unterhielt mich längere Zeit mit ihm und erwiderte dann seinen Besuch im Hotel.

Der Rest des Tages sollte zu einer Jagdexpedition nach dem Menzaleh-See, arrangiert vom Konsul und von dem Pascha von Port Said, verwendet werden. Ich gestehe offen, dass ich wenig Vertrauen in den Erfolg dieses Unternehmens setzte, da derartige, unter ausgiebiger Mitwirkung von Eingeborenen abgehaltene Jagden gewöhnlich mit einem großen Aufwand von Geschrei und Bakschisch, aber mit einer sehr geringen Jagdbeute verbunden sind. Ich habe in dieser Richtung bei meiner ersten Reise nach dem Orient viele Erfahrungen gesammelt. Glücklicherweise sollte ich diesmal angenehm enttäuscht werden.

Das Galaboot brachte uns rasch eine Strecke weit in den Kanal, wo uns der Pascha und eine große Anzahl Vorsteher der um den Menzaleh-See liegenden Gemeinden — schöne, kräftige Gestatten im faltenreichen, farbigen Burnus — empfingen. Der gute Pascha machte eine ziemlich süßsaure Miene und befand sich in höchst gedrückter Stimmung: die Leitung dieser Jagd bildete den letzten Akt seiner Amtstätigkeit, die wegen einer oft als orientalisch bezeichneten Auffassung von „Soll“ und „Haben“ in den Verrechnungen ein jähes Ende gefunden haben soll.

Drei Barken lagen am Ufer des Sees bereit und alsbald waren wir von einem Schwarm Eingeborener umlagert, welche uns die wenigen Schritte zu den Barken tragen wollten. Vier geflügelte Flamingos führten bei einer kleinen Hütte ein beschauliches Dasein und wurden, sobald sie einen Fluchtversuch unternahmen, von einem kleinen Jungen zurückgetrieben. Zu meinem größten Erstaunen packte plötzlich ein Eingeborener diese Flamingos und nahm sie auf die eine der Barken mit, wie es schien, um sie als Lockvögel zu verwenden.

Unter großem Geschrei der Eingeborenen wurden wir endlich in die Barken verteilt, wobei jedoch die Unterbringung des Paschas mit seinem ganzen Trosse Schwierigkeiten bereitete; denn auf den Schultern zweier Araber reitend, wanderte er von einem Boote zum andern, bis er endlich in jenem des Konsuls Aufnahme fand. Der Konsular-Kawass Ahmed, der schon in meiner ersten Orientreise in meinem Gefolge ganz Palästina und Syrien durchzogen hatte, diente mir als Dolmetsch. Nach vielem Lärmen und Fluchen wurden wir schließlich flott. In der ersten Barke saßen ich und Wurmbrand, in der zweiten Clam und Prónay; die Nachhut bildeten die beiden Herren vom Konsularkorps, der Pascha und das übrige Jagdgefolge.

In weiter Ferne, schon ganz am Horizonte, sahen wir viele Hundert Flamingos, welche, im seichten Brackwasser stehend, in langen Linien weithin rosenrot leuchteten. Eine solche Kette von Flamingos bietet dem Jäger, wie dem Ornithologen einen prächtigen Anblick, Zuerst nimmt das Auge nur einen lichtrosenroten, langgestreckten Streifen wahr, bis der Beobachter, näher herangekommen, immer deutlicher die einzelnen Exemplare, den langen, meist S-förmig gebogenen Hals, die hohen Ständer und den geschmeidigen Leib, die purpurrot gefärbten Männchen, die viel lichteren Weibchen und die jungen Tiere unterscheidet. Steht ein ganzer Schwarm dieser herrlichen Vögel mit sturmähnlichem Sausen auf, um abzustreichen, so ist das Bild noch viel fesselnder, da die Flamingos im Flug den langen Hals und die Ständer waagrecht ausgestreckt halten und das unter den Flügeldecken befindliche, intensiv gefärbte Gefieder mehr zur Geltung kommt. Ein solcher Zug gleicht einer rötlichen Wolke. Außer den Flamingos schwammen auf dem Wasserspiegel noch zahlreiche Schwärme von Blässhühnern, Lappentauchern, Tafel-, Moor- und Spießenten: einzelne Flüge von Strandläufern eilten vorbei und Weihen, sowie Falken stießen in graziösem Flug auf die Entenschwärme herab, die in schleuniger Flucht ihr Heil suchten.

Vorerst trachtete ich den nächststehenden Trupp Flamingos anzufahren. Wir kauerten uns ganz in das Boot nieder, während uns zwei Eingeborene, im Wasser watend, vor sich herschoben. Stutzen und Schrotgewehr liegen bereit; mit ängstlichster Aufmerksamkeit langsam vorwärts rückend, beobachten wir die ersten Flamingos, die wie Vedetten vor dem großen Truppe stehen. Endlich kommt Unruhe in die Gesellschaft; alle Hälse strecken sich: die vordersten Vögel laufen einige Schritte vor und erheben sich mit schwerem Flügelschlag. Jetzt ist es höchste Zeit. Obgleich wir erst auf ungefähr 180 Schritte herangekommen sind, versuche ich einen Kugelschuss, der, leider zu kurz, einen Flamingo ständert, ihn aber nicht herabbringt. Mit großem Getöse hebt sich jetzt der Schwarm in die Lüfte und streicht in langer Linie ab. In diesem Momente sehe ich auf gut 300 Schritte einen einzelnen, schönen alten Hahn hoch in der Luft vorbeistreichen und wage, ohne jede Hoffnung auf Erfolg, wohl 1 m weit vorhaltend, einen Kugelschuss. Wie vom Blitz getroffen stürzt der Flamingo mitten durch die Brust geschossen ins Wasser, aus dem zu meiner großen Freude ein Araber das prächtige Exemplar apportiert. um es grinsend in das Boot zu reichen. Noch zweimal versuchten wir die scheuen Tiere anzufahren; einmal mit zwei Booten zugleich, wobei eine Salve abgegeben wurde, die Wurmbrand und Clam je einen Flamingo brachte. Dann hoben sich die Vögel in unerreichbare Höhen; alle Schwärme stießen zusammen und zogen in östlicher Richtung über den Kanal fort.

Nun beschäftigten wir uns noch mit dem übrigen Wasserwild, erlegten mehrere Enten und Taucher und kehrten dann, da die Sonne im Untergehen begriffen war, ans Land zurück, wo wir uns von dem trübseligen Pascha verabschiedeten und an Bord der „Elisabeth“ fuhren.

Vor dem Diner unternahmen wir noch einen kleinen Spaziergang in dem nichts weniger als anziehenden Port Said und besorgten einige Einkäufe, welche sich größtenteils aus Zigaretten und verschiedenen orientalischen Gegenständen zusammensetzten. Eigentümlich ist die Kaufmanie, die den Reisenden in fremden Ländern so leicht erfasst. Er fühlt sich gedrängt, jede Kleinigkeit, ob schön, ob hässlich, mitunter sogar argen Tand zu erworben, nur um etwas für den betreffenden Ort Charakteristisches heimzubringen, als gelte es, sich über den Besuch fremder Länder handgreiflich auszuweisen. So erging es auch uns schon in Port Said, wo wir unserer Kauflust die Zügel schießen ließen. Mit den nutzlosesten, weit über ihren Wert hinaus bezahlten Dingen beschwert, verließen wir die Basars und füllten unsere ohnehin nicht an Raumverschwendung leidenden Kabinen mit dem erworbenen Kram.

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  • Ort: Port Said, Ägypten
  • ANNO – am 20.12.1892 in Österreichs Presse. Das Bregenzer Tagsblatt ist über die zunehmenden Diamantendiebstähle beunruhigt. Das Linzer Volksblatt freut sich, dass in Steyr eine elektrische Anlage installiert wird, da die Bevölkerung 3000 Glühlampen angemeldet hat. Dazu kommen weitere 3000 Glühlampen von der lokalen Waffenfabrik.
  • Das k.u.k Hoftheater gibt Goethes Faust, Teil I.

In See nach Port Said, 19. December 1892

In der Nacht hatte der steife Nordost bedeutend zugenommen. Die „Elisabeth“ rollte auf das heftigste, in den Kabinen führten einige den Tag vorher nicht genügend befestigte Gegenstände einen wahren Hexentanz auf.

Als ich um 6 Uhr morgens auf die Kommandobrücke kam, meldete mir der Wachoffizier, dass die See nachtsüber stürmisch gewesen sei. Die Rollbewegungen betrugen noch den ganzen Vormittag hindurch, obschon der Wind dann einlullte, 22 Grad.

Heute erblickten wir kein Land, sahen also zum ersten Mal den ganzen Tag über nur Himmel und Wasser.

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  • Ort: In See zwischen Kreta und Ägypten
  • ANNO – am 19.12.1892 in Österreichs Presse. Die Neue Freie Presse meldet dass der Kaiser, Erzherzog Ferdinand von Toskana, Erzherzog Leopold Salvator und Prinz Ludwig von Bayern Franz Ferdinand’s Geburtstag damit verbrachten, mit dem Zug um 2:45 nachmittags zu ihrer Hochwildjagd abzureisen. Sie werden erst am 21. Dezember 1892 zurückkehren.
  • Jagen ist gefährlich: Die Neue Freie Presse berichtet, dass Baron Alphonse Rothschild am 18. Dezember 1892 in Frankreich bei der Jagd von einem beim Rückstoß des Jagdgewehrs gelösten Bleiteils im Auge getroffen wurde. Ein Spezialtelegramm aus Paris beruhigt, dass das Auge nicht gefährdet ist. Die Ärzte empfehlen 14 Tage Bettruhe.
The Wiener Vivarium advertizes talking parrots and domesticated apes as Christmas presents.

Das Wiener Viviarium empfiehlt als Weihnachtsgeschenk sprechende Pagageien und zahme Affen.

In See nach Port Said, 18. Dezember 1892

Schon beim Erwachen bemerkte ich, dass die See ziemlich hoch gehen müsse, da ich in der Kabine starke Rollbewegungen verspürte. Nachdem ich mich mühsam mit Hilfe des Marinedieners angekleidet, stieg ich auf Deck, wo ich bereits manch verstörtem Gesicht begegnete, da Vater Neptun seine ersten Opfer verlangt hatte. Eine steife Brise kam aus Nordost und See auf See ging übers Verdeck. Dabei war der Tag klar und in intensivem Blau prangte der Himmel über uns.

Vormittags hätte Aufwartung des Stabes und Messe in der Batterie stattfinden sollen, doch musste beides der starken Rollbewegungen wegen abgesagt werden; erst gegen Mittag, als wir auf die Höhe von Kreta kamen, wurde die See ruhiger. Wir änderten nun etwas den Kurs und steuerten längs der Küste von Kreta zwischen dieser und der Insel Gavdos durch. Der Blick auf Kreta ist landschaftlich überaus pittoresk; die Berghäupter des bis zu 2457 m aufsteigenden Ida krönen das ganze Bild, während steile, felsige Lehnen bis zum Meer hin abfallen. An Vegetation scheint die Küste fast ebenso arm zu sein, wie an menschlichen Niederlassungen, obschon von letzteren in der Karte so manche eingezeichnet sind. Nur an einzelnen markanten Punkten springen kleine, weißgetünchte Gebäude, anscheinend Kirchen oder Klöster, hervor. Der auf dem Ida tief herabreichende Schnee, die violett-rötliche Beleuchtung der Berge und der tiefblaue Himmel vereinigen sich zu einem wirkungsvollen Panorama.

Nach dem Lunch fand als Sonntagsscherz eine Tombola für die Matrosen statt, zu welcher die dienstfreie Mannschaft sich auf dem Mitteldeck versammelt hatte. Unser braver Bootsmann — noch ganz der Typus der alten Schule, gegen alle modernen maritimen Einrichtungen mit einer gewissen Abneigung behaftet — rief die Nummern aus, wobei er jede Zahl mit einem italienischen Witzwort verknüpfte, was viel Heiterkeit erregte. Wein, Zigarren und verschiedene Kleinigkeiten dienten als Preise.

Abends wurde zu Ehren meines Geburtstages von den Matrosen ein Festzug arrangiert, der, äußerst gelungen und amüsant, von dem Witz und der Erfindungsgabe unserer Leute Zeugnis gab. Mit den einfachsten Mitteln, wie Werg, Ruß, gebrochenen Riemen, Angelhaken u. dgl. erzielten sie die drolligsten Effekte. Hinter der Musikkapelle marschierte zunächst ein italienischer Sängerchor auf, der einige gut gestimmte Lieder zum Besten gab: dann kam eine böhmische Musikband, welche mit den verschiedensten, den Kadetten entlehnten Gewändern angetan, in den gewagtesten Modulationen das bekannte Lied „Nejde to“ spielte; zugleich trat ein Tierbändiger auf, der eine ganze Schar von Löwen, Affen, Elefanten, Kamelen mit sich führte. Besonders sinnreich waren die Elefanten konstruiert: je zwei Mann hatten sich eine geteerte Geschützdecke aufgestülpt und benutzten den Laufschutz als Rüssel. Ein ganz unheimliches Tier mit beweglichem, zähnebewehrtem Rachen, eine Kreuzung von Marabu und Krokodil, hatte das Licht der Welt in der Schusterwerkstätte erblickt. Echt wienerische Weisen ließ ein Schrammel-Quartett ertönen, und zum Schluss erschien unter Anführung eines prächtigen Häuptlings eine ganze Horde rabenschwarzer Zulukaffern, die, gegen den frischen Nordost nur durch Schwimmhosen und eine tüchtige Schicht Ruß geschützt, vor Kälte klapperten. Die Wilden, die ein großes Transparent mit meinem Namenszug herbeischleppten, brachen in stürmisches Hurra aus und vergnügten sich dann an einem Tanz, dessen lebhafte Bewegungen sie bei ihren luftigen Kostümen einigermaßen erwärmten. Da übrigens die Musik im gemeinverständlichen Rhythmus einer lustigen Polka erklang, so drehte sich bald die ganze Mannschaft paarweise in fröhlichem Reigen.

Die ungezwungene Heiterkeit unserer Matrosen macht einen wohltuenden Eindruck. Bei den strengen, mitunter harten und gefahrvollen Anforderungen, welche der Dienst stellt, darf man hierin gewiss einen Beweis für die physische und psychische Gesundheit der Mannschaft, aber auch für den vorteilhaften Einfluss eines streng geregelten militärischen Lebens erblicken. Es ist sehr erfreulich zu sehen, wie die Angehörigen der verschiedensten Nationalitäten und Länder kameradschaftlich verbunden sind. Deutsche aus Niederösterreich, namentlich aus Wien, aus Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und aus anderen Ländern, Slawen aus Böhmen, dem Küstenland und aus Dalmatien, Italiener und Magyaren sind bunt durcheinandergewürfelt. Das Hauptkontingent, insbesondere an Unteroffizieren, liefern die südlichen Länder. Unbeschadet der Nationalität jedes Einzelnen fühlt sich die polyglotte Mannschaft im Dienstverband unter einer stolzen, ruhmvollen Flagge zur Einheit zusammengefasst. Hiedurch wird das Bewusstsein der Vereinigung aller Nationalitäten unter einem Herrscherhause und in einem gemeinsamen Vaterland genährt und gekräftigt — gewiss eine erziehliche Wirkung des Heeresdienstes, die nicht sorgfältig genug gepflegt und gefördert werden kann.

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  • Ort: Gavdos (Griechenland)
  • ANNO – am 18.12.1892 in Österreichs Presse. Am Geburtstag Franz Ferdinands spendiert ihm das Wiener Salonblatt ein Portrait auf der ersten Seite in der Uniform eines Generalmajors und informiert die Leserschaft über die Abreise in Triest und die erwartete Ankunft in Port Said in Ägypten am 20. Dezember.

Title page of the Wiener Salonblatt with a portrait of Franz Ferdinand

In See nach Port Said, 17. Dezember 1892

In der Nacht kam stärkere Bora, welche die See höher gehen ließ; durch das heftige Rollen des Schiffes gerieten verschiedene Gegenstände aus ihrer Lage und schlugen an die Wände, so dass wir infolge des entstandenen Lärmes schon um 3 Uhr früh geweckt wurden.

Der Morgen war jedoch wieder schön und die See ruhiger, aber dank einer frischen Nordostbrise noch immer bewegt. Um 8 Uhr waren wir auf der Höhe von Korfu und sahen in der Ferne die herrlichen albanischen Gebirge. Nachmittags wurde Kephalonia, das nie eine historische Rolle gespielt hat, aber doch auf eine bewegte Geschichte zurückblickt und nur durch einen schmalen Kanal von Ithaka, klassischen Andenkens, getrennt ist, passiert. Wir konnten die Umrisse Kephalonias, obschon wir uns viele Meilen von der Küste hielten, genau wahrnehmen; später kam Zante, il fior‘ di Levante, in Sicht.

Die untergehende Sonne brachte auf den steinigen Bergen, an deren Hängen kleine Ortschaften, umgeben von reichen Oliven- und Weingärten, liegen, Farbeneffekte hervor, welche an jene südlicherer Himmelsstriche gemahnten.

Abends wurde ich durch eine Vorfeier meines Geburtstages überrascht. Ein Zapfenstreich erklang, Hurrah-Rufe der Mannschaft ertönten, ein improvisiertes Feuerwerk wurde abgebrannt, Rakete auf Rakete stieg kerzengerade zum gestirnten Himmel empor, während viele Blickfeuer das Deck taghell erleuchteten.

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  • Ort: Zakynthos (Griechenland)
  • ANNO – am 17.12.1892 in Österreichs Presse.
  • Das K. und k. Hof-Burgtheater spielt die Komödie “Gönnerschaften”. Das K. und k. Hof-Operntheater führt die Oper “Gute Nacht, Herr Pantalon” auf.

In See nach Port Said, 16. Dezember 1892

Ein herrlicher Tag und völlig ruhige See begrüßten uns. Die erhöhte Kraft der Sonne machte sich merklich fühlbar. Morgens erblickten wir die Gebirge des Festlandes mit dem Monte Movar bei Rogosnizza; gegen 9 Uhr fuhren wir zwischen Lissa und Busi hindurch und sahen in der Ferne die kleine Insel Pelagosa; einige Stunden später tauchten die hohen Berge der Bocche di Cattaro empor.

Mit unbewaffnetem Auge kaum wahrnehmbar, erschien am Horizont ein segelndes Kriegsschiff, welches wir für ein Kanonenboot unserer in Dalmatien kreuzenden Winter-Escadre, und zwar für “Nautilus” oder “Albatros” hielten.

Vormittags wurde ein Gefechtsalarm der gesamten Mannschaft geübt, sowie mit den Geschützen manövriert, Übungen, welche mit der unserer Kriegsmarine eigenen Präzision durchgeführt wurden.

Im Verlauf der Fahrt kam in weiter Ferne das italienische Festland in Sicht, welches sich in zart gezeichneten, bläulich schimmernden Konturen über dem Meer erhob.

Nach einem herrlichen Sonnenuntergang erfreuten wir uns des reinsten Sternenhimmels, eines Schauspieles, das wir bei den Klängen unserer trefflichen Kapelle auf dem Achterdeck in vollen Zügen genossen.

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  • Ort: Lissa (jetzt: Vis, Kroatien)
  • ANNO – am 16.12.1892 in Österreichs Presse.
  • Das K.k. Burgtheater präsentiert die Komödie von Gustav Freytag „Die Journalisten“. Das K.k. Hof-Operntheater spielt Giuseppe Verdis „Un ballo in maschera“ (Ein Maskenball).

Trieste – In See nach Port Said, 15 Dezember 1892

Das Häusermeer Wiens versinkt am Horizont; einen letzten Gruß noch der schönen Stadt — erst nach einer langen Fahrt um die Erde soll ich sie wiedersehen!

Die Eltern, die jüngeren Schwestern, Otto und meine Schwägerin gaben mir das Geleit nach Triest. Am 14. Dezember abends trafen wir daselbst ein. Unmittelbar nach der Ankunft schiffte ich mich auf dem Rammkreuzer „Elisabeth“ ein, an dessen Bord mich der Kommandant, Linienschiffskapitän v. Becker, und der Stab empfingen. Unweit der „Elisabeth“ lag der „Greif“ vertäut. An Bord dieses Schiffes verbrachten die Eltern und Schwestern die Nacht. Heute morgens kamen die Meinen — Ferdinand war ebenfalls eingelangt — an Bord der „Elisabeth“, um noch die letzten Stunden vor der Abreise mit mir zu teilen.

Als späterhin Admiral Baron Sterneck und endlich auch Graf und Gräfin Thun, sowie Fürst Starhemberg erschienen waren, ging es an eine gründliche Besichtigung des Schiffes in allen seinen Teilen und der Ausrüstung für die lange Reise. Die Batterien, die Torpedoeinrichtungen, die kolossalen Maschinen von 9000 Pferdekräften, die riesigen 24 cm Turmgeschütze, die Offiziersmesse, sowie die Magazine mit dem Munitions- und Proviantvorrat fanden die gebührende Bewunderung.

Die letzten Stunden des Beisammenseins mit den Meinen verstrichen nur allzu rasch und nun war der Augenblick des Auseinandergehens da! Unter Geschütz- und Hurrasalut begleitete ich meine Eltern und Geschwister an Bord des „Greif“, nahm hier schweren Herzens Abschied und kehrte dann auf die „Elisabeth“ zurück. Um 2 Uhr wurde die Vertäuung gelöst; die Volkshymne erklang, hundertstimmig erbrausten Hurrahs der Offiziere und Matrosen — majestätisch setzte sich die „Elisabeth“ in Bewegung. Wir fuhren neben dem „Greif“ und zwei mit Damen, Offizieren und anderen Herren aus Triest dicht besetzten Lloyddampfern — „Arciduchessa Carlotta“ und „Danubio“ — vorbei. Auf sämtlichen Schiffen ertönte die Volkshymne; grüßend wurden Tücher, Mützen, Hüte geschwenkt; in allen möglichen Sprachen erschollen zu uns herüber die Rufe „Auf Wiedersehen“ und „Glückliche Reise“, die wir mit „Hurrah“ und Flaggengruß erwiderten. Es war ein ergreifender Moment!

Der Tender „Büffel“, die beiden Lloyddampfer und der „Greif“ schlossen sich uns zur Begleitung an. Unsere beiden Bordkapellen brachten patriotische Färbung in die Abschiedsstimmung — die Weisen des Radetzky- und des Prinz Eugen-Marsches, das herrliche „0, du mein Österreich“ erklangen über die See. Die Heimat schien uns die Erinnerung an ein prachtvolles Bild einprägen zu wollen; denn aus heiterem Firmament strahlte die Sonne glänzend nieder, sich spiegelnd in der tiefblauen, glatten Adria, und aus der Ferne grüßten mit ihren leuchtenden Häuptern die schneebedeckten Berge.

Doch einmal muss geschieden sein! Einige Meilen von Triest entfernt, auf der Höhe von Pirano, signalisierte der „Greif“ am Masttop „Glückliche Reise, Lebewohl und Waidmannsheil“, dann schwenkte er scharf steuerbord ab; ein letzter Gruß noch von der Kommandobrücke und wir steuerten mit südlichem Kurs allein in die Ferne. Lange blickte ich dem „Greif“ nach. Die Entfernung wuchs; das dem heimatlichen Hafen zusteuernde Schiff ward immer kleiner und
kleiner, bis es wie ein Punkt am Horizont schwamm, dort, wo Himmel und Wasser ineinanderzufließen schienen. Dann entschwand es völlig meinen Blicken. In mein Inneres aber senkte sich ein Gefühl unendlicher Sehnsucht nach der Heimat und den Lieben, die sie mir birgt — es war Heimweh, das ich früher nicht gekannt. Eben erst hatte mich die Reiselust mit ihrem ganzen Zauber erfasst und nun, wenige Augenblicke nachdem ich den heimatlichen Boden, Eltern und Geschwister verlassen, war schon Heimweh, der treue Gefährte des an seiner Scholle hängenden Reisenden, an meiner Seite erschienen, unwillkürlich herbeigerufen durch den Gedanken, dass ich ein Jahr lang in der Ferne weilen soll.

Nie habe ich die Macht, welche das Vaterland auf seine Söhne zu üben vermag, tiefer empfunden als jetzt, da ich in jeder Sekunde mich unaufhaltsam von ihm entfernte. Trostreich aber überkam mich auch das Bewusstsein, dass Entfernung nicht Trennung bedeutet; denn jene wird überbrückt durch die Hoffnung auf glückliche Rückkehr aus der Fremde, auf freudiges Wiedersehen. Willig überließ ich mich einige Zeit meiner Stimmung und hing den Gedanken nach, die sie erzeugte. Dann aber bannte ich dieselben. Galt es ja doch zunächst für jeden von uns, sich auf dem schwimmenden Stücke Vaterland so wohnlich und behaglich als möglich einzurichten. In den Kabinen wurden Photographien und Bilder aufgehängt, die Bücher der reichhaltigen Reisebibliothek geordnet, Waffen ausgepackt und instandgesetzt. Bald war die Arbeit getan und ich ging wieder auf Deck. Die wohlbekannte Istrianer Küste mit ihren kahlen Felsen und den netten, weißen Ortschaften zog an uns vorbei; fernhin erglänzte noch der Gipfel des Monte Maggiore. Ein prachtvoller Sonnenuntergang beschloss den Tag. Der Abend vereinigte uns in der Speisekabine und die sinkende Nacht fand uns noch bei der Abfassung der ersten brieflichen Grüße an die Heimat.

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  • Ort: Triest (Italien).
  • ANNO – am 15.12.1892 in Österreichs Presse
  • Das Wiener K.k. Burgtheater spielt Ludwig Fuldas neues Stück „Das verlorene Paradies“ und das K.k. Hof-Operntheater führt Richard Wagners Tristan und Isolde auf.

Stuttgart — Wien, 17. bis 18. Oktober 1893

In Stuttgart verwirklichte sich der Augenblick, von dem ich im Jagdlager zu Tandur geträumt hatte, jener, in dem ich meine Schwester als junge Frau in deren neubegründetem Heim in meine Arme schließen konnte. Doch es drängte mich begreiflicherweise nach Haus und schon tags darauf eilte ich weiter.

Als der Zug in Braunau die Gemarkung der schwarzgelben Grenzpfähle erreichte und ich mich wieder in Österreich wusste, war mein Herz von Freude erfüllt, die sich in dem Maße steigerte, als der Orient-Express, die wohlbekannten, schönen Gefilde Ober- und Niederösterreichs durchfliegend, sich dem Herzen der Heimat näherte.

In St. Pölten feierte ich ein glückliches Wiedersehen mit den Eltern und Geschwistern und traf in deren Kreis endlich in Wien ein.

Wohlbehalten bin ich von der langen Fahrt um die Erde heimgekehrt. Dankbarkeit gegen die Vorsehung im Herzen, begrüßte ich sie nach Jahresfrist wieder — die alte ewig junge Kaiserstadt.

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  • Ort: Stuttgart, Deutschland and am 18. Oktober, Wien, Österreich.
  • ANNO – am 17.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt die Komödie „Bürgerlich und romantisch“, während das k.u.k. Hof-Operntheater „A Santa Lucia“ und das Ballet „Die verwandelte Katze“ aufführt.
  • Die Neue Freie Presse berichtet, dass Franz Ferdinand unter dem Inkognito „Graf Wartholz“ im Grand Hôtel in Paris abgestiegen ist und den Eiffelturm besucht hat.
Franz Ferdinand visits the Eiffel tower in Paris.

Franz Ferdinand auf dem Eiffelturm in Paris.

Neue Freie Presse reports about Franz Ferdinand's reunion with his family at St. Pölten. He apparently has lost weight - lanky ("schmächtig") is not a favorable descriptor.

Die Neue Freie Presse meldet, dass Franz Ferdinand mit seiner Familie in St. Pölten zusammengetroffen ist. Sein „schmächtigeres“ Aussehen kann nun mit österreichischer Küche korrigiert werden.

Paris, 16. Oktober 1893

Der Nebel, welcher uns auf dem Atlantischen Meer verfolgt, äußerte eine unliebsame Folge noch in Paris; denn die „Bretagne“ hatte die Fahrtzeit nicht einzuhalten vermocht, so dass wir gestern den Orient-Express nicht mehr erreichen konnten. Wir fügten uns also in das unausweichliche Schicksal und harrten in dem Babylon an der Seine, dessen mir bekannte Reize mich diesmal nicht fesselten, aus, um erst heute abends gegen Stuttgart zu rollen.

Auch in Paris wurden allenthalben Vorbereitungen zum Empfang der russischen Offiziere getroffen. An eine flüchtige, der Auffrischung von Erinnerungen gewidmete Tour durch die Stadt schlossen wir den Besuch des Louvres sowie der Morgue, die Besteigung des Eiffelturmes, ein Dejeuner bei Bignon und eine Fahrt durch die Champs-Elysées und in den Bois de Boulogne — also möglichst viel in einer Spanne Zeit.

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  • Ort: Paris, Frankreich
  • ANNO – am 16.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt die Komödie „Bürgerlich und romantisch“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Margarethe (Faust)“ aufführt.
  • Nach langer Funkstille wird Franz Ferdinands Ankunft in Le Havre und Paris in der Neuen Freien Presse vermerkt.
Franz Ferdinand's arrival in Le Havre and Paris is reported in the Neue Freie Presse, 16 October 1893, p. 5.

Franz Ferdinand in Le Havre und Paris in der Neue Freie Presse vom 16. Oktober 1893, S. 5.

Havre — Paris, 15. Oktober 1893

Wir steuerten im Kanal und wieder im dichtesten Nebel dahin; doch — „ein gutes Schiff in seinem dunkeln Drang ist sich des rechten Weges wohl bewusst“, so dass die „Bretagne“ ihren feuchten Pfad zu finden vermochte und unter fast ständiger Anwendung der Dampfpfeife ungefährdet vorbeikam an den zahlreichen entgegenfahrenden sowie an den die Route kreuzenden Fahrzeugen aller Art. Unter ihnen befand sich auch das Schwesterschiff des unseren, welches mit dem Kurs nach New York, hart an der „Bretagne“ vorüberzog. Endlich,
endlich — es war rings um das Schiff her lichter geworden — entstieg in der Ferne ein weißer Streifen dem Ozean, — „Land, Land!“ rief es in uns. Frankreichs Küste gebietet hier den Meereswellen halt, und freundlich winkt Havre dem Ankömmling zu.

Um 3 Uhr nachmittags fiel der Anker und kurz darauf standen wir auf festem Boden, auf Europas Boden. Man muss fast ein Jahr lang in der Welt umhergefahren sein, um das Hochgefühl zu ermessen, das mich in diesem Augenblick beherrschte.

Die Stadt hatte bereits zu Ehren der Offiziere der russischen Escadre, die in Toulon ankerte, festlich geflaggt; die fremden Seeleute wurden in Havre, wohin sie über Paris kommen sollten, als Gäste Frankreichs erwartet. Bald nach der Ankunft unternahmen wir in Begleitung unseres Konsuls Grosos eine Spazierfahrt gegen Trouville und fanden uns am Abend zum Diner im gastlichen Hause Grosos‘ ein, dessen Gemahlin in liebenswürdigster Weise die Honneurs machte.

Von Havre ging es nach Paris.

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  • Ort: Le Havre, Frankreich
  • ANNO – am 15.10.1893 in Österreichs Presse.
  • Das k.u.k. Hof-Burgtheater spielt am Nachmittag das Stück „König Richard II“ und abends „Die kluge Käthe“, während das k.u.k. Hof-Operntheater die Oper „Die Rantzau“ aufführt.